Gemeindepfarrer durch und durch

Erst vor zwei Jahren feierten sie sein silbernes Priesterjubiläum, und weder ein Katholik noch ein Protestant, kein Basaltkopp und kein „Russ’“ hätte sich vorstellen können, dass er je die Mühlenstadt verlässt. Am wenigsten er selbst. Doch so schnell ändern sich die Zeiten: Noch-Dekan und Pfarrer Willi Gerd Kost wird Leiter des neuen Seelsorge-Raums Mainbogen, des zweitgrößten im Bistum, der von Klein-Auheim bis Mainflingen reicht.
Mühlheim – Der Priester bleibt also in Rufnähe. An den vergangenen Wochenenden verabschiedeten ihn aber sämtliche Gruppierungen der Kirchengemeinden Dietesheim und Lämmerspiel. Bevor er seinen neuen Stützpunkt im Pfarrhaus Hainstadt bezieht, schüttelte er nach den Gottesdiensten an Samstag und Sonntag viele Hände und nahm liebevoll und originell gestaltete Geschenke entgegen. Zu den heiteren und unvergesslichen Präsenten zählt sicher der Film, mit denen sämtliche Kreise von St. Lucia „tschüss“ sagten.
Da grüßten Kosts erster Täufling und der erste Erstkommunion-Jahrgang 2007. Der Familien- und der Eine-Welt-Kreis bildeten sich. „Zwei wie wir können sich nie verlieren“, sangen Damen mit Blick auf den Pfarrer und Melodie von Udo Lindenberg. Aus den Pfarrbüros verabschiedeten sie den „Chef“ zu Carpendales „Alice“-Hit als „Freund“. Schule, Messdiener, Zeltlager-Team, Kolpingfamilie, Kirchenchor und Senioren drehten witzige Szenen.
Die Pfarrbücherei empfahl eine „Buch-Apotheke“, der Gemeindereferent filmte sein Büro, „Sommer-Pfarrer“ Scaria sandte freundliche Grüße per Video – „15 Jahre in 15 Minuten“, warben Christine Martin und Christiane Schmitt von Verwaltungs- und Pfarrgemeinderat. Sie erinnerten, dass Kost „das Pfarrfest in vollen Zügen genossen“ und stets das Entenrennen moderiert habe. „Du bist ein Gemeindepfarrer durch und durch“, überzeuge mit seiner menschlichen Art, Diplomatie und Solidarität.
Die vergangenen zwei Jahre seien auf dem „Pastoralen Weg“ eine „große Herausforderung“, anstrengend, nervig, aber auch von wichtigen Entscheidungen geprägt gewesen. Dank des Pfarrers blieb der Wandel kein theoretischer Prozess, sondern wurde auch ein geistiger. Die Frauen luden den Scheidenden ein, „den Pflug manchmal aus der Hand zu legen“. Zu einer Auszeit sei der Freund „jederzeit willkommen“.
Acht Tage zuvor stellten Fastnachtsausschuss, Kappenträger und Gardemädchen Karnevalist Kost in ihre Mitte. Mit einem kräftigen „Diddesem Helau!“ grüßten sie im Schatten von St. Sebastian den Priester. „Er wird bei den Kappenabenden fehlen“, versicherte Kolping-Sprecher Winfried Winter. „In deiner Heimat warst du einer, der Fastnacht kannte wie kein zweiter“, hieß es. Von Kosts erstem Vortrag im Pfarrheim waren die Narren „geplättet von deinem Stil, ein Knaller war’s!“
Der Verabschiedete stand in der Bütt’ als Parrhaushälterin, Ordnungshüter, Wunderheiler, Oberkellner, Kirchensanierer, Hausmeister, Bote aus Rom und in anderen Rollen. „Jeder Vortrag hatte einen Bezug zu unserer Pfarrei, gefiel mit Reim und Gesang“, lobte Winter. Mit dem umgetexteten Sehnsuchtsgesang von „Scheidungskind“ Andrea Jürgens, „und dabei liebe ich euch beide“, führte er die beiden Stadtteile enger zusammen.

Als „Referenz für fastnachtliche Fähigkeiten“ überreichte Bürgermeister Daniel Tybussek dem Theologen den Schlüsselorden der Mühlenstadt. Die Auszeichnung galt „einem Mann, der wie kaum ein Zweiter begeistern kann“. Und weil der Pfarrer seine Vorträge ja nie sehen konnte, haben sie ihm einige auf DVD gebrannt. „Genieße die Überraschungen und erinnere dich an schöne Abende“, empfahl der Rathauschef.
Die Kappenträger erhoben die Stimmen, die Mini-Garde der „Purzel“ die Beine. Auch nach dem Gottesdienst am Sonntagvormittag verabschiedeten sich die Gläubigen persönlich und mit einem freundlichen Lächeln. (Michael Prochnow)