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Mühlheimer Naturfreunde feiern 100. Geburtstag

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Treue Seelen: Jürgen Lamprecht vom Landesverband Hessen (Mitte) zeichnet für jeweils 70-jährige Mitgliedschaft Norbert Müller (links) und Gerd Katzmann aus, sie sind mit zwölf und zehn Jahren eingetreten und bis heute im Vorstand aktiv.
Treue Seelen: Jürgen Lamprecht vom Landesverband Hessen (Mitte) zeichnet für jeweils 70-jährige Mitgliedschaft Norbert Müller (links) und Gerd Katzmann aus, sie sind mit zwölf und zehn Jahren eingetreten und bis heute im Vorstand aktiv. © m

100 werden nicht viele, vor allem nicht viele Vereine. Die Naturfreunde haben’s geschafft, feierten jetzt dieses runde Jubiläum, „gelebte Gemeinschaft für Menschen und für die Natur“, lobte Mitglied Karl-Christian Schelzke. „Hier erfahren Menschen auch gelebte Demokratie“, denn, „werden Bürgerinnen und Bürger selbst aktiv, hat dies in der Regel positive Auswirkungen auf die Gesellschaft“.

Mühlheim – Am 18. Februar 1910 wurde die „Vergnügungsgesellschaft Wanderlust“ gegründet, erinnerte der ehemalige Bürgermeister und Geschäftsführer des Hessischen Städte- und Gemeindebunds. Drei Jahre später wurde der Verein in „Touristenclub Frisch Auf“ umbenannt, 1922 schloss er sich dem Arbeiter-Sportbund „Die Naturfreunde“ an. Damals ging es noch um „Berg frei!“, um die Betretungsrechte für die Wälder von Adel und Großgrundbesitzern: „Natur muss für alle da sein!“, hieß es.

Schelzke erinnerte an die politische Basis der Gemeinschaft. Auch Kanzler Willy Brandt und Adolf Mirkes, der Gewerkschaftsvorsitzende in Mühlheim, waren Naturfreunde. Das erste Vereinsheim der Jubilare wurde am 5. Juli 1931 an der Roten Warte eingeweiht. Nach dem Zweiten Weltkrieg trafen sich die Aktiven in einer Baracke auf dem Hof der Goetheschule, das die Naturfreunde für 50 D-Mark erworben hatten. 1954 wurde der schlichte Holzbau auf der Anlage der Kleingärtner am Maienschein aufgebaut. 1994 wurde alles abgerissen und neu gebaut.

Dort liefen Diskussionsabende, Wanderungen, Besichtigungen und Vorträge. Heute gibt es Fachgruppen für Bergsteigen, Wandern, Instrumentenspiel, Motorradfahren, Kreative, Tischtennis, Radfahren und nun auch Kinderklettern. „Ich war begeistert von Gemeinschaftsgefühl, Geborgenheit und dem Bewusstsein, dass man sich aufeinander verlassen kann“, formulierte der Vorsitzende des Nachbarvereins Sonnau.

Jürgen Lamprecht vom Landesverband Hessen erwähnte Wanderwege in Natura-2000-Gebiete, die von der EU ausgewiesen und von den Vereinen ausgeschildert wurden. Die Mühlheimer schufen auch einen Kulturweg vom Naturfreundehaus Rodenbach über den Maienschein nach Offenbach aus. 40 Häuser in ganz Hessen zählen zum Verband, von der Herberge bis zu hochkomfortablen Hotels, „aber für unsere Zielgruppe bezahlbar“.

Als gesellschaftliche Kraft seien die Naturfreunde „dringend erforderlich“, aber auch sie plagen Probleme. Viele Mitglieder seien „nicht mehr bereit, sich langfristig in Funktionen eines Vorstands zu binden“, auch die demografischen Strukturen gefährden die Gruppen. Stärken-Beraterinnen und -Berater und Zukunftswerkstätten unterstützen die Ortsgruppen.

„In der Summe werden wir das Klimaziel nicht mehr erreichen, dazu wächst soziale Ungleichheit, die Spaltung der Gesellschaft“, befand Lamprecht. „Es braucht die Naturfreunde weiterhin.“ Landrat Oliver Quilling wies darauf hin, dass der Kreis Offenbach um 40 000 Menschen gewachsen sei, das bedeute eine weitere Verdichtung und „Druck auf die Natur“. Es müsse vermittelt werden, „dass wir mit der Natur im Einklang leben müssen“. Das tun die „Naturfreunde mit vorbildhaftem Engagement“, betonte der Kreis-Chef.

Bürgermeister Daniel Tybussek schätