75 Jahre VdK: Vorsitzende blicken zurück und berichten über Mitgliederzuwachs

Der VdK-Ortsverband Mühlheim feiert 75-jähriges Bestehen. Die Vorsitzenden blicken zurück und berichten über Mitgliederzuwachs.
Mühlheim – Kaum ein Verein wächst so rasant wie der Sozialverband VdK. Der Ortsverband Mühlheim betreut alle Mitglieder in der Mühlenstadt, insgesamt 530 Menschen, davon 94 in Dietesheim und 114 in Lämmerspiel. Im Mittelpunkt der Arbeit steht die Beratung zu Fragen rund um Renten und Versicherungen. Dieses Jahr beherrscht die Gemeinschaft aber noch ein anderes Thema: Der VdK Mühlheim feiert sein 75-jähriges Bestehen.
1946 wurde der VdK in Offenbach nach mehrmaligen Anträgen vom großhessischen Ministerium genehmigt, am 24. September 1947 der Ortsverband in der Mühlenstadt gegründet. Der erste Vorsitzende war Karl Gebhard, zitiert der aktuelle Amtsinhaber Klaus Günther aus der Chronik. 15 Personen hoben die Gruppe aus der Taufe. Lediglich sieben Vorsitzende führten sie vor Günther über die Jahrzehnte.
„Anfangs waren wir mit der Versorgung von Kriegsopfern, Witwen und Waisen beschäftigt, später haben wir begonnen, auch sozial Schwache zu betreuen“, skizziert er die Entwicklung. Die Beratungen fanden bis in die 1980er Jahre in Privatwohnungen der Vorsitzenden statt. Heute verfügt der Ortsverband über eine Anlaufstelle im Rathaus an der Friedensstraße.
„Mit der Öffnung für andere Gruppen haben wir unser Tätigkeitsfeld erweitert“
„Mit der Öffnung für andere Gruppen haben wir unser Tätigkeitsfeld erweitert“, erläutert der Vorsitzende den Wandel vom „sterbenden Verband“ zu einer modernen Hilfsorganisation, die sich um die verschiedenen Anliegen kümmert. „Wem die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nach dem ersten Antrag versagt wurde, dem verhilft der VdK meist zum Erfolg“, berichtet Günther. Der VdK Hessen-Thüringen gewinne Rechtsstreite im Klagewert von mehr als zehn Millionen Euro – pro Jahr.
Problem: Früher blieben die Menschen, nachdem sie Hilfe erfahren haben, aus Solidarität im Verband. „Heute treten viele gleich wieder aus“, moniert der Sprecher. „Aber wir benötigen in der Regel rund 15 Mitgliedsbeiträge, um einen Fall zu bearbeiten.“ Vielleicht sollte man eine Mindestlaufzeit einrichten, überlegt er, und seine Stellvertreterin Gabi Nagel stimmt ihm zu.
12 000 Mitglieder zählt allein der Kreisverband Offenbach-Land mit Sitz in Heusenstamm, mehr als 53 000 sind es im Bezirksverband Darmstadt. Die Ehrenamtlichen begleiten bei der Antragstellung auf Rente, Schwerbehinderung, Pflegegrade und Hilfsmittel, organisieren Kaffee-Fahrten, informieren über Patientenverfügungen, feiern Muttertag und Advent.
„Mittlerweile stehen psychische Probleme wie Burnout im Vordergrund“
Rund 80 Prozent der Fragenden wünschen eine Höherstufung ihrer Schwerbehinderung. Dadurch können sie früher Rente oder steuerliche Vorteile erhalten. Die meisten Klienten sind zwischen 57 und 63 Jahre alt „Mittlerweile stehen psychische Probleme wie Burnout im Vordergrund“, sagt Günther, „das betrifft auch viele Jüngere unter 40 Jahren“. Gründe seien Überforderung und dass „Arbeitgeber oft hohen Druck ausüben“. Es gebe zu viel Arbeit und zu wenig Personal: In Pflegeheimen blieben viele Kräfte nicht länger als fünf Jahre, „aber das betrifft alle Branchen“. Manche Angestellte bekommen kein Arbeitslosen- und kein Krankengeld mehr, versuchen, früher in Rente gehen zu können. „Aussicht auf Verbesserung nicht gegeben“, bescheinigen ihnen die Ärzte, da bleibe nur der Antrag auf Schwerbehinderung.
Die Vorsitzenden schätzen die enge Verbindung zur Mühlheimer Stadtverwaltung. „Wir ergänzen uns gegenseitig mit Information, außerdem sind wir übers Kontakt-Werk vernetzt mit anderen Sozialverbänden“. Die VdKler sind bei Ortsbegehungen für Verbesserungen dabei und nicht zuletzt am Volkstrauertag auf allen Friedhöfen präsent.
Gerade engagieren sie sich für Barrierefreiheit, gehen mit dem Buch „Käpt’n Kork“ in Kindergärten und Grundschulen. Mit einer speziellen Brille weisen sie auf spielerische Weise auf Hindernisse hin und werben um Verständnis, wecken ein Bewusstsein für Menschen mit Behinderungen, die mit ihrem Rollstuhl vor den Stufen zur Bäckerei scheitern. (Michael Prochnow)
Infos zum VdK gibt’s im Rathaus (Friedensstraße 20), Zimmer U04, Sprechstunde nach Absprache; Kontakt: 06108 6199427, vdk.de/ov-muehlheim.