Geburtshelferin aus Mühlheim spricht Probleme ihres Berufsfeldes an

Hebammen sind ein wichtiger Baustein für Familien, sagt eine Mühleimer Geburtshelferin. Doch etwa hohe Versicherungskosten bei gleichem Lohn machen den Job unattraktiv.
Mühlheim – Budgetkürzungen, gestrichene Stellen, hohe Versicherungskosten: Hebammen sehen sich zunehmend mit einer Vielzahl von Herausforderungen konfrontiert. Die Mühlheimerin Eva Niedenthal ist seit über 20 Jahren in diesem Bereich tätig, hat als Geburtshelferin unter anderem in einem Hanauer Krankenhaus gearbeitet und ist seit 2005 beim Familiengesundheitszentrum „Schritt für Schritt“ in der Bahnhofstraße tätig. Anlässlich des heutigen internationalen Hebammentages erläutert sie im Interview, welche Unterstützung Hebammen bieten können, gibt ihre Einschätzung zum Fachkräftemangel und verrät, weshalb ein Umdenken notwendig ist.
Frau Niedenthal, welche Aufgaben hat eine Hebamme?
Die Bandbreite ist sehr vielfältig und reicht von der Betreuung während der Schwangerschaft über die Unterstützung bei der Entbindung bis hin zur Nachsorge. Wobei nicht alle Hebammen zwangsläufig jeden dieser Schritte abdecken.
Wie ist das konkret in Ihrem Fall?
Ich beschäftige mich aktuell mit sämtlichen außerklinischen Aspekten einer Schwangerschaft. Das heißt, ich begleite die Frauen bis zur Geburt, betreue sie, helfe bei Beschwerden. Dann gehen sie zur Entbindung meist in ein Krankenhaus und anschließend kümmere ich mich um die Wochenbettnachsorge.
Wie kann man sich das vorstellen?
Ich nehme mir sechs bis acht Wochen Zeit, in denen ich die Mütter mehrfach daheim besuche, um mit ihnen zu reden, sie zu beraten und ihre Verfassung im Blick zu behalten. Zum Schluss gebe ich dann noch Tipps zur Ernährung und bin eigentlich bis zum Abstillen weiter mit den Frauen in Kontakt.
Sollte jede Frau diese Nachsorge in Anspruch nehmen?
Es ist natürlich kein Muss. Es gibt genügend Mütter, die sehr gut ohne eine Hebamme auskommen, da sie schon Erfahrung sammeln konnten, oder Unterstützung durch die Familie bekommen. Doch nicht jede Frau lebt in einem Mehrgenerationenhaus und hat die Möglichkeit, sich jederzeit mit anderen Menschen auszutauschen.
Einige Mütter sind also ganz allein?
Genau. Manchmal leben die Eltern weit weg oder sind bereits gestorben. Meiner Erfahrung nach sind gerade diese „Kleinfamilien“ unheimlich dankbar, wenn sie jemanden haben, der regelmäßig vorbei kommt und sie unterstützt. So kann eine Hebamme zu einem wichtigen Faktor werden.
Viele Frauen müssen oft monatelang suchen. Erkennen Sie diesen Trend auch in Mühlheim?
Definitiv. Während sich die meisten Schwangeren früher erst nach einigen Monaten nach einer Hebamme umgesehen haben, müssen sie heute im Prinzip ab der ersten Woche mit der Suche beginnen, damit sie jemanden finden. Das ist ein Zeichen, dass es an Fachkräften mangelt.
Was sind Gründe dafür?
Es gibt mehrere: Im Bereich der außerklinischen Geburtshilfe liegt es vor allem an den exorbitant gestiegenen Versicherungskosten bei gleichbleibenden Löhnen. In den Kliniken sind hingegen oftmals der niedrige Personalschlüssel und die damit verbundene Streichung von Stellen verantwortlich.
Wie wirkt sich das auf den Arbeitsalltag aus?
Es ist beispielsweise keine 1:1-Betreuung im Kreißsaal mehr möglich. Eine Hebamme muss sich in der Regel um drei Frauen gleichzeitig kümmern, wodurch Zeit fehlt, um auf individuelle Wünsche, Ängste oder Sorgen einzugehen. Das widerspricht dem Grundprinzip unserer Arbeit, weshalb viele dem Beruf den Rücken gekehrt haben.
Was muss sich ändern?
Ich glaube, dass sich generell und zu allererst die Einstellung gegenüber Dienstleistungen am Menschen ändern muss. Ob Pflegekräfte, Hebammen oder Erzieher: Solche Berufe werden heute nicht mehr so wertgeschätzt wie früher. Dabei sind sie wichtige Bausteine für Familien.
Das Gespräch führte Jan Lucas Frenger.