Humor mit einer Prise Ernst

Am 12. März stimmen die Mühlenstädter über den neuen Rathauschef ab, zur Wahl stehen drei Kandidaten. Bei einem Spaziergang sprechen sie über ihre Pläne für Mühlheim, die Bindung zur Stadt und verraten, was sie an ihr schätzen. Den Schluss macht Helge Kuhlmann von Die PARTEI.
Mühlheim – Kritisch beäugt Helge Kuhlmann die Wahlplakate seiner Mitbewerber, liest aufmerksam über die teils stichelnden Sprüche. „Die Mühlheimer Politik braucht dringend mehr Humor und sollte auch mal über sich lachen können“, sagt der Fraktionsvorsitzende von Die PARTEI und deutet mit seinem Gehstock auf die bunte Auswahl, die an den Geländern am Brückenmühlenparkplatz hängt.
Mit einem Kopfschütteln wendet sich der Bürgermeisterkandidat in Richtung Bahnhofsstraße ab. „Einige verhalten sich so, als säßen wir im Bundestag, dabei sind wir hier im Grunde nur ein Bauernparlament“, gibt der 30-Jährige zu bedenken. Er wünsche sich einen lockereren Umgang – auch dann, wenn die Meinungen mal auseinandergehen. „Wir müssen uns nicht in jeder Sitzung zerfleischen, jede dritte reicht auch.“
In der Mühlheimer Innenstadt hat Kuhlmann während seiner Kindheit viel Zeit verbracht, insbesondere Eissalon und Buchladen haben stets zu seinen Favoriten gehört. „Ich war schon immer ein Eigenbrötler und habe lieber gelesen, als in die Disco zu gehen“, erinnert sich der gebürtige Friese, der 1999 mit seinen Eltern nach Lämmerspiel gekommen ist.
Heute, mehr als 20 Jahre später, zieht es ihn nur noch selten in die Innenstadt – zu fordernd sei inzwischen der Alltag. „Vor Corona bin ich fast täglich aus beruflichen Gründen nach Mainz gependelt“, berichtet Kuhlmann, der sich seit 2016 zudem als Mitglied von Die PARTEI lokalpolitisch engagiert – und das mit Erfolg.
2021 zieht Die PARTEI erstmals in das Stadtparlament ein – in Fraktionsstärke. „Ich wollte endlich mitreden können, ohne aus dem Saal geworfen zu werden“, begründet der Fraktionschef seine Motivation. Nachdem er 2016 bereits zur Bürgermeisterwahl antreten wollte, jedoch an formalen Hürden scheiterte, will der Stadtverordnete nun einen weiteren Anlauf wagen. „Ich will Bürgermeister werden“, betont Kuhlmann. Zwar sei ein nicht unerheblicher Teil seiner bisherigen Anträge durchaus mit einem Augenzwinkern zu betrachten. Jedoch scheut der 30-Jährige nicht davor zurück, auch mal ernsthafte Themen anzusprechen.
Das zeigt sich bereits wenige Sekunden später, als Kuhlmann in der Fußgängerzone einen Mann entdeckt, der auf dem Boden sitzt und Passanten um Kleingeld bittet. „Anstatt das Geld in zwei zusätzliche Ordnungspolizisten zu stecken, wäre es sinnvoller, weitere Sozialarbeiter einzustellen“, kann sich der Fraktionsvorsitzende einen Seitenhieb gegen die Konkurrenz nicht verkneifen. Laut ihm hat der soziale Bereich in den vergangenen Jahren massiv unter der angespannten Haushaltslage und den Sparmaßnahmen gelitten. „Wir brauchen mehr Prävention und nicht ständig weitere Regeln.“
Am Bahnhof angekommen, gönnt sich Kuhlmann eine kurze Verschnaufpause. Er rückt seine Brille zurecht, nimmt seinen Rucksack vom Rücken und setzt sich an die Bushaltestelle. Während er in seiner Tasche kramt, läuft eine Gruppe Jugendlicher vorbei. Auch für junge Menschen wolle er sich als Bürgermeister stärker einsetzen. „Am Skaterpark in Lämmerspiel kann zum Beispiel niemand mehr fahren, ohne wegen der Bodenwellen auf den Deckel zu fliegen“, gibt er zu bedenken und ergänzt: „Es wäre schön, wenn Mühlheim eine Stadt bleibt, die auch für Jugendliche lebenswert ist.“
Mit frischer Kraft geht es durch die Unterführung an der S-Bahnhaltestelle. „An Mühlheim gefällt mir, dass es von der Infrastruktur her zwar städtisch ist, aber dennoch Kleinstadtcharakter besitzt – das ist eine gute Mischung“, findet Kuhlmann. „Ich sage immer: Meine Heimat liegt im Norden, in Mühlheim bin ich zu Hause.“
Beim Emporsteigen aus dem Tunnel entdeckt der 30-Jährige erneut einige Plakate von Allianz und SPD, was ihn dazu animiert, ein weiteres Mal gegen seine Kontrahenten Dr. Alexander Krey und Harald Winter zu sticheln. „Wenn man die Treppe hochkommt, schauen sie von oben auf einen hinab – passend zu ihrem Politikstil.“ Er habe mitunter das Gefühl, die Politik laufe zu häufig an den Bürgern vorbei.
Mittlerweile ist klar, wohin die Reise geht: Kuhlmann will zur Kulturhalle Schanz, seinem Lieblingsort in Mühlheim. Dort, so sagt er, gehöre er als langjähriger Gast bereits zum Inventar und als Mitglied des betreibenden Kulturvereins seit Kurzem nun auch aktiv zum Team dazu. „Das Schanz ist mit seinen vielfältigen Veranstaltungen einfach ein toller Ort und es wäre ein unheimlicher Verlust, wenn es plötzlich nicht mehr da wäre“, schwärmt der Fraktionsvorsitzende, ehe er durch die schwere Eisentür tritt und im Inneren verschwindet. (von Jan Lucas Frenger)
Triell in der Willy-Brandt-Halle
Fest steht: Mühlheim bekommt einen neuen Bürgermeister. Wer das Rennen macht, entscheiden die Wählerinnen und Wähler am Sonntag, 12. März. Zuvor werden Dr. Alexander Krey (Allianz für Mühlheim), Harald Winter (SPD) und Helge Kuhlmann (Die PARTEI) bei der 90-minütigen Podiumsdiskussion der Offenbach-Post für ihre Kandidatur werben und ihre Standpunkte darstellen. Das Offenbach-Post-Triell startet am Donnerstag, 23. Februar, um 19 Uhr in der Willy-Brandt-Halle (Dietesheimer Straße 90). Der Eintritt ist frei. Wer Fragen an die Kandidaten hat, kann diese vorab unter dem Stichwort Triell an muehlheim@op-online.de senden.