Verfahren wegen Belästigung eingestellt

Der Mann kennt sich aus vor Gericht. Im Dezember 2020 verurteilte das Schöffengericht in Offenbach den 40-Jährigen wegen der Vergewaltigung seiner damaligen Ehefrau zu 30 Monaten Haft. Das Landgericht in Darmstadt reduzierte die Strafe auf 23 Monate, ausgesetzt zur Bewährung, weshalb er die Haftanstalt nach einem halben Jahr verlassen durfte. Jetzt saß der Mann vor dem Amtsgericht in Offenbach, weil er seine Mühlheimer Ex-Frau mehrfach am Telefon terrorisiert haben soll.
Mühlheim - Die Polizei war ihm im Juli vergangenen Jahres mittels Fangschaltung auf die Schliche gekommen. Weil sich seine Urheberschaft nicht zweifelsfrei nachweisen lasse, einigten sich die Prozessbeteiligen auf eine Verfahrenseinstellung. Neben den eigenen muss der Angeklagte auch die Kosten der Nebenklage begleichen.
Im Vergewaltigungsprozess vor dem Schöffengericht im November 2020 hatte der Angeklagte seine Identität bestritten. Er kenne seine angebliche Frau überhaupt nicht und sei auch nicht der Vater ihres Kindes. Das erklärte er allen DNA-Gutachten zum Trotz. Damals brachte der auch wegen Betrugs vorbestrafte Mann einen geheimnisvollen eineiigen Zwillingsbruder ins Spiel.
Amtsanwältin Abe wirft dem Mann jetzt vor, seine mittlerweile ehemalige Gattin ab Anfang Juni 2021 in zwölf Fällen telefonisch belästigt zu haben. Unter anderem hätte der Angeklagte in die Leitung gerülpst.
Die Ex-Frau hatte über die Polizei eine Fangschaltung legen lassen. Für den Mann besteht die Gefahr, wieder in den Knast zu müssen. Das Landgericht in Darmstadt hatte als Bewährungsauflage ein Annäherungsverbot ausgesprochen.
Den Angeklagten vertreten mit Sven Gölüke und Joachim Sokolowski gleich zwei Verteidiger. Sokolowski erklärt, normalerweise würde ein Mandant angesichts der Beweislage die Tat gestehen und auf ein mildes Urteil hoffen, „wir gehen jedoch auf Freispruch“.
Der Anwalt führt weiter aus, man müsste kein EDV-Spezialist sein, um bei einem Angerufenen jede beliebige Nummer im Display erscheinen lassen zu können. Täter, die als vermeintliche Polizisten anklingelten, ließen die 110 erscheinen. Um seine These zu untermauern, wählt der Verteidiger Richterin Helwig an. Deren Display zeigt die Zentralnummer des Amtsgerichts.
Rechtsanwältin Karin Weber erklärt als Vertreterin der Nebenklägerin, „es wäre doch ein unglaubwürdiger Zufall, wenn jemand ausgerechnet die Nummer des Angeklagten verwendete“. Anwalt Sokolowski entgegnet, er bestreite keineswegs einen berechtigten Anfangsverdacht, „doch viele hatten von dem Rosenkrieg des Ehepaars gehört“. Es könne sein, dass jemand aus dem Dunstkreis der Nebenklägerin unter der falschen Nummer angerufen habe. Durch die Geräusche am Telefon könne niemand auf den Angeklagten schließen, „wenn ich ins Telefon rülpste, könnte mich meine Frau nicht identifizieren“.
Wenn eine Verurteilung im Raum stünde, müsste man einen Gutachter beauftragen, „das würde die Staatskasse nur weiter belasten“. Die Mobilfunkdaten seines Mandanten seien ein knappes Jahr nach den Anrufen ohnehin nicht mehr gespeichert.
Die Verteidiger schlagen vor, das Verfahren nach Paragraf 153 der Strafprozessordnung einzustellen. Möglich ist das, „wenn die Schuld des Täters als gering anzusehen wäre und kein öffentliches Interesse an der Verfolgung besteht“. Rechtsanwältin Weber besitzt als Nebenklagevertreterin kein Vetorecht, wenn sich Verteidigung, Gericht und Amtsanwaltschaft einigen.
Richterin Helwig gibt dem Angeklagten mit auf dem Weg: „Ich hoffe, sie verstehen die Verfahrenseinstellung nicht falsch“. Anwalt Sokolowski verspricht für seinen Mandanten: „Es wird nichts mehr kommen“. (Von Stefan Mangold)