Kein Bahnhof für alle: Bürgermeisterkandidaten nehmen Bahnstation in Mühlheim unter die Lupe

Die Barrierefreiheit am Mühlheimer Bahnhof ist mangelhaft, davon haben sich die Bürgermeisterkandidaten nun bei einem Selbstversuch überzeugt.
Mühlheim – Ob mit dem Rollstuhl, einem Kinderwagen oder am Rollator: An der Südseite des Mühlheimer S-Bahnhofs haben Menschen, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind, aufgrund fehlender Barrierefreiheit beinahe täglich mit Problemen zu kämpfen. Nicht selten kommt es dabei vor, dass Betroffene teils absurde Umwege in Kauf nehmen müssen, um überhaupt erst zu den Gleisen zu gelangen. Doch damit soll jetzt endlich Schluss sein.
Bei einem Ortstermin haben sich die drei Bürgermeisterkandidaten, Harald Winter (SPD), Alexander Krey (Allianz für Mühlheim) und Helge Kuhlmann (Die PARTEI), jüngst gemeinsam mit betroffenen Personen einen Überblick verschafft und dabei den Selbstversuch gewagt. Neben dem scheidenden Rathauschef Daniel Tybussek (SPD) waren bei der Begehung mit einer Gruppe von rund 20 Menschen auch Vertreter der Selbsthilfegruppe „MainSterne“ sowie des Sozialverbandes VdK mit von der Partie.
„Ich weiß, dass hier niemand hexen kann, da die Hauptverantwortung bei der Bahn liegt, aber ich glaube, dass wir mit etwas Engagement schon viel bewirken können“, stellt Gitte Rodriguez klar. Die 64-Jährige wohnt in Dietesheim, hat die Aktion gemeinsam mit einer Freundin ins Rollen gebracht. Als langjährige Mühlenstädterin sind ihr die Tücken des Bahnhofs bekannt, sie selbst habe zahlreiche Menschen in ihrem Freundes- und Bekanntenkreis, die sich dort nur schwer zurechtfänden.
„Wir brauchen einfach einen Bahnhof, der für alle Bürger frei nutzbar ist. Dabei geht es auch um Menschen mit schweren Koffern oder einem Kinderwagen“, meint Rodriguez. Sie wünscht sich, dass die Problematik endlich in Angriff genommen wird – ganz unabhängig von etwaigen Kandidaten oder Parteien.
Und damit steht die Dietesheimerin beileibe nicht alleine da, wie die Schilderungen der Betroffenen belegen. „Ich musste mich schon mal von vier Leuten hier die Treppe hochtragen lassen“, berichtet Asta Scholten. Die 54-jährige Rollstuhlfahrerin kommt aus Obertshausen, besucht regelmäßig Freunde in Mühlheim und hat sich an der Station dabei schon häufiger in hilflosen Situationen wiedergefunden.
„Normalerweise muss ich auf der anderen Seite mit dem Aufzug hoch und dann komplett außen rum fahren“, so Scholten. Doch auch auf der Nordseite habe sie schon oft vor Problemen gestanden – etwa dann, wenn der Aufzug mal wieder streikt. „Ich bin schon den ganzen Weg bis nach Obertshausen mit dem Rollstuhl zurückgefahren, weil ich nicht zu den Gleisen gekommen wäre – das ist wirklich eine Zumutung.“
Ähnlich sieht das auch Oliver Jung. Der 57-Jährige ist ebenfalls stark in seiner Mobilität eingeschränkt, jedoch auf die Anbindung mit der S-Bahn angewiesen. „Ich nutze sie vor allem, um zum Arzt zu fahren“, berichtet Jung. Auch ihn habe der Aufzug schon mehrfach im Stich gelassen, die Treppen könne er nicht bewältigen. „Dann bleibt mir nichts weiter übrig, als zur Station in Dietesheim zu fahren, wo es zum Glück eine Rampe gibt“, sagt er. Der Großteil der Betroffenen wünscht sich für den Bahnhof in Mühlheim eine ähnliche Lösung – das Thema ist jedoch kein neues.
Die Stadt sei in der Vergangenheit bereits mehrfach mit Vorschlägen an die Deutsche Bahn (DB), die für die Station verantwortlich ist, herangetreten – bislang ohne Erfolg. „Ich finde es gut, dass wir heute hier sind“, sagt Bürgermeister Daniel Tybussek. „Wir werden das Thema erneut an die Bahn herantragen.“
Bei seinen potenziellen Nachfolgern stößt die Aktion ebenfalls auf offene Ohren, auch sie sind sich einig, dass etwas geschehen muss. Das beweist nicht zuletzt auch der Selbstversuch, bei dem die drei Kandidaten persönlich anpacken, Fahrrad, Rollator und Koffer die Treppe runter schleppen. Schnell wird klar: Das ist so richtig anstrengend. „Das war auch für mich nicht einfach“, sagt Sozialdemokrat Harald Winter, nach erfolglosem Versuch, den Drahtesel über die metallenen Keile wieder nach oben zu bugsieren. „Wenn eine Rampe hier wäre, sähe die Sache schon deutlich einfacher aus.“
Mit einer übergreifenden Unterschriftenaktion in der Bevölkerung wollen die Politiker nun den Druck auf die Bahn erhöhen und den Konzern zum Handeln zwingen. „Das Thema betrifft uns alle und ich denke, dass wir so die besten Chancen haben, etwas zu erreichen“, ist sich Erster Stadtrat Alexander Krey sicher. Sein Mitanwärter auf den Posten als neuer Rathauschef, Helge Kuhlmann, wünscht sich zudem, dass das Thema auch über den Wahlkampf hinaus im Stadtparlament verfolgt wird, „und zwar am besten interfraktionell“.
Ein Mitarbeiter der Deutschen Bahn hat sich bei dem Termin allerdings nicht blicken lassen, eine entsprechende Nachfrage unserer Redaktion blieb bis Redaktionsschluss unbeantwortet. (Jan Lucas Frenger)