FDP sorgt sich um die Stadtfinanzen und will mehr für Gewerbeansiedlung tun

Rund um die Diskussionen um den noch nicht genehmigten Haushalt für das laufende Jahr (wir berichteten) macht sich die FDP Gedanken, wie der klamme Stadtsäckel mit einem Minus von rund 68 Millionen Euro wieder gefüllt werden kann. Wer nun schnelles Geld und sich bald ansiedelnde Unternehmen erwartet, den bremst FDP-Fraktionschef Michael Bill gleich aus: „Kurzfristige Lösungen sind schwierig, das ist ein langer Prozess.“ Allerdings warnt der Diplom-Ingenieur: „Wenn wir uns nicht um die finanzielle Situation der Stadt kümmern und langfristig Gewerbe ansiedeln, geht’s nur nach unten.“
Mühlheim - Immerhin: Wie man von unten wieder nach oben kommt, haben die Liberalen vorgemacht: Die FDP hat sich vom weißen Fleck im politischen Farbspektrum Mühlheims nach der Kommunalwahl zu einem Teil der in Regierungsverantwortung stehenden Schwarz-Grün-Blau-Gelben Allianz für Mühlheim aufgeschwungen. Zwar hätten CDU, Grüne und Bürger für Mühlheim die gelbe Zwei-Mann-Fraktion nicht für die Stimmenmehrheit gebraucht, doch man entschied sich, die Liberalen mit ins Boot zu nehmen und „Tansania“ zu schmieden. „Wir kommen mit allen gut zurecht“, beteuert Bill, „natürlich haben wir aber gelegentlich andere Prioritäten“.
Der Fraktionschef betrachtet die bisherige Zeit der Gelben in der Allianz als Lehrjahr: „Wir kannten viele Zusammenhänge noch nicht.“ Fraktionskollege Bernd Falk ist zufrieden mit der bisherigen Bilanz der FDP, man habe sogar einige neue Mitglieder gewonnen: „Wir haben viel auf den Weg gebracht, betreiben viel Rechercheaufwand und stellen viele Anfragen.“ Die Liberalen nennen da etwa den Beschluss, für das Erbbaurecht in Mühlheim eine Regelung zur Vergabe und Nutzung aufzustellen.
Beim Blick auf die Finanzen vermisst das FDP-Duo bei der Stadt aber ein klares Vorgehen: „Die Sensibilität scheint nicht da zu sein.“ Und dann werde der schlechte wirtschaftliche Zustand der Stadt in der Öffentlichkeit noch gut dargestellt. Es laufe immer nach dem gleichen Schema, „viel Kleinkram, aber Wichtiges wird nicht angepackt“, sagt Falk. „Wir haben die zweitniedrigsten Gewerbesteuereinnahmen im Vergleich mit anderen Kommunen unserer Größe in ganz Hessen.“
Überhaupt gebe Mühlheim bei den vom Hessischen Statistischen Landesamt erhobenen Vergleichszahlen der Kommunen von 20 000-50 000 Einwohner kein gutes Bild ab: Etwa bei der Anzahl sozialversicherungspflichtiger Arbeitsplätze am Arbeitsort (Rang 44 von 47), bei den Gewerbesteuereinnahmen pro Einwohner (46/47), der Realsteueraufbringungskraft (44/47) je Einwohner und bei der Verschuldung pro Einwohner (10/47). So hat statistisch betrachtet jeder Bürger der Mühlenstadt 1690 Euro Schulden – hessischer Durchschnitt bei der Pro-Kopf-Verschuldung von Kommunen gleicher Größe 2020: 1220 Euro.
„Schlecht kann man ja sein“, meint Falk, „aber dann muss man Maßnahmen ergreifen, um besser zu werden“. So seien rund 40 Hektar Erbbaugrundstücke im Besitz der Stadt mit einem Bodenrichtwert von und 200 Millionen Euro. Diese müssten genutzt werden, „damit die Wohneigentumsquote steigt“. Ihm fehle die Balance in der Stadt, „Wir bilden nicht das gesamte Einkommensspektrum ab.“ Erbbaugrundstücke könnten für Schwellenhaushalte mit mittlerem Einkommen zur Verfügung gestellt werden, schlägt er vor.
„Es gibt Kommunen, die das erfolgreich tun.“ Auch brauche die Stadt ein Gewerbeflächenmanagement. „Zwei Drittel der Kommunen in Hessen betreiben Gewerbeflächenmanagement, in Mühlheim passiert nichts“, kritisiert Falk. Zudem brauche Mühlheim einen hauptamtlichen Wirtschaftsförderer, der sich ausschließlich mit dem Thema beschäftige, fordert Bill. Auch einen Umweltmanager, der vom Land gefördert werde, bringt er ins Spiel. „Genauso wichtig wäre es, dass die Stadt sich einen ehrenamtlichen,Business Angel’ einstellt, der Kontakte in die Wirtschaft knüpft.“ Alternativ könne er sich auch einen ehrenamtlichen Wirtschaftsrat vorstellen. Der „treibende Keil muss der erste Wahlbeamte sein – das sehe ich aktuell nicht so“, kritisiert Falk, „das heißt, nicht, dass der Bürgermeister die Verwaltung nicht gut führt, aber Gestalten ist etwas anderes“.
Bei der Auseinandersetzung mit dem bislang noch nicht genehmigten Etat habe man bei den Liberalen festgestellt, dass die Stadt „finanziell mit dem Rücken zur Wand steht“. Die finanzielle Situation sei so schlecht, „dass wir uns gar nichts leisten können“, sagt Bill. „Wir müssen die Substanz ändern, uns fehlen die Einnahmen“, meint Falk. Die Anhebung der Grundsteuer B, um Einnahmen zu generieren, sei für die FDP allerdings ein „rotes Tuch“, betont Bill. „Wir leben nicht in der nordhessischen Diaspora, sondern im Rhein-Main-Gebiet, und da haben wir einen Platz, den wir als Stadt nicht wirklich wahrnehmen“. Er sehe da ein „unfassbar großes Potenzial“, findet der Fraktionschef. Mühlheim liege im fünfteinkommensstärksten Landkreis in Hessen, „wir schaffen es aber nicht, daraus Kapital zu schlagen“. Falk konstatiert: „Die Situation ist nicht erst seit einem Jahr so, da ist seit Jahrzehnten einiges schiefgelaufen“. Das wolle man nun anpacken. (Von Ronny Paul)