Letzte Station vor dem Main: Rundgang durch die Kläranlage an der Rumpenheimer

Wasser ist nicht nur Quell des Lebens, sondern kann auch zur Verbreitung von Krankheiten beitragen. Daher ist es umso wichtiger, Wasser so sauber wie möglich zu halten. Wie Abwasser in der Mühlenstadt gereinigt wird und warum Forscher der TU Darmstadt in Kläranlagen ein Viren-Frühwarnsystem sehen, haben Teilnehmer der Tage der Industriekultur bei einem vom Geschichtsverein organisierten Rundgang durch den Komplex in Mühlheims Nordwesten erfahren.
Mühlheim – Vom Main bis zum Gewerbegebiet Hainäcker und dem dortigen DHL-Paketzentrum reicht das Kanalnetz, das jährlich 5,5 Millionen Kubikmeter Abwasser aus den Städten Obertshausen und Mühlheim bis zur Kläranlage an der Rumpenheimer Straße befördert. Dort durchfließt das verunreinigte Wasser acht Stationen, bis es nahezu sauber in den Main münden kann, erläutert Jens Wiesmann, seit 2010 Geschäftsführer des die Kläranlage betreibenden Abwasserverbands Untere Rodau. Übrig bleiben bei dem Reinigungsprozess täglich unter anderem 1600 Kubikmeter Klärgas, das beim Faulen des Klärschlamms entsteht und mit dem ein Blockheizkraftwerk betrieben wird. Damit konnten im vergangenen Jahr 52 Prozent des Strombedarfs auf der Anlage gedeckt werden, berichtet Wiesmann. Auch bleiben jährlich 3000 Tonnen Klärschlamm übrig, der in Containern entsorgt wird.
Die biologisch-mechanische Anlage an der Rumpenheimer ist ein komplexes System, vom Schneckenpumpwerk am Eingang über ein vier Meter tiefes Becken zur biologischen Reinigung, bis zum Nachklärbecken, der letzten Station vor dem Abfluss in den Main. Seit 1966 ist der Komplex in Betrieb, die letzten großen baulichen Veränderungen erfolgten 1994. Ausgelegt ist die Kläranlage auf 80 000 Einwohner, aktuell wird dort das Abwasser von etwa 75 000 Menschen gereinigt, informiert Wiesmann.
Geschäftsführer betont: „Wir sind auf solche Ereignisse vorbereitet“
Starkregenereignisse wie vergangenen Sonntag, als sich 48 Millimeter Wasser pro Quadratmeter vom Himmel ergossen, werden durch einen vor die Anlage geschalteten Staudammkanal und ein Pufferbecken, die zusammen etwa 8000 Kubikmeter Abwasser fassen können, abgefangen. „Wir sind auf solche Ereignisse vorbereitet“, betont Geschäftsführer Wiesmann. Nur in dem außergewöhnlichen Fall, dass beide Becken vollgelaufen wären, würde Abwasser ungeklärt in den Main fließen.
Dr. Claus Spahn vom Geschichtsverein, der seit zwölf Jahren Veranstaltungen in Mühlheim zu den Tagen der Industriekultur organisiert, erinnert daran, dass die Menschheit sich schon seit Jahrtausenden mit der Entsorgung von Abwasser beschäftigt. Römer und Griechen hatten bereits Kanalsysteme, das Wissen ging im Mittelalter verloren. Kanalnetze? Kot, Urin und Abfälle wurden im dunklen Zeitalter einfach auf die Straßen gekippt – eine Brutstätte für Pandemien wie Cholera oder Pest. Heute undenkbar. Und doch ist es auch aktuell noch schwierig, Wasser komplett rein zu bekommen, berichtet Vorarbeiter Michael Keller, der seit 30 Jahren auf der Anlage arbeitet.
Investition, die sich durch höhere Abwassergebühren bemerkbar machen würde
Dass ein Monitoring von Abwasser in Kläranlagen gegen die Verbreitung von Antibiotikaresistenzgenen und Coronaviren einen wichtigen Beitrag leisten könne, erläutert Dr. Laura Orschler von der TU Darmstadt. Solch ein Monitoring bringe Trends und Zunahmen der Konzentrationen von Coronaviren im Abwasser ans Licht. Zudem sei ein Nachweis von Mutationen schon früher möglich als bei klinischen Proben. Reinigungsanlagen, die etwa besser multiresistente Keime oder Mikroplastik filtern können, steckten noch in den Kinderschuhen und hätten dementsprechend auch einen hohen Kostenfaktor, sagt Wiesmann. Eine Investition, die sich durch höhere Abwassergebühren bemerkbar machen würde. Das wiederum wäre wohl ein Quell des Ärgers für Bürger. (Von Ronny Paul)