Gemeinschaft im Grünen: Beim KGV Mainblick hilft man sich gegenseitig

Nachbarschaft ist im Verein am schönsten – und Kleingärtner sind die besten Nachbarn.
Mühlheim – Wer’s nicht glaubt, schaut mal nachmittags an der Bar des KGV Mainblick vorbei: Vorsitzender Lothar Stägert sitzt dort in der Frühlingssonne und genießt mit einigen Kameraden ein Feierabend-Bier. Der Rohbau zu ihrer Rechten ruht. Dort haben sie eine ehemalige Gartenhütte erweitert, um bei den Festen mehr Platz zu schaffen für Küche und Theke. Und um dem Brandschutz zu genügen: Wie die Bar haben sie die Grill-Ecke am Eingang des Fesplatzes zwar erst 2015 eröffnet, doch Würstchen und Steaks schaukeln auf dem Schwenkrost über heißen Kohlen direkt am Fluchtweg, das geht freilich gar nicht, stellt der Vorsitzende klar.
Zum Vatertag wollen die Männer erstmals zwei Spanferkel brutzeln – bis dahin muss der neue Unterstand provisorisch hergerichtet sein. Das funktioniert nur mit vereinten Kräften, und derer kann sich Thomas sicher sein. Die Nachbarn halten zusammen, wenn es um Belange der Gemeinschaft geht.
Olaf Seipel ist im Vorstand Gartenobmann und organisiert die Arbeitsdienste. „Da gibt’s keine Probleme“, sagt er entspannt, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt. „Manche packen immer wieder mit an, obwohl sie ihre Arbeitsstunden längst abgeleistet haben.“ Auch der Kontakt untereinander läuft prima. „Wenn du eine Heckenschere oder einen Rasenmäher brauchst, gehst du zum Nachbarn.“ Und wenn mal ein Gerät kaputt ist oder ein Dach repariert werden muss, fragt man in die Runde. Hat einer ein größeres Auto, lädt er die Gasflaschen für die anderen ein, transportiert Einkäufe vom Baumarkt, zählt Stägert weiter auf. Auch beim Wohnungsumzug helfen sich die Hobbygärtner gegenseitig. Schließlich verfügt die Gemeinschaft über unterschiedliche Handwerker, vom Maurer, Kaminbauer und Schreiner über den Stahlbauer, Dreher und Fräser bis zum Ingenieur: „Das ist ein Geben und Nehmen“, fasst Seipel zusammen. Viele Freundschaften seien so in der Anlage entstanden.
Obendrein fühlen sie sich als Kosmopoliten, die Mitglieder stammen aus Tunesien, Bangladesch, Polen, Russland, Italien, der Türkei, Bulgarien, Argentinien, Schottand, Dänemark und – Lämmerspiel. „Aber mein Vater ist ein Basaltkopp“, stellt der Vorsitzende grinsend klar. Wichtiger als diese nachbarschaftliche Fehde aus der Vergangenheit sei, dass der Mainblick Ziel junger Familien mit viel Nachwuchs ist.
„Das ist eine Entwicklung zum Positiven“, bewertet Stägert den Verjüngungsprozess. Und: „Die Bereitschaft zu helfen ist bei uns gestiegen!“ Ein Bengale, der zur vorweihnachtlichen Feier indische Spezialitäten zubereitet, sei nur ein Beispiel. „Wird irgendwo spontan gegrillt, ist gleich jeder eingeladen, am Feuer Platz zu nehmen.“
Kaum ein Garten ist abgeschlossen, man läuft sich über den Weg. Der Imker verteilt Honig, ein Nachbar zehn Zucchini, andere haben zu viele Äpfel, Kohlrabi, Salat oder Gurken. Der Vorstand plant darum eine Pflanzentauschbörse, Tomaten gegen Bohnen. Wie sie’s umsetzen, ist noch nicht ausgegoren. „Aber die Idee steht im Raum.“ Doch, wie gelingt eine solch vorbildliche Nachbarschaft? „Hier sind keine Mauern, es ist stressfrei, jeder kommt zum Entspannen, es gibt keinen Zeitdruck“, sammeln die Männer Argumente.
43 Gärten sei eine überschaubare Größe, da kennt jeder jeden. Die Familie Stägert freut sich schon über ihre Karotten, rote Beete, Lauch und Zwiebeln, die prächtig gedeihen. „Alfreds Salatgurken sind Weltklasse“, lobt Stägert die Ernte des Nachbarn zur Linken. Einige Aktive sind seit 25 Jahren dabei, geben ihre Parzelle erst auf, wenn’s gesundheitlich gar nicht mehr geht. Manche wollen unbedingt im Mainblick pachten, weiß der Vorstand. Die Wartezeit auf einen Garten liegt bei einem Jahr.
VON MICHAEL PROCHNOW