„Das ist völliger Blödsinn“: Streit um Staatsbürgerschaft – Frau ärgert sich über Bürgerservice

Eine Mutter aus Mühlheim ärgert sich über die Vorgehensweise des Bürgerservice. Die Behörde verweist derweil auf die gültige Rechtslage.
Mühlheim – Ob Heirat, Erwerb des Führerscheins oder die Geburt des Kindes: Der Papierkram lässt nicht lange auf sich warten. Es müssen Anträge gestellt, Formulare ausgefüllt und Urkunden beglaubigt werden – so die gängige Praxis der Verwaltungen. Für Bürger sind diese Prozesse oftmals mit erheblichem Mehraufwand verbunden, nicht selten sorgen die zu Grunde liegenden Vorschriften für Kopfschütteln.
So auch bei Palmira Novais. Die 53-jährige gebürtige Portugiesin wohnt seit über 20 Jahren mit ihren Söhnen in Mühlheim. Ihr jüngster Sprössling ist 16 Jahre alt, besitzt seit seiner Geburt neben der Staatsangehörigkeit seiner Mutter auch den deutschen Pass. Als Novais dann vor Kurzem ein Brief des Bürgerservice ins Haus flattert, ist die Verwunderung groß.
Mutter sauer über Bürgerservice in Mühlheim: „Ich lebe seit über 50 Jahren in Deutschland“
In dem Schreiben wird die Mühlheimerin dazu aufgefordert, zur Vervollständigung der Daten im Melderegister einen Eintrag aus dem Geburtenregister ihres Sohnes vorzulegen, aus dem hervorgeht, dass dieser die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Hierzu soll sie ein entsprechendes Dokument beim Standesamt in Offenbach beantragen. Die Kosten liegen dafür in der Regel bei zwölf Euro, „viele Ämter verzichten auf Gebühren, wenn es sich um eine Urkunde zur Vorlage bei einer Behörde handelt“, teilt die Stadt Mühlheim mit. Ob das auch in Offenbach der Fall ist, sei jedoch nicht bekannt.
„Ich lebe seit über 50 Jahren in Deutschland, meine Söhne sind hier geboren“, zeigt sich Novais ob dieser Vorgehensweise verwundert. „Mein Jüngster verfügt seit seiner Geburt über beide Staatsangehörigkeiten, woran sich bis heute nichts geändert hat.“ Die Mutter weist zudem auf die gültige Gesetzeslage hin.
Kreis Offenbach: Streit um Gesetzeslage bei der Staatsangehörigkeit
Seit 2000 gilt das Geburtsortprinzip, wonach alle in der Bundesrepublik geborenen Kinder automatisch die doppelte Staatsbürgerschaft erhalten. Voraussetzung: Mindestens ein Elternteil muss seit acht Jahren seinen „gewöhnlichen Aufenthalt“ in Deutschland haben. Seit Ende 2014 müssen sich Kinder ausländischer Eltern mit Vollendung des 21. Lebensjahr zudem nicht mehr für eine Zugehörigkeit entscheiden, sofern sie hier aufgewachsen sind.
Das geht aus offiziellen Angaben des Bundesinnenministeriums hervor. „Ich bin davon ausgegangen, dass der Stadt die gesetzlichen Vorgaben bekannt sind und weiß daher nicht, was dieses Schreiben überhaupt soll“, gibt Novais zu bedenken. „Ich habe damals direkt nach der Geburt ein entsprechendes Dokument beantragt, es liegt alles vor.“
Kritik an Öffnungszeiten des Bürgerservices: „Nicht gerade arbeitnehmerfreundlich“
Und noch eine weitere Sache stört die 53-Jährige. „Ich frage mich, weshalb das Standesamt diese Unterlagen nicht einfach selbst in Offenbach anfordern kann.“ Stattdessen soll Novais den Nachweis beschaffen, mögliche Kosten aus eigener Tasche zahlen und einen Termin zur persönlichen Vorsprache ausmachen – so verlangt es das Bundesmeldegesetz.
„Ich bin berufstätig und die Öffnungszeiten des Bürgerservice nicht gerade arbeitnehmerfreundlich.“ Die 53-Jährige wünscht sich daher „mehr Flexibilität“ und weniger Papierkram. „Es scheint, das Rathaus ist im digitalen Zeitalter noch nicht angekommen“, sagt Novais. Die Urkunde habe sie vorerst per Mail bei der Stadt eingereicht.
Dort teilt man auf Nachfrage mit, die digitale Vorlage bereits akzeptiert zu haben – auch wenn die rechtliche Lage etwas anderes vorsieht. „Die Urkunden müssen im Original vorgelegt werden, sie können aber auch per Post geschickt werden“, heißt es aus dem Rathaus.
Kreis Offenbach: Stadt Mühlheim wehr sich gegen Vorwürfe – Mutter: „Das ist völliger Blödsinn“
Bei dem Schreiben habe es sich demnach um ein „ganz normales Verfahren“ gehandelt, wie die Stadt betont. „Wir erhalten regelmäßig Listen mit Personen, bei denen eine Staatsbürgerschafts-Option vorliegen könnte, diese müssen wir dann bearbeiten.“ Im Rahmen dieser Überprüfung sei aufgefallen, dass ein Eintrag im Geburtenregister nicht den aktuellen Vorgaben entspricht.
Doch weshalb kommt der Junge überhaupt als Optionsfall in Frage? „Da das Kind erst 2018 zugezogen ist, können wir nicht anhand unserer eigenen Meldedaten prüfen, ob die Voraussetzungen für das Geburtsortprinzip erfüllt sind“, begründet das Amt. Auf die Daten anderer Gemeinden könne die Stadt nicht zugreifen, vom Standesamt in Offenbach erhielten sie zudem keinerlei Auskünfte dieser Art.
Palmira Novais widerspricht den Angaben aus dem Rathaus, ihr Sohn sei keinesfalls zugezogen, er wohne seit 16 Jahren in der Mühlenstadt. „Das ist völliger Blödsinn“, stellt die Mutter klar. Sie sieht in den Beteuerungen der Stadt lediglich den Versuch, sich aus der Affäre zu ziehen. „Das sind alles faule Ausreden.“ Auf eine offizielle Rückmeldung warte die 53-Jährige derweil noch immer. (Jan Lucas Frenger)