Virtuelle Räume aus Mühlheim: Per Mausklick neue Welten erkunden

Der Mühlheimer Unternehmer Daniel Simon erstellt mit seinem Unternehmen „360 Spaces“ virtuelle Räume und Umgebungen für 360-Grad-Begehungen.
Mühlheim – Nur ein Mausklick und schon steht man mittendrin im Foyer der Willy-Brandt-Halle. Ein Schwenk nach rechts offenbart das Porträt des namensgebenden SPD-Politikers, das dort im Eingangsbereich hängt. Bei näherer Betrachtung fällt auf: hier gibt es Zusatzinformationen über den früheren Bundeskanzler zu erfahren, ein blaues I verweist auf einen entsprechenden Artikel der Online-Enzyklopädie Wikipedia.
In dieser Manier lässt sich beinahe das gesamte Gebäude erkunden, vom Treppenhaus über die Toiletten im Untergeschoss bis hin zum großen Saal – und das alles ganz bequem vom heimischen Rechner aus, ohne auch nur einen Fuß in die Halle setzen zu müssen.
Schöpfer dieser digitalen Erkundungstour ist der Mühlheimer Daniel Simon. Mit einer speziellen Infrarotkamera erstellt der 34-jährige Gründer des Mühlheimer Unternehmens „360 Spaces“ Abbilder realer Räume und Umgebungen, fügt diese zu einer Art virtuellem Puppenhaus zusammen, in das Nutzer jederzeit in Form eines 360-Grad-Rundgangs eintauchen können.
„Durch meinen Vater bin ich früh mit dem Thema Fotografie in Berührung gekommen“, berichtet Simon. Umfassende Panoramaaufnahmen und 360-Grad-Bilder hätten es ihm dabei besonders angetan. „Der 3D-Bereich hat mich schon immer unheimlich fasziniert.“
Beruflich zieht es den heutigen Unternehmer jedoch zunächst in eine völlig andere Richtung. „Ich habe lange als Notfallsanitäter im Rettungsdienst gearbeitet. Das hat wirklich Spaß gemacht, ist auf Dauer aber mit großen Anstrengungen verbunden“, sagt Simon.
Und so beschließt er, dass es Zeit für eine Veränderung ist. Durch Zufall wird er auf das Computerprogramm, mit dem er auch heute noch die virtuellen Räume in seinem heimischen Büro erstellt, aufmerksam, experimentiert herum und eignet sich Schritt für Schritt das nötige Wissen an. „Mir ist schnell aufgefallen, dass mir die Arbeit mit dem Programm liegt“, berichtet der Mühlheimer.
Kurz darauf investiert er auch in entsprechendes Equipment, das zur Fütterung der Software benötigt wird. „Ich habe mir extra zwei spezielle Kameras angeschafft, damit ich ein gewisses Maß an Qualität erfüllen kann“, sagt der frühere Sanitäter. Bestens ausgestattet und im Umgang mit der Technik erprobt, gründet er Ende 2021 schließlich sein Unternehmen „360 Spaces“, wagt den Schritt in die Selbstständigkeit.
Seitdem ist Simon regelmäßig unterwegs, reist zu verschiedensten Locations und überträgt sie in die virtuelle Welt. Hierfür unterteilt er das zu bearbeitende Areal zunächst in einzelne Scannpunkte und nimmt sie anschließend nach und nach mit seinen Kameras auf. Dabei lauerten jedoch durchaus einige Fallstricke wie etwa schwierige Lichtverhältnisse oder eine Vielzahl stark spiegelnder Oberflächen, verrät der Experte. „Ich muss zum Beispiel aufpassen, dass die Kamera am Ende möglichst nicht zu sehen ist.“

Aufträge bekommt der Mühlheimer, der seit Ende letzten Jahres haupterwerblich von seiner Arbeit leben kann, mittlerweile aus ganz Deutschland, die Palette reicht dabei von Verkaufsräumen eines Fliesenhändlers über Ausstellungen in Museen bis hin zu virtuellen Zwillingen ganzer Veranstaltungsstätten wie der Willy-Brandt-Halle. „Dadurch ist es für potenzielle Mieter möglich, die Halle unter die Lupe zu nehmen, ohne persönlich anzureisen“, nennt Simon einen Vorteil der Technologie. Darüber hinaus könnten sich so zudem auch Menschen mit körperlichen Einschränkungen vorab ein Bild zur möglichen Barrierefreiheit machen.
Für Schulungszwecke sei die Technik derweil ebenfalls bestens geeignet. Hier hat der ehemalige Sanitäter etwa bereits mit dem DLRG-Ortsverband in Mühlheim kooperiert, macht auf deren Webseite die komplette Ausstattung eines Gerätewagens der Wasserrettung virtuell erfahrbar.
So können Nutzer unter anderem hinter dem Steuer des Fahrzeugs Platz nehmen, sich über verschiedene Infopunkte Details zu Funkhauptschalter, Druckluftanzeige und den Knöpfen an der Bedienkonsole anzeigen lassen. „Mithilfe solcher Angebote können sich Mitarbeiter im Prinzip selbst schulen“, erläutert Simon und weist darauf hin, dass sich die einzelnen Modelle und Rundgänge jederzeit um weitere Inhalte erweitern ließen.
Für den Fall, dass Kunden ihr Projekt regelmäßig updaten möchten, bietet der Unternehmer spezielle Lehrgänge für Mitarbeiter an, damit diese die Daten in Eigenregie einpflegen können. Denn auch heute gebe es noch immer viele Menschen, für die das Konzept eines virtuellen Raumes nur schwer greifbar sei, wie der Fachmann verrät: „Sie können sich oft nichts darunter vorstellen und stehen dem Thema skeptisch gegenüber – sobald sie jedoch das Endergebnis sehen, überwiegt die Faszination.“
Simon ist daher fest davon überzeugt, dass die Nachfrage nach solchen Angeboten auch in Zukunft weiter wachsen wird – nicht zuletzt auch aufgrund der Pandemie. „Ich denke schon, dass sich dadurch gewisse Prozesse beschleunigt haben und es immer mehr Unternehmen und Einrichtungen geben wird, die auf virtuelle Möglichkeiten zurückgreifen“, meint der 34-Jährige. Ihm sei jedoch wichtig, mit „360 Spaces“ zunächst in gesundem Maße zu wachsen. „Mir geht es jetzt vor allem darum, das Unternehmen noch bekannter zu machen“, sagt der Unternehmer mit Blick nach vorn. (Jan Lucas Frenger)