Interview: FDP-Trio spricht über das Parlamentsklima, das Comeback der Liberalen und den Etat

In der vergangenen Legislatur war die FDP in Mühlheim bedeutungslos, nicht mehr in der Stadtverordnetenversammlung vertreten. Nach der Kommunalwahl freuten sich die Liberalen nicht nur über zwei Sitze im Parlament, sondern auch über die Beteiligung an der Allianz für Mühlheim (CDU, Grüne, Bürger für Mühlheim). Nach gut einem halben ziehen die Liberalen Marcus Krüger (Fraktionsgeschäftsführer), Dr. Bernd Falk (stellvertretender Fraktionsvorsitzender) und Michael Bill (Fraktionsvorsitzender) im Interview eine Zwischenbilanz.
Mühlheim – Rückkehr in die Mühlheimer Stadtverordnetenversammlung im Frühjahr, im Spätherbst nun auch auf Bundesebene in Regierungsverantwortung: Wie erklären Sie sich das Comeback der Liberalen?
Falk: Speziell Jung- und Erstwähler haben verstärkt FDP gewählt, im Bund sogar die Grünen überflügelt. Darin erkenne ich auch einen Trend zu zunehmender Eigenverantwortung. Die FDP macht sicherlich auch ein Politikangebot, das einen positiven Anspruch an die Zukunft formuliert und sich eben nicht an Zukunftsängsten orientiert.

Inwiefern?
Falk: Wir stehen für eine offene Gesellschaft, dafür dass sich Leistung lohnen muss und für eine Klimapolitik, die Fakten und das technisch Erreichbare im Fokus hat und nicht ein indifferentes ungutes Gefühl. Wir stehen für Digitalisierung im Sinne der Menschen und „last but certainly not least“ stehen wir für bestmögliche Bildung. Genau deswegen haben wir von der Mühlheimer FDP die Städtepartnerschaft mit einer englischsprachigen Kommune auf die Tagesordnung gebracht. Unabhängig von der Berufswahl ist der frühe Erwerb von Sprachkompetenz die Grundvoraussetzung für ein gutes Einkommen. Offensichtlich hat damit unser Politikangebot eine gewisse Attraktivität für unsere Wähler.
Wie gestaltet sich die Arbeit in der Allianz für Mühlheim, immerhin gilt es, vier Fraktionen unter einen Hut zu bringen?
Bill: Das stimmt schon, der Abstimmungsbedarf ist hoch unter vier Fraktionen, und es ist für uns als Ehrenamtliche gelegentlich schwer zu leisten. Viele von uns haben Berufe, mit denen wir eigentlich schon voll ausgelastet sind. Wir als parlamentarische Neulinge können aber stets auf die erfahrenen Kollegen und Kolleginnen der anderen Parteien zurückgreifen und so gestaltet sich die Zusammenarbeit bisher als ziemlich fruchtbar und harmonisch. Auch wenn der Fraktionsvorsitzende der SPD gerne das Gegenteil behauptet. Glücklicherweise ist er ja nicht dabei, wenn wir uns treffen.
In welcher Rolle sehen Sie die Liberalen?
Bill: Wir verstehen uns als FDP auch als Verbindung zu „Die PARTEI“. Obwohl wir aus politisch völlig unterschiedlichen Ecken kommen, sind wir freundschaftlich verbunden und hatten außerdem den Stadtrat Vincent Hoff gemeinschaftlich für den Magistrat vorgeschlagen.
Hatten Sie bislang nicht die Befürchtung, die FDP muss mit Ihren Anliegen als kleineste Fraktion hintanstehen?
Krüger: Natürlich sind wir als kleinste der vier Parteien nicht als Mehrheitsbeschaffer erforderlich. In jeder möglichen Dreierkombination wäre das deutlich anders gewesen. Allerdings haben wir uns von Anfang an von Grünen, CDU und Bürgern wertgeschätzt gefühlt.
Also gleichberechtigte Partner?
Falk: Es war bereits bei den ersten Sondierungsgesprächen ein Austausch auf Augenhöhe. Man hat uns auch schnell signalisiert, dass man die FDP als gleichberechtigten Partner in der Allianz haben möchte. Und der ein oder andere erfahrene Parlamentarier hat uns natürlich auch schon mal vorgewarnt, was so alles auf uns zukommt.

