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Aus Protest gegründet

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So fing alles an: Das
So fing alles an: Das Foto zeigt die für die Kommunalwahlliste vor fast 30 Jahren nominierten Vertreter der „Bürger für Mühlheim“. © otterbein

Aus Protest an der Parteipolitik eine eigene Parlamentsgruppe gegründet: So begann die Geschichte der „Bürger für Mühlheim“ (BfM). In diesen Tagen feiern die Kommunalpolitikerinnen und -politiker, die sich zu einem Verein zusammengeschlossen haben, den 30. Geburtstag ihrer Gemeinschaft. Gelegenheit für einen Rückblick auf ihre Anfänge.

Mühlheim – „Es gibt kein rotes und kein schwarzes Schwimmbad, nur ein gutes.“ Ottokar Frey saß damals für die CDU als Stadtrat im Magistrat. Seiner Feststellung war nur schwer zu widersprechen. Seine Kritik am Gezanke der Fraktionen weht wie eine Nationalflagge über dem Fundament der „Bürger“. Zu Beginn der Bewegung war es ein stattlicher Teil der SPD-Fraktion, der sich zu „freien Sozialdemokraten“ formierte.

Anträge der noch namenlosen Gruppe wurden unter „Chatzis und folgende“ aufgerufen, erinnert sich Mitgründer Helmut Weigert. Martina Chatzis stand in den alphabetisch geführten Listen ganz oben. Bald provozierten sie die Genossen als „freie soziale Demokraten“, doch dieser Name hätte Sympathisanten aus anderen Lagern abgestoßen.

Es war der zweite Weihnachtsfeiertag 1992, als Weigert, Dr. Jürgen Ries, Helmut Herbert, Heinz Hölzel, Edgar Kolb, Dieter Löwe und Brigitte Meder die Gründungsurkunde unterschrieben. Die Satzung folgte im Oktober 1993. „Dann musste alles ganz schnell gehen, um die Termine zur Kommunalwahl einhalten zu können“, erzählt Weigert. Mitgliederversammlungen wurden einberufen, Unterschriften gesammelt, Kandidaten aufgestellt.

Das Logo, die Silhouette einer Personengruppe, fanden sie im Internet, färbten sie noch blau ein. „Ein befreundeter Schreiner hat aus Schrankrückwänden die ersten Plakatständer gezimmert“, so Weigert. Platten wurden zugeschnitten, die Ständer blau angestrichen, mit den gerade gedruckten Plakaten beklebt. „Die Aufsteller wurden bei Hölzels im Keller nachbearbeitet“, schildert der langjährige Leiter des Vereins.

„Nach der Wahl ist der Spuk vorbei“, habe es dazu aus der Regierungspartei geheißen. Doch die BfM holten bei der Kommunalwahl aus dem Stand knapp elf Prozent, entsandten sechs Abgeordnete in die Stadtverordnetenversammlung und Löwe in den Magistrat, zwangen die SPD somit in eine Koalition mit den Bündnisgrünen.

Die „Bürger“-Fraktion machte sich dafür stark, städtische Wohnungen an die kommunale Gesellschaft Wohnbau zu verkaufen. „Mit dem Erlös hätten alle anderen Anträge finanziert werden können“, unterstreicht der damalige Fraktionsvorsitzende Weigert. „Die Bürger für Mühlheim gründen auf dem Versagen der SPD und anderer Parteien, die oft andere Meinungen nicht zugelassen und sämtliche Anträge der Opposition abgeschmettert haben“, verdeutlicht Weigert. „Wir haben allein zu jedem Haushalt rund zwei Dutzend Änderungen eingebracht“ – vergeblich. „Auch unser Vorschlag, Frei- und Hallenbad an die Stadtwerke zu übertragen, wurde als ,Bürger’-Antrag abgelehnt, später als eigene Idee verwirklicht.“ Der von Rot-Grün eingesetzte Stadtbus „wird die Stadtwerke mit einem großen Defizit erschlagen“, sagten die BfM voraus. Mit CDU und FDP wollten sie die Biogas-Anlage bauen, „nicht abhängig sein von Putins Gas“, heißt es. Der Plan wurde von der neuen Mehrheit eingestampft. „Wir waren der Zeit weit voraus“, resümiert Weigert.

Nach zehn Jahren „sehr harter Oppositionsarbeit haben wir zuletzt unser Wahlergebnis verdoppelt, liegen jetzt über 20 Prozent“, sagt Weigert. „Wir sind etabliert, stellen acht Stadtverordnete und zwei Stadträte“. Sie wollen aktuell die ehemaligen städtischen Wohnungen an Bürgermeister-Beheim- und Sudetenstraße in Lämmerspiel zum Verkehrswert an die Wohnbau veräußern mit dem Ziel einer Sanierung. Eine Einspurigkeit der Offenbacher Straße lehnen die „Bürger“ wegen umweltschädlicher Rückstaus und Stop-and-go-Verkehrs ab. Sie rechnen mit Kosten von mehreren Millionen Euro, streben eine Bürgerbefragung an. „Deren Ergebnis werden wir akzeptieren“, verspricht der Vereinsgründer. „Der Augenwald war für uns immer ein Naherholungs-, kein Wohngebiet“, lautet eine weitere Standortbestimmung.

Der Verein bemüht sich, alle Stadtteile abzudecken, betont der Vereinsvorsitzende Ewald Renner. Nach guten Wahlergebnissen haben die „Bürger“ bereits mehrere junge Menschen gewonnen, die sich für Mühlheim engagieren wollen, freut sich der stellvertretende Stadtverordnetenvorsteher. Insgesamt vereinen sie derzeit rund 50 Frauen und Männer.

Gefeiert wird der Geburtstag am Sonntag, 28. August, ab 11 Uhr auf dem Gelände des Kleingärtnervereins Mellseewiesen. Politisch Interessierte, vor allem Vereine und Bürger, sind eingeladen. Die Lämmerspieler Heimatsterne spielen, eine Hüpfburg und Stefan Heberer im Magiergewand schaffen Unterhaltung für Kinder. Auf der Speisekarte stehen Gegrilltes und kalte Getränke, Kaffee und Kuchen. Der Gewinn kommt einem karitativen Zweck zugute. (Michael Prochnow)

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