Metallbauer Stefan Wetzel verzweifelt an bislang erfolgloser Nachfolgersuche

Traumberuf Metallbauer. Wenn Stefan Wetzel über seine Arbeit redet, gerät er ins Schwärmen. „Ich wüsste nichts, was ich lieber machen würde“, sagt der Inhaber von Metallbau Wetzel, während er durch seine Halle an der Philipp-Reis-Straße führt. An Aufträgen mangele es nicht. Beim Blick in die Zukunft wird dem 62-Jährigen dennoch bange. „Ich habe die Nachfolgersuche aufgegeben.“
Mühlheim – Es sei ein Krampf. Auch Auszubildende oder überhaupt fähige Angestellte zu finden, gleiche der Suche nach der Nadel im Heuhaufen. „Keiner will mehr arbeiten“, anders kann sich Wetzel die Situation nicht erklären. Der letzte Lehrling habe nach drei Monaten hingeschmissen – „trotz guter Bezahlung“. Wetzels Eindruck: Die jungen Menschen legten mehr Wert auf Freizeit, Arbeit sei da ein unangenehmer Begleiter. Klar, der Job könne auch mal familienunfreundlich sein, wenn es am Freitagabend heißt, es geht auf Montage, damit die zu reparierenden Anlagen am Montagmorgen wieder funktionieren oder mal schnell ein Sicherheitsgelände ausgetauscht werden muss. Zugleich biete der Beruf viel Abwechslung und Raum für Kreativität, schwärmt Wetzel, der seinen Durchschnittsarbeitstag auf zwölf Stunden taxiert. Bei seinen Mitarbeitern achte er aber darauf, dass sie in der Regel die acht Stunden am Tag nicht überschreiten.
Seit 1995 ist der Schlossermeister und europäische Schweißfachmann selbstständig, zunächst mit Sitz in der Dieselstraße, seit 2000 an der Philipp-Reis-Straße. Viele von Wetzels Arbeiten sind bekannt, unzählige Fotos zieren die Halle und zeigen unter anderem den mittlerweile wegen Namenswechsels ausgetauschten gelben Banken-Schriftzug über dem Frankfurter Waldstadion, den Wetzel wegen zwischenzeitlicher Logoänderung zweimal angefertigt hat – fünfeinhalb Meter hohe Buchstaben, 120 Meter lang. Und die tonnenschwere, vom Künstler Tobias Rehberger entworfene 14 Meter hohe Turm-Skulptur am Frankfurter Flughafen.
Der Wahl-Mühlheimer hat mehrere Standbeine, betreut Binnenhäfen in der Republik, arbeitet im Aufzugsbau, für eine Ölfirma, für Künstler und „für fast alle hier im Industriegebiet“. Als Spezialist für schwierige Schweißarbeiten hat er den Pater Noster in der Europäischen Zentralbank restauriert, auf der Donau Schiffe umgerüstet und für eine bekannte Hotelkette 50 Schriftzüge in der Schweiz, Österreich und Deutschland gebaut und montiert – teilweise mit Helikopter, erzählt Wetzel. Und gerät wieder ins Schwärmen: „Die Abwechslung, die Kreativität, was will man mehr?“
Dennoch zieht es keinen Nachwuchs in die Branche. Er habe schon alles versucht, um neues Personal zu finden, sei zusammen mit Kreishandwerksmeister Wolfgang Kramwinkel in etlichen Schulen gewesen, um junge Menschen für Praktika zu begeistern und habe auf Jobmessen für seinen Meisterbetrieb geworben. Bislang ohne Erfolg. Von ursprünglich zwölf Mitarbeitern sind mittlerweile noch zwei übrig, der Nachwuchs fehlt. Auch sein Sohn hat nicht vor, die Firma zu übernehmen, hat sich mit Fahrzeugbeschriftung selbstständig gemacht.
70 Prozent der Schulabgänger studieren im Anschluss, anstatt eine berufliche Ausbildung zu beginnen. Die Zahl nennt Kreishandwerksmeister Kramwinkel. Die Pandemie habe die angespannte Situation bei Auszubildenden noch mal verschärft, informiert er. Der Kontakt von Betrieben zu Schülern war unterbrochen, es gab keine Azubimessen. Zwar gebe es in diesem Jahr eine steigende Zahl an Ausbildungsverträgen, dennoch seien aktuell in Hessen noch rund 2800 Lehrstellen offen.
Das verwundert Wetzel: „Jeder will studieren, aber wer soll denn die Arbeit noch machen?“, fragt er. „Und dann kommt der Handwerker nicht, weil es nicht genügend gibt, das frustet.“
Bundesweit sieht es nicht besser aus, der Fachkräftemangel erweist sich laut Zentralverband des Deutschen Handwerks aktuell als Bremse eines sonst noch stärkeren Umsatzwachstums im Handwerk. Und in einer Studie des Kompetenzzentrums Fachkräfte am Institut der deutschen Wirtschaft ist von bundesweit rund 65 000 fehlenden Fachkräften die Rede.
Als Wetzel jung war, war das anders. Da gab es in der DDR ein Überangebot an Schlossereien. Dennoch zog es ihn als 21-Jährigen in die Bundesrepublik. Mit „Nichts“ ist er Anfang der 1980er Jahre aus Karl-Marx-Stadt in den Westen geflüchtet, hat sich „viel aufgebaut“, wie er stolz sagt. „Ich bin morgens in Mühlheim angekommen und hatte um 16 Uhr schon einen Arbeitsvertrag bei Nordlicht in Offenbach.“ Das sei wie ein Lottogewinn für ihn gewesen. Heute hält er als Kenner seines Fachs regelmäßig Vorträge für den Schweißerfachverband Hessen.
Doch Wetzels Begeisterung für seinen Job wird immer wieder vom Blick in die Zukunft getrübt. Wenn ich weg bin, ist das Wissen auch weg.“ Er wünsche sich nichts lieber als einen fähigen Nachfolger, an den er sein Wissen und sein Netzwerk weitergeben könne. „Meine Bekannten freuen sich riesig auf die Rente, ich nicht.“ Auf die Frage, wann er denn aufhören wolle, antwortet Motorradfan Wetzel mit einem Lächeln: „Ich werde so lange arbeiten, bis ich tot umfalle.“ (Von Ronny Paul)