Wie die Wiener Feinbäckerei mit Lieferengpässen umgeht und Flüchtlingen hilft

Nicht jede der vergangenen vier Generationen hatte eine so turbulente Übernahme wie Sandra und Georg Patrick Heberer. Die Geschwister stehen erst seit wenigen Monaten an der Spitze der Wiener Feinbäckerei Heberer in Mühlheim, mussten aber schon eine Reihe von unvorhersehbaren Veränderungen meistern.
Mühlheim – Als wären die Herausforderungen durch die Pandemie nicht schon genug, trifft jetzt der Krieg in der Ukraine die Produktion von Teigwaren. Fast ein Drittel des Weizens in der Welt wird in Russland und der Ukraine angebaut, unterrichtet der Geschäftsführer. „Die aktuelle Ernte von dort steht nicht zur Verfügung, dazu wird kaum eingesät.“ Heberer bezieht sein Mehl zwar von regionalen Mühlen, doch die müssen den heimischen Landwirten jetzt deutlich mehr zahlen. Für die Verknappung von Getreide macht Heberer auch den Umwelttrend verantwortlich, für Biosprit hochwertigen Lebensmittel-Weizen zu verwenden.
Sonnenblumenöl werde sogar zu 80 Prozent aus der Ukraine geliefert. Weil es nicht transportiert werden könne, steigen auch die Preise für andere Öle. „Dazu ist das Land der größte Exporteur von Geflügelfleisch in Europa, Futtermittel ist teurer, es gibt wenig Milch, das verteuert wiederum auch die Butter“, zählt der Unternehmer auf. „Dann gibt es keine Tomaten, weil in Spanien die LKW-Fahrer streiken, es sind so viele Effekte, die zusammenspielen.“
Für die belegten Brötchen wechseln sie die Inhalte aus, erläutert Sandra Heberer, passen das Sortiment an, pausieren mit Artikeln, „aber wir können nicht den dreifachen Preis verlangen“, erklärt sie. „Die Grundversorgung ist gesichert, unsere Kernmarke, „das Echte“, gibt’s immer. „Wir sind ein Handwerksbetrieb, unsere Mitarbeiter sind flexibel.“
Im Betrieb an der Dieselstraße stehen auch Ukrainer und Russen in Lohn und Brot, „alle wollen helfen“, betonen beide Heberers. „Wir produzieren extra für ankommende Flüchtlinge in Bahnhöfen in Ostdeutschland“, sogar Geflüchtete in einem Hotel versorgen die Mühlheimer. „Bei uns sind viele Familien mit mehreren Generationen beschäftigt“, begründet die Geschäftsführerin den Gemeinsinn, „eine Auszubildende, Cousin und Geschwister, Vater und Opa sind in verschiedenen Abteilungen an der Dieselstraße“.
Mehrere Führungskräfte haben als Azubis angefangen, Mitglieder der Belegschaft sind durchschnittlich 17 Jahre im Betrieb, viele mehr als 30 Jahre. „Es ist die Mischung aus Traditionellem und Ideen, die unser Team bewegt“, lobt die junge Frau. „Wir brauchen in der Corona-Zeit sehr viel Flexibilität, die Gesetzeslage ändert sich ständig, und wir benötigen mehr Personal, weil viele Leute erkrankt sind“, verdeutlicht der Bruder. Zudem seien in den Bistros studentische Aushilfen weggebrochen. „Viele haben Angst, vor die Tür zu gehen“, manche haben sich während der Lockdowns andere Jobs gesucht.
Mal mussten sie die starken Standorte an Flughäfen und in Bahnhöfen schließen, wegen Homeoffice liefen plötzlich Snacks zum Mitnehmen nicht mehr, bis heute fehlt Verpackungsmaterial. Dann hamsterten die Kunden Brot, jetzt wollen alle einen Platz an einem Tisch im Freien. „Wir sind unheimlich stolz auf unser Team“, schwärmt die Leiterin. „Die Angestellten machen nicht nur, was sie müssen, sie kommen mit Vorschlägen auf uns zu, haben anfangs daheim in der Drogerie Desinfektionsmittel eingekauft und in unseren Geschäften aufgestellt.“
„Die Menschen sind hier keine Personalnummern“, betont Georg Patrick Heberer im Besprechungszimmer, in dem er mit seiner Schwester aufgewachsen ist: „Wir sitzen in unserem früheren Wohnzimmer.“ Einige Mitarbeiter kannten sie schon als Kinder, „sie sind in Mühlheim verwurzelt und identifizieren sich mit dem Unternehmen“. (Michael Prochnow)