Der Höfeflohmarkt treibt Schnäppchenjäger in Dietesheims Straßen

Halb Dietesheim ist eine Fußgängerzone. Hunderte schlendern unter blauem Himmel über Ober- und Untermainstraße, Taunus- und Basaltstraße. Grund für die Dietesheimer Völkerwanderung ist nicht allein das lange vermisste Wetter, sondern auch der Höfeflohmarkt. Mehr als 50 Teilnehmer haben sich für die fünfte Ausgabe angemeldet und gewinnen so viele Kunden wie nie zuvor.
Mühlheim – Bunte Ballons weisen den Weg: Wo sie hängen, gibt’s was zu stöbern. Dazu haben die Verkäufer schon vor vier Wochen ein Plakat an ihre Einfahrt gehängt, um für die beliebte Aktion zu werben. Und jeder Familie, die mitmacht, hat Organisatorin Marion Müller einen Stapel Stadtteilpläne gebracht, auf denen alle Anbieter-Adressen markiert sind.
Die schwarzen Flecken auf der Karte weisen die Standorte für das rollende Timeout Café aus, das heiße und kalte Getränke ausgeben darf. Sogar für einen Toilettenwagen haben die Initiatoren gesorgt, er steht vorm Friedhof. Der Flohmarkt-Gedanke findet immer mehr Gefallen. In der Basaltstraße dient er gar als pädagogische Maßnahme: Die 14-jährige Tochter soll die Geschäftswelt kennenlernen und Zeugnisse der zurückgelassenen Kinderzeit selbstständig in bare Münze umwandeln.
Der Teenager erfüllt die Aufgabe mit Laune und Lächeln, berichtet die Mama stolz. Nur beim Zwergenhaus bleibt sie knallhart: „30 Euro, und da geh’ ich auch nicht runter“, hat sich das Mädchen für sein Lieblingsspielzeug vorgenommen, mit dem es viele Erinnerungen verknüpft.
Bei einem Paar am Bornweg läuft es sehr gut. Selbst die Schaufensterpuppen tragen nur noch Bikini und leichte Textilien. Klar, „alles muss raus“, lautet die Parole, denn die Wohnung wird geräumt. Nebenan liegt ein Ladenhüter ganz oben, ein nagelneuer schwarz-weißer Schal mit rotem Adler-Emblem. Und den preisen die Damen dreier Generationen nicht nur wegen der 27 Grad im Schatten an wie Sauerbier: Dietesheim denkt fußballtechnisch rot-weiß.
Das Epizentrum der Hof-Märkte liegt im alten Ort. Der professionelle Trödelhändler residiert sprichwörtlich in der letzten Ecke, und doch strömt Kundschaft im Minutentakt herbei. Neben den Schätzen aus Haushaltsauflösungen grüßen bereits die ersten Nikoläuse und Weihnachtsengel mit mildem Lächeln.
Am anderen Ende der Altstadt-Achse stapeln sich gegenüber von Marken-Sportschuhen Pflastersteine unter Plastik. „Ihr solltet die alten mitanbieten“, lautet ein kluger Spruch in gemütlicher Runde. „Man trifft Leut’, die man das ganze Jahr nicht sieht“, fasst eine Bewohnerin den tieferen Sinn des Höfeflohmarkts zusammen. Wie vor vielen Haustüren und Garagentoren hat die Familie Gartenstühle um einen runden Tisch mit Getränken und Gebäck aufgestellt, das Geschäft führt der Nachwuchs. Einige Schüler haben Kuchen gebacken – was für manchen Bummler das beste Angebot ist. Die Kids sind aber auch auf Shopping-Tour, Spielsachen gehören schließlich fast überall zur Auslage.
Die Familie um Scholl-Schul-Lehrerin Gabriele Schmitt hat ein Verkaufszelt aufgebaut und sammelt den Erlös aus den gespendeten Büchern vieler Eltern an die SOS-Kinderdörfer. Noch ein Argument mehr für eine der lange vermissten Gelegenheiten zur Geselligkeit in Pandemiezeiten. (Von Michael Prochnow)
