Gesunder Umgang mit dem Tod: Offener Trauertreff in Mühlheim bietet Möglichkeit zum Austausch

Die Mühlheimer Hospizgemeinschaft bietet Hinterbliebenen mit dem Offenen Trauertreff die Möglichkeit, sich über den Verlust eines geliebten Menschen auszutauschen.
Mühlheim – Wer alt wird und niemals trauerte, führte wahrscheinlich ein trauriges Leben. „Ohne Liebe kann es keine Trauer geben“, nennt Marlis Hanebutt den Grund. Gemeinsam mit Thomas Ruhl moderiert die stellvertretende Vorsitzende den Offenen Trauertreff der Hospizgemeinschaft Mühlheim an jedem ersten Donnerstag eines Monats.
Hanebutt erzählt, wie sie als 30-Jährige mehrere Schicksalsschläge hintereinander verkraften musste. Innerhalb von zwölf Monaten verlor sie die Eltern. Die Mutter starb an einem Herzinfarkt, der Vater an Nierenversagen. Zu allem Überfluss schied auch noch eine vertraute Tante in der gleichen Zeit dahin. Zeit zur Trauer blieb nicht, „ich war gerade geschieden und hatte mich um meine zwei Töchter zu kümmern“.
Jahre später traf die heute 75-Jährige ein schlimmerer Schicksalsschlag. Die meisten Eltern eint bei der Vorstellung, was aus dem Nachwuchs einmal werden soll, ein Ziel. Die Kinder sollen in möglichst ferner Zukunft einmal ihre Beerdigung organisieren, nicht umgekehrt. Marlis spricht von ihrer ältesten Tochter Rebea, die vor 13 Jahren als 36-Jährige an Unterleibskrebs starb. Nach Rebeas Tod habe sie einen Artikel zum Thema Trauer gelesen, „da wurde mir klar, letztlich habe ich meine Trauer nie leben können“.
Sie habe ein großes Bedürfnis verspürt, über ihren Zustand zu reden. Viele Betroffene, die nach dem Todesfall eines Nahestehenden nicht spätestens nach drei Wochen wieder voll auf dem Damm stünden, bekämen nicht selten verhaltene Vorwürfe im Tenor zu hören, „das ist doch schon ein halbes Jahr her“.
Der Trauertreff sei ein geschützter Raum, in dem jeder frei reden könne, ohne fürchten zu müssen, nicht ernst genommen zu werden, egal, ob es um ein Kind, den Partner, Elternteile oder verstorbene Geschwister gehe. „Die Trauer nivelliert die Unterschiede“, beobachtet Thomas Ruhl. Zum beruflichen Alltag des 68-Jährigen gehörte der Tod.
Ruhl war einst Mönch im katholischen Orden der „Steyler Missionare“, die er kirchenrechtlich einwandfrei vor den ewigen Gelübden verließ. Sein Theologiestudium beendete er in Tübingen zu einem Zeitpunkt, als der Wunsch Priester zu werden, längst der Vergangenheit angehörte. Nach dem Zivildienst absolvierte der Mann eine Ausbildung zum Krankenpfleger, arbeitete später unter anderem im Frankfurter Eschenbachhaus, damals ein betreutes Wohnhaus für HIV-Betroffene Drogenabhängige, die sich in der Regel durch die gemeinsame Nutzung von Nadeln infiziert hatten. Aids galt als Todesurteil. Später nahm der verheiratete Mann und Vater zweier erwachsener Söhne unter anderem im Hospiz Fanny de la Roche in Offenbach eine Stelle an. Wer hier einzieht, gilt als austherapiert und wird bald sterben.
Über ein Leben nach dem Tod lässt sich nur spekulieren. Die Angehörigen müssen jedoch mit dem leeren Platz des Partners am Tisch, den ausbleibenden Telefonanrufen der Tochter und der Einsamkeit leben. Marlis Hanebutt, die bis zur Rente in einem US-Werbeunternehmen in Frankfurt arbeitete, erklärt, es sei unterschiedlich, wann Betroffene zum Trauertreff kommen, „manche schon 14 Tage nach einem Sterbefall, andere erst nach Jahren“. Die meisten seien verwitwet. in der Regel kämen fünf bis sechs Betroffene. Jeder sei willkommen, „anmelden muss sich niemand“.
Der Theologe gehört dem Verein für Ambulante Ethikberatung an, gemeinsam mit Hanebutt moderiert Ruhl den Treff. „In der Trauer steckt auch Liebe“, sagt Marlis Hanebutt, „man trauert nur um jene, die man liebte“. (Stefan Mangold)
Der Offene Trauertreff
ist jeden ersten Donnerstag eines Monats um 18 Uhr im Domizil der Hospizgemeinschaft Mühlheim in der Markstraße 44.