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Mühlheimerin zu Bewährungsstrafe wegen Betrugs verurteilt

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Von: Stefan Mangold

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Mühlheimerin zu Bewährungsstrafe wegen Betrugs verurteilt
Mühlheimerin zu Bewährungsstrafe wegen Betrugs verurteilt © Volker Hartmann

Nach zwei Verhandlungstagen ist vor dem Schöffengericht in Offenbach ein Prozess gegen die frühere Geschäftsführerin einer aufgelösten Mühlheimer Firma zu Ende gegangen. Die Frau kam mit zwei Jahren Gefängnis auf Bewährung und 10 000 Euro Wertersatz davon, auch wenn ihr Name für einen Gesamtschaden in Höhe von knapp 261 000 Euro steht. Richter Manfred Beck und die beiden Schöffen hielten es nicht für zweifelsfrei ausgeschlossen, dass die Angeklagte nur als Strohfrau diente.

Mühlheim – Beck erspart es Staatsanwalt Tolga Akdemir, jeden einzelnen der 477 Anklagepunkte vorzulesen. Die 31-Jährige muss sich wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs verantworten. Die Masche funktionierte wie folgt: Mitarbeiter eines Callcenters boten Selbstständigen und Firmen am Telefon an, für sie im Internet Werbung zu schalten und ihren Namen bei Google weit vorne zu platzieren. Hinterher schnitt man die Gespräche so zusammen, als habe der Mensch am anderen Ende einem Vertrag zugestimmt.

Die Mühlheimerin versendete Rechnungen. Letztendlich überwiesen 250 der 477 Empfänger Beträge zwischen 96 und 1600 Euro. Wer nicht zahlte, bekam Post von einem Inkassobüro.

Rechtsanwalt Bernd Schuster sieht seine Mandantin als letztes Glied in der Kette. Die junge Mutter habe zum Familieneinkommen beitragen wollen. Einem Verwandten habe sie vertraut und im fremden Auftrag eine haftungsbeschränkte Unternehmergesellschaft (UG) gegründet. Sie habe nie eine Rechnung verfasst, sondern die Schreiben der Hintermänner nur versendet.

Ein Polizist berichtet, aufgrund etlicher Anzeigen habe er die Frau das erste Mal im Juni 2016 im Präsidium getroffen. Die habe sich ahnungslos gegeben und die nächsten Monate jedes weitere Gespräch abgelehnt. Der Polizist vermutet aus Erfahrung, „dass die Hintermänner ihr erzählten, alles sei legal, alle Probleme beruhten nur auf säumigen Kunden“.

Als die Angeklagte im März 2017 dann freiwillig in seinem Büro erschienen sei, „da hatte sie die Geschichte nicht mehr geglaubt“. Sie sei weinend zusammengebrochen, habe zugestimmt, dass die Polizei derweil in ihrer Wohnung ihren Laptop konfiszieren dürfe. Auf dem Rechner fanden sich Gesprächsleitfaden und Bilder aus dem Callcenter. Die Angeklagte habe erzählt, von den 261 000 Euro nur 8000 behalten zu haben, den Rest habe sie abgehoben und den Mittelsmännern übergeben.

Staatsanwalt Akdemir sieht die Frau nicht als ahnungsloses Hascherl in den Fängen von Hintermännern, „sie wusste, was gespielt wird“. Der zweite Auftritt bei der Polizei sei taktischer Natur gewesen, um die Mittäterschaft in Beihilfe zu wandeln. Die Tat sei verwerflich, „da zahlten Leute auf Schreiben des Inkassobüros für nichts, um keinen Schufa-Eintrag zu riskieren“. Er könne sich nicht vorstellen, dass sich die Angeklagte von einem Verwandten so habe hinters Licht führen lassen. Der Staatsanwalt fordert 28 Monate Gefängnis und den Einzug der knapp 261 000 Euro entstandenen Schadenshöhe.

Den Kontakt mit dem mutmaßlich betrügerischen Verwandten nimmt Rechtsanwalt Schuster als Beweis für die vermeintliche Ahnungslosigkeit seiner Mandantin, „man glaubt engen Verwandten“. Die Hintermänner hätten ihr immer versichert, „das ist alles in Ordnung, mach dir keinen Kopf“. Als ihre Zweifel überhand genommen hätten, sei sie zur Polizei gegangen. Schuster fordert für die bis dahin unbescholtene Mühlheimerin eine Haftstrafe, „die sich noch zur Bewährung aussetzen lässt“. Also nicht höher als 24 Monate. Als Geldwertersatz hält der Verteidiger 8000 Euro für genug, „nur das, was sie selbst behielt“.

Richter Beck erklärt, das Gericht spreche „die zwei Jahre Gefängnis auf Bewährung wegen Beihilfe mit erheblichen Bedenken“ aus. Die Argumentation des Staatsanwalts sei nicht von der Hand zu weisen. Gegen eine zweifelsfreie Mittäterschaft spreche aber unter anderem die freiwillige Herausgabe des Laptops.

Die Taten lägen bald vier Jahre zurück, „eine Gefängnisstrafe hätte für die Mutter von drei Kindern eine desozialisierende Wirkung“. Die Angeklagte muss einen Geldwertersatz von 10 000 Euro zahlen, außerdem 400 gemeinnützige Arbeitsstunden leisten. Beck vermutet zwar, es handele sich um einmaliges Versagen, konstatiert jedoch, „Sie müssen sich jetzt am Riemen reißen“. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. (Stefan Mangold)

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