„Ein Glücksfall für die Stadt“

„Reha vor Pflege“: Das ist der präventive Ansatz im Mühlheimer Tor. Am attraktiven Eingang ins Gewerbegebiet der Stadt residiert jetzt das einzige Casana-Zentrum im Rhein-Main-Gebiet, in dem ältere Menschen auf Rezept fit gehalten werden. Am Mittwochabend stellten die Betreiber das Konzept und die Räume an der Lämmerspieler, Ecke Dieselstraße der Öffentlichkeit vor.
Mühlheim – „Mit der Ente durch Europa“ – Stefan Folberth zehrt noch heute von diesen Erinnerungen. „Wir tragen es bis heute in uns“, beschrieb der Vorstand des Bundesverbands Geriatrische Schwerpunktpraxen, BUGES, und dieses positive Lebensgefühl soll bei älteren Menschen aufrechterhalten und nicht durch körperliche Gebrechen beeinträchtigt werden.
Wohlergehen mache das Leben bis ins hohe Alter lebenswert. Das Reha-Zentrum biete physiotherapeutische Angebote als Vor- und Nachsorge, „damit die Leute im häuslichen Umfeld wieder klarkommen“, brachte Folberth die Idee auf den Punkt. Die Geriatrie soll dem Sozialgesetzbuch entsprechend nun „Reha vor Pflege“ stellen, „was in den vergangenen Jahren nicht gut verwirklicht wurde“.
Hausärzte hätten aufwendig Reha-Anträge für ältere Patientinnen und Patienten verfasst und dann die „leidvolle Erfahrung“ gemacht, dass dieses Begehren von den Krankenkassen abgelehnt wurde – „eine Stunde Arbeit für umsonst“. Mithilfe des neuen Intensivpflege- und Rehabilitationsgesetzes (IPReG) könne ein Antrag nicht mehr ohne Weiteres abgelehnt werden.
Casana, die Verbindung aus „casa sana“, einem „gesunden Haus“, das ist ein helles, freundliches Ambiente, ein offener, hoher Saal mit Empfangstheke, Fitnessgeräten und Sitzgelegenheiten in warmem Licht. Über Gänge gelangt der Gast in kleinere Therapiezimmer. 15 Angestellte sind auf den 1 500 Quadratmetern beschäftigt, auf einer zweiten Ebene stehen ihnen Personalräume zur Verfügung, erläuterte Mitinvestor Mathias Beck die Architektur.
„Ich bin überzeugt, dass wir das Richtige tun“, sagte der Geldgeber nach einem Besuch des ersten Reha-Zentrums. Kaum zwei Dutzend dieser Einrichtungen gebe es heute in der Republik, berichtete Dr. Oliver Haarmann vom Fachvorstand des BUGES. 1996 wurden die ersten Strukturen aufgebaut und Verhandlungen geführt. 2002 öffnete das erste Haus in Mannheim, wo auch die Zentrale sitzt.
Das Unternehmen sei gewachsen bis zur Wirtschaftskrise 2008, informierte der Mediziner. Damals genehmigten die Krankenkassen nur noch 15 oder acht statt 20 Tage Rehabilitation, die Geriatrie war komplett hospitalisiert. Das Studio im „Tor“ erbringe beispielsweise 14 Tage Ergotherapie, vier Stunden pro Tag, „das ist wie Wasser auf Pflanzen gießen“, verglich Haarmann. Dazu können die Kundinnen und Kunden von zu Hause abgeholt und zurückgebracht werden.
Das Konzept basiere auf der Erkenntnis, dass die Menschen älter werden, der „größten Errungenschaft der Menschheit“. Als Gründe zählte er neben dem medizinischen Fortschritt, guter Ernährung und Hygiene auch die „politische Stabilität“, auf. Demokratische Systeme seien „unfassbar wichtig“. Bis zum 80. Lebensjahr seien nur 15 bis 20 Prozent pflegebedürftig.
Andererseits plagen viele multimorbide, chronische Krankheiten wie Diabetes schon mit 50. „Wenn ich nichts mache, ist es klar, wo die Reise hingeht“, so der Arzt. Es gelte also „behandeln, auch wenn noch keine Beschwerden vorliegen“. Hausärzte seien die richtigen Anlaufstellen, sie können Verordnungen ausstellen.
Carsten Müller (SPD), Sozialdezernent des Kreises, hätte sich eine solche Einrichtung für seine Angehörigen gewünscht. „Das ist ein großer Sprung nach vorne in der präventiven Versorgung im Kreis“. Bürgermeister Daniel Tybussek (SPD) meinte, Casana sei ein „Glücksfall für die Stadt, in einer immer älter werdenden Gesellschaft“, und ein Standortvorteil. (Michael Prochnow)