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Abschied vom Schoppemogul: „Verlieren sehr beliebten und geschätzten Mitbürger“

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Von: Ronny Paul, Michael Prochnow

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Ein Vereinsmensch: Lothar Ulitzsch in der Kluft des Müllerborsch.
Ein Vereinsmensch: Lothar Ulitzsch in der Kluft des Müllerborsch. © p

Mühlheim trauert um seinen „Schoppemogul“. Im Alter von 84 Jahren hat Lothar Ulitzsch am Donnerstag für immer seine Augen geschlossen.

Mühlheim – Er war nicht nur eine stadtbekannte Persönlichkeit, auch über die Grenzen Mühlheims hinaus war er der „Schoppemogul aus de Industriestraß“. Wenn Not am Mann war – auf Lothar Ulitzsch war immer Verlass, in Mühlheim im Landkreis Offenbach gab es kaum einen Verein, dem er noch nicht zu später Stunde oder an Sonn- und Feiertagen Nachschub geliefert hat. „Haste Dorscht un hast kein Bier, säscht de Lothar komm zu mir“ heißt es in dem Lied „Lothar U. aus M.“, mit dem das Duo Ohrenschmaus dem Mühlheimer ein Denkmal setzte.

„Schoppemogul“ Lothar Ulitzsch war der Höhepunkt zum Abschluss jeder Kerb in Mühlheim

Ehrenamt und Geselligkeit schrieb Lothar Ulitzsch immer groß, war Mitglied in mehr als 40 Vereinen, die er auch gefördert hat. So saß er etwa bis zum Schluss im Vorstand des Verkehrs- und Verschönerungsvereins (VVM), dem er 1980 beitrat. Entscheidend mitgewirkt hat Lothar Ulitzsch bei der Gründung des Mühlheimer Kerbvereins im Jahr 2008, der bis dahin eine Abteilung des VVM war. „Als 16. Müllerborsch im Jahr 2009 gab er diesem Amt einen großen Schub“, erinnert sich Michael Rupp. „Lothar führte die Tradition ein, mit dem Mühlheimer Kerbverein auf allen Vereinsfesten in den drei Mühlheimer Stadtteilen präsent zu sein. Bis nach Thüringen fuhr er in der traditionellen Müllerkluft.“

Ohne Lothar Ulitzsch würde der Höhepunkt zum Abschluss einer jeden Kerb fehlen. Rupp: „Das Aufwiegen des Müllerborschen auf der Spezialwaage war seine Idee, er baute die Waage und optimierte sie jedes Jahr aufs Neue.“

Sogar Coca-Cola interessiert sich für den „Schoppemogul“ aus Mühlheim

Der 1938 als Sohn eines Küfners im ostthüringischen Moßbach Geborene wuchs als zweites von vier Kindern auf dem Hof auf und erlernte den Beruf des Schieferdeckers. 1956, mit 18 Jahren, wollte er zu seinem Onkel nach Frankfurt auswandern, stieg aber bereits in Offenbach aus dem Zug, wohnte dort zunächst im alten Bunker an der Friedhofstraße, dann im Jugendheim Kolpinghaus. Da warfen sie den Übersiedler bald raus, weil er mit den Küchenmädchen ins Kino ging.

Das führte Lothar Ulitzsch nach Mühlheim in die Pfarrgasse 27. In einer umgebauten Lederwarenfabrik fand er ein Zimmer, verdiente sein Geld mit dem Sammeln von Leergut, arbeitete anschließend als Dachdecker, sattelte dann um und wurde der beste Verkaufsfahrer der Getränkekette Canada Dry. Lothar Ulitzsch hatte die meisten Kunden neu geworben und sogar das Interesse von Coca-Cola geweckt. Vergeblich – Ulitzsch blieb seinem Unternehmen treu.

Seine Ehefrau Gertrud lernte er bei der fastnachtlichen Damenwahl des Mühlheimer Rudervereins kennen. Anschließend verloren sie sich aus den Augen und trafen sich erst ein Jahr später in der Gaststätte Rupp in der Leonhardstraße wieder. 1963 schlossen sie den Bund der Ehe, aus der zwei Töchter hervorgingen. 2013 feierten sie goldene Hochzeit.

„Schoppemogul“ aus Mühlheim betrieb den drittbesten Getränkefachgroßhandel der Bundesrpublik

Lothar Ulitzsch, mittlerweile selbstständig, betrieb ein Getränkelager in der Schmiedegasse, baute dann 1968 an der Kiesgrube Russel. 1979 kaufte er weiteren Grund und erweiterte das Areal im Zwei-Jahres-Rhythmus. Zum Bringdienst entstand ein Abholgeschäft, zuletzt richtete er ein Hochregallager ein.

Nachdem Lothar Ulitzsch bei den vielen Vereinsfesten die schweren, tropfenden Eisstangen beobachtet hatte, stattete der passionierte Bastler einen alten Bauwagen als Kühlwagen aus. Bald stand eine Flotte von sechs Fahrzeugen bereit, alle selbst ausgestattet. „Ich wollte immer besser sein als die anderen“, lautete seine Devise, „nicht unbedingt billiger“. Dieser Idee blieb Ulitzsch, der 1962 als 13. Getränkehändler in der Mühlenstadt gestartet war, bis zum letzten Arbeitstag treu. Der Erfolg gab ihm Recht: Unter den Getränkehändlern galt er als „KdW des Westens“, wurde vom Getränkefachgroßhandel als Drittbester in der Bundesrepublik ausgezeichnet.

Mühlheim trauert um seinen „Schoppemogul“

Lothar Ulitzsch saß im Wirtschaftsbeirat und erhielt zahlreiche Würdigungen, darunter auch 2007 den Ehrenbrief der Mühlenstadt. Beruflich war Ulitzsch bei den Gewerbeschauen aktiv. Einnahmen hat er stets für Kindergärten in seiner Heimat gespendet. „Wir verlieren einen sehr beliebten und geschätzten Mitbürger und werden uns gerne an ihn erinnern“, sagt Bürgermeister Daniel Tybussek voller Anerkennung. „Lothar Ulitzsch war nicht nur ein erfolgreicher Unternehmer, er hat sich bis zuletzt im Vereinsleben engagiert. Unvergessen bleiben beispielsweise die Teilnahmen am Fastnachtsumzug mit seinem Gabelstapler oder das Aufwiegen des Müllerborsch an der Kerb.“

Die Beisetzung ist am Donnerstag, 26. Januar,12.30 Uhr, auf dem Waldfriedhof. (Michael Prochnow und Ronny Paul)

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