Nachbarstadt im Fokus

Peter Northe lebt schon fast die Hälfte seines Lebens auf Mühlheimer Terrain. Mit der Nachbarstadt fühlt er sich zugleich immer noch verbunden. „Das ist Offenbach“ nennt sich der Kalender, den der Fotograf aus dem Markwald für 2022 aufgelegt hat. Die meisten der 170 Exemplare sind bereits verkauft.
Mühlheim – Northe arbeitet im Büro eines Offenbacher Unternehmens. Vor ein paar Jahren meldete der 50-Jährige ein Kleingewerbe an. In normalen Zeiten ordern ihn vor allem Hochzeitspaare. Northe erzählt, wie ihn schon als Kind das Fotografieren interessierte, er mit Papas Minolta erst mal alles knipste, was ihm vor die Linse kam, „sogar die Puppen meiner Schwester“. Damit erzeugte er nicht immer die Freude der Eltern. „Hör auf, jeden Mist zu knipsen“, bekam der Junge zu hören. Denn im Fotofilmzeitalter bedeuteten die Fehlschüsse rausgeworfenes Geld.
Auch noch, als sich Northe schließlich eine Spiegelreflexkamera kaufte, sich die Freude am Fotografieren langsam zu mehr als einem reinen Hobby entwickelte. Es kamen zunehmend Anfragen im Tenor von „kannst du nicht?“ und „hast du Zeit?“. Wenn kein Virus das öffentliche Leben lahmlegt, begleitet Northe von der Trauung in der Kirche bis zu Büfett und Party die Paare an deren glücklichsten Tag mit der Kamera.
Northe sagt, als Familienmensch und Vater von neunjährigen Zwillingen sei ihm nie der Gedanke gekommen, alles auf eine Karte zu setzen, den Job zu kündigen, um nur noch als Fotograf zu arbeiten. Zum Glück, denn in den vergangenen zwei Jahren blickten die meisten Freischaffenden auf trübe Kontoauszüge.
Offenbach gilt nicht als Perle des Städtebaus. Was der Krieg nicht zerstörte, das schaffte in den 1960er Jahren die Kommunalpolitik, die alte Häuser abreißen ließ, um eine Betonschneise durch die Stadt zu schlagen.
„Trotzdem gibt es viele schöne Ecken“, bemerkt Northe, der nicht versteht, „dass die meisten Fotos von Offenbach nur den Main oder den Hafen zeigen“. Northe entschied sich etwa auch für einen Blick von der Carl-Ulrich-Brücke auf Offenbach oder den Martin-Luther-Park. Auch die neue Unterkunft des Polizeipräsidiums Südosthessen wirkt nicht gerade wie eine architektonische Offenbarung. Northe fing aber einen Moment von Sonnenschein und brüchiger Wolkendecke ein, den das Glas im Stahl der Immobilie spiegelt. Das hat was.
Der Fotograf achtete auch darauf, die Motive in Korrespondenz zu den Monaten zu wählen. Für den Januar steht das Isenburger Schloss im Schnee. Das Motiv stammt nicht aus ewig zurückliegenden Zeiten, sondern vom gleichen Monat in diesem Jahr, „ich bin sofort mit meiner Kamera raus, als es schneite“.
Northe erzählt, die Bilder von Landschaften, Städten und Gebäuden seien für ihn ein Kontrast zu seiner sonstigen Arbeit als Fotograf. Wenn gerade keine Hochzeit auf dem Terminkalender stehe, „dann fahre ich samstags mit einem befreundeten Fotografen manchmal bis in den Schwarzwald“. Die Ehefrau muss aber zustimmen, „am Sonntag kümmere ich mich um die Kinder“. Sein Sohn interessiere sich bereits fürs Metier des Vaters, „und die Tochter stellt sich draußen gern in Positur“.
Bei der Auswahl der Bilder ging Northe demokratisch vor. Im Internet ließ er über jeweils vier Motive abstimmen. Vor Kurzem brachte der Mühlheimer Lisa Schumacher, der Eigentümerin der traditionsreichen Steinmetz’schen Buchhandlung in Offenbach, zehn Exemplare seines Kalenders vorbei. Wer einen Kalender erwirbt, kann mit Losglück eine Leinwand fürs Wohnzimmer oder den Flur gewinnen, die Peter Northe mit einem Motiv versieht, das sich der Gewinner auswählt. (Stefan Mangold)