Erbitterter Streit um ein Telefon

Mühlheim – Der Angeklagte, der nun vor dem Schöffengericht in Offenbach saß, soll einer Bekannten an der Dieselstraße gewaltsam ihr Handy entwendet haben, das er ihr ein paar Tage zuvor übergeben hatte. Der Mann betont, ihr das Telefon zwar für 200 Euro besorgt, aber nicht geschenkt zu haben. Weil sich der Fall nicht mehr einwandfrei aufdröseln lässt, einigen sich die Prozessparteien auf eine Verfahrenseinstellung gegen Zahlung von 800 Euro.
Staatsanwalt Dirk Schillhahn klagt an, der 55-Jährige habe Anfang November 2020 von der 41-Jährigen die Herausgabe ihres Handys verlangt, das er ihr Tage zuvor geschenkt habe. Diese weigerte sich jedoch, das Handy zu übergeben, noch die alternativ geforderten 200 Euro zu zahlen, worauf der Angeklagte die Frau zu Boden geworfen, gewürgt und ihr das Telefon abgenommen habe.
Der Angeklagte schüttelt den Kopf, als die Türkisch-Dolmetscherin übersetzt. Rechtsanwalt Heinz A. Fecher erklärt, die Version des Tatgeschehens unterscheide sich von dem, was sein Mandant erlebt habe.
Der Angeklagte erzählt, die Frau habe kurzzeitig bei ihm gewohnt. Weil ihr Handy kaputt gegangen sei, habe er ihr ein gebrauchtes besorgt, „aber nicht geschenkt, ich wollte die 200 Euro wieder haben“. Wie es ausschaut, hatte die Frau unmittelbar nach der vermeintlichen Schenkung einen neuen Mann an ihrer Seite.
Man habe sich vor der Lokalität an der Dieselstraße getroffen, sagt der Angeklagte. Die Frau sei alkoholisiert auf ihn zugegangen, so dicht, „dass wir zusammen umgefallen sind“. Dabei habe sie ihm in den Finger gebissen. Im Gerangel habe er das Handy an sich genommen.
Der Fingerbiss bestätigt die Frau. Eine Dolmetscherin für Italienisch übersetzt, der Angeklagte habe damals „ein gewisses Interesse an mir gezeigt“. Sie habe das als aufdringlich empfunden, „er sprach auch von Heirat, auf meinen Freund war er eifersüchtig“.
Die Frau deutet schließlich an, wenn auch nur für einen Moment mit dem Angeklagten verbunden gewesen zu sein: „Da war eine Geschichte, die möchte ich gar nicht wiedergeben“. Sie habe sich „in einer speziellen Situation befunden, er hatte mir geholfen“. Das Handy habe er ihr erst geschenkt, dann geraubt.
Richter Beck interessiert, „wie kommunizierten Sie und der Angeklagte eigentlich miteinander?“ Schließlich spreche sie kein Wort Deutsch, der Angeklagte zwar ein bisschen, aber kein Italienisch. Mit Hilfe des Übersetzungsprogramms auf dem Smartphone habe man sich ausgetauscht.
Beim Kampf ums Telefon habe sie sich an der Nase verletzt und Blutergüsse davon getragen, berichtet die Klägerin. Einen Arzt habe sie nicht aufgesucht. Vor Gericht erklärt die Frau, dem Angeklagten sei es nicht gelungen, sich des Handys zu bemächtigen. Richter Beck hält dem ihre Polizeiaussage von damals entgegen, aus der sich lesen lässt, dass die Beamten das Telefon beim Angeklagten sicherten und ihr dann übergaben. Die Frau erklärt, „gut möglich, ich war in dem Moment traumatisiert“.
Mit dem Handy selbst scheint sie keine negativen Gefühle zu verbinden. Auf Becks Frage, was mit dem Telefon passiert sei, zieht die Frau einen Gegenstand aus der Tasche: „Hier, ich habe es immer noch“. Der Angeklagte lacht.
Richter Beck bittet Staatsanwalt Schillhahn in sein Beratungszimmer. Hinterher fragt Beck Verteidiger Fecher, ob sich sein Mandant eine vorübergehende Einstellung des Verfahrens vorstellen könne, „gegen eine Zahlung von 800 Euro an die Staatskasse“. Der Angeklagte stimmt zu. Beck gibt ihm mit auf dem Weg, „wenn Sie nicht zahlen, geht die Verhandlung weiter“.
Von Stefan Mangold