Bildhauer Reinhold Mehling stellt auf Frankfurts „Discovery Art Fair“ aus

Spätberufene nannte man früher solche Talente wie den Mühlheimer Bildhauer Reinhold Mehling. Mit Ende 50 startete der Geschäftsmann, der sein Leben lang zeichnet, zur neuen Karriere als Bildhauer durch. Mit 72 Jahren, die man ihm nicht anmerkt, ist er auf wichtigen Kunstmessen gefragt, zuletzt auf der Art Wiesbaden und nun vom 4. bis 7. November auf der „Discovery Art Fair“ in Frankfurts neuer Messehalle 12 an der Europa-Allee.
Mühlheim – Mehling sagt zu diesem Auftritt, für den er neben üppigen 20 Quadratmetern Ausstellungsfläche einen eigenen Platz für seine große „Venus-Arabeske“ aus Stahl erhält: „Diese Entdeckermesse für zeitgenössische Kunst habe ich schon als Besucher schätzen gelernt, sie bietet eine wunderschöne Mischung aus internationaler und nationaler Kunst.“ Er habe sich dafür beworben und sei sofort genommen worden. „Ich zeige dort mindestens acht meiner aktuellen Holzskulpturen und eine große Metall-Figur.“
An gutem Platz zwischen Malerei, Plastik und anderer Bildender Kunst zeigt Mehling neue Werke aus seiner „Hüllen“-Serie, unter anderem eine neue Figur mit dem Arbeitstitel „Lämmerspielerin“. Der Eichenblock von eineinhalb Tonnen dazu stammte aus dem Lämmerspieler Wald. Den Holzkorpus hat er Schritt für Schritt mit diversen Kettensägen weitgehend ausgehöhlt. Die Außenhaut hat er mit dem Bunsenbrenner geflämmt und eingeölt, die helle Innenwand bleibt roh. Das fast fertige Kunstwerk, das immer noch voluminös wirkt, wiegt gerade mal knapp 70 Kilogramm.
Zu seinem speziellen Verfahren sagt Mehling: „Ich mache alle meine Holzstämme und Blöcke hohl, bis eine relativ dünne Haut als Form zurückbleibt, die entsprechend bearbeitet wird. Die entsprechende Technik bringt kaum einer hin außer mir, darauf bin ich stolz.“ Neben der Lämmerspielerin wird auch seine stählerne „Venus-Arabeske“ für Aufsehen sorgen, die schon bei den Kunsttagen im Rumpenheimer Schlosspark umlagert war. Mehling hatte dazu ein Holzmodell gebaut, vermessen und in Computerdaten umgewandelt. Diese gingen an eine Frankfurter Spezialfirma, die die Skulptur mit einem einzigartigen 3-D-Drucker samt angeschlossenem Schweißgerät in mehrwöchigem Verfahren in eine Stahlversion verwandelte – mit rund 30 000 Schweißnähten. Typisch für Mehling ist das Ergebnis in seiner Mischung aus Monumentalität und Feinnervigkeit. Ähnliches wird demnächst die Gemeinde Dörnigheim von ihm erwerben und am Mainufer aufstellen.

Daneben findet man im Depot seines Atelierhauses und Skulpturenparks „Uferkunst“ am Main Torsen und fragmentierte Frauenakte aus Nussbaum, Esche und Zeder, die auch mit stromlinienförmigen Maserungen glänzen, die die Formen umspielen. Natürlich alle gehöhlt. Zur Problematik dieser Methode sagt Mehling: „Wichtig ist die Kunst des Aufhörens. Was weggeschnitten ist, ist weg. So ist jeder Schnitt eine Entscheidung, bei dem man das Gesamtkonzept im Auge behalten muss. Die Angst, etwas falsch zu machen, die ich bei meinen Schülern bemerkt habe, habe ich überwunden.“
Doch in die Zufriedenheit des Künstlers, der gerne arbeitet und oft „kaum aufhören kann“, mischt sich auch Selbstkritik: „Ich freue mich, dass ich mich weiterentwickele in meiner Kunst. Oft ist jeder Schaffenstag schön und toll. Doch ich will noch mehr aus der Intuition heraus arbeiten, dabei die gewohnten Formen zugunsten weiterer Abstraktion verlassen und die Grenzen meines Tuns erweitern.“ Wie man an Beispielen an der Wand und am Fenster seines Studios sieht, kann Mehling auch hervorragend malen und Tonmodelle aufbauen. Doch dafür hat er in seinem bildhauerischen Schaffensdrang einfach keine Zeit mehr.
Mehling sendet auch eine Botschaft an die ständig wachsende Schar seiner Kunstfreunde: „Ich bin nicht der Typ, der sich ausführlich über seine Kunst äußert. Meine Skulpturen sprechen für sich selbst, sie sollten gelesen werden. Hineininterpretieren will ich schon gar nichts.“ Mehling will sich nicht in entsprechende Schubladen zeitgenössischer Kunst hineinbegeben. Wie also soll man seinen ureigenen Stil auf den kunsttheoretischen Punkt bringen: Der Mühlheimer ist offensichtlich der Klassischen Moderne verpflichtet, seine Arbeitsweise und der Ausdruck seiner Werke sind dabei expressiv, mancher Torso wirkt schon existenzialistisch. Dahinter steckt, bei allem Gefühl für Bewegung für Körperliches und Erotisches, auch das feine Gespür für Vergänglichkeit fleischlicher Materie. „Memento mori“ – „Gedenke des Todes“ nannte man solche durchaus lebensvolle Kunst schon im Mittelalter. (Von Reinhold Gries)
Infos:
„Discovery Art Fair“ in der Messe Frankfurt Halle 12 von 4. bis 7. November, freitags bis samstags von 11 bis 20 Uhr und sonntags von 11 bis 18 Uhr. discoveryartfair.com.