Bill: Ganz davon abgesehen hätte es ja auch eine verheerende Außenwirkung, wenn wir als FDP wegen Unstimmigkeiten gezwungen wären, die Allianz zu verlassen.
Wie zufrieden sind Sie bisher mit der Bilanz der Allianz für Mühlheim?
Falk: Zufrieden zu sein wäre eine falsche Erwartungshaltung. Das wird es und darf es im demokratischen Prozess auch nicht geben. Wir tragen alle drei in global agierenden Wirtschaftsunternehmen Verantwortung und sind somit natürlich andere Geschwindigkeiten bei der Entscheidungsfindung gewohnt. Im öffentlichen Bereich sind die Prozesse langsamer, die Fristen länger und es besteht kein Druck zu wirtschaftlichem Erfolg.
Wo ist es Ihnen zu langsam?
Falk: Nehmen Sie die B43, die hängt nun wieder irgendwo zwischen Hessen Mobil und der Verwaltung fest. Anderes Beispiel: Ich möchte einen Antrag formulieren und benötige dazu Informationen. Ich mache also eine Anfrage zum Sachstand, die bekomme ich zur nächsten Sitzung der Stadtverordnetenversammlung beantwortet, sodass ich erst zur übernächsten Sitzung meinen Antrag formulieren und zur Entscheidung vorlegen kann. Das ist kein böser Wille von irgendjemanden, sondern der offizielle Ablauf. Um aber noch mal zum Kern Ihrer Frage zu kommen: In der Allianz besteht Konsens, etwas verändern zu wollen – insofern bin ich sehr zufrieden.
Wie haben Sie nun als Frischlinge das Debatten-Klima im Stadtparlament in den vergangenen Monaten erlebt?
Bill: Das Klima ist zuweilen rau und auch nicht immer sachlich. Im Großen und Ganzen aber akzeptabel – solange es um die Sache geht. Was uns deutlich mehr nervt, ist das Klima außerhalb der Stadtverordnetenversammlung, speziell in den sozialen Medien und Pressemeldungen. Es werden Facebook-Posts aus der laufenden Stadtverordnetenversammlung abgeschickt, es werden vertrauliche Informationen aus dem Magistrat weitergegeben, es wird öffentlich über ein angeblich Allianz-verschuldetes Defizit im Haushaltsentwurf schwadroniert. Mancher Auftritt – wie jetzt gerade wieder zum Thema Fähre – ist einfach nur peinlich und alles in allem nicht am Gemeinwohl, sondern an persönlichen Befindlichkeiten orientiert.
Wie wollen Sie den vermeintlich defizitären Haushalt genehmigungsfähig gestalten? Auf was müsste aus Sicht der FDP verzichtet werden, was darf nicht wegfallen?
Krüger: Wir sind der festen Überzeugung, dass alle im Parlament vertretenen demokratischen Parteien sowie der Bürgermeister und Kämmerer ein vitales Interesse an einem genehmigungsfähigen Haushalt haben. Wir müssen uns zusammenfinden, im Interesse unserer Stadt, denn dafür sind wir gewählt worden. Bei uns von der FDP hat sich allerdings der Eindruck verfestigt, dass in der Vergangenheit Geld ausgeben immer deutlich leichter gefallen ist, als Geld zu verdienen.

Wo hakt es noch?
Bill: Wenn man nach Wirtschaftsförderung oder Digitalisierung fragt, bekommt man sinngemäß stets die Antwort, dass bestmöglich alles Erdenkliche getan wird. Wir müssen aber deutlich darüber hinaus gehen. Wir brauchen neue und solvente Umsatzsteuerzahler und gut verdienende Neubürger – und das geht nach unserer Überzeugung nur, wenn sich jemand dediziert um dieses Thema kümmert. Wenn wir die Einnahmeseite nicht nachhaltig verbessern, werden wir in den nächsten Jahren alle freiwilligen Leistungen auf den Prüfstand stellen müssen.
Krüger: Man darf in diesem Zusammenhang auch nicht unerwähnt lassen, dass der weitaus größte Teil eines jeden kommunalen Haushalts fremdbestimmt ist. Ich denke, ich kann als Controller beurteilen, dass das für den kommunalen Kämmerer eine Herkulesaufgabe ist, die volle Anerkennung verdient.
Das Interview führte Ronny Paul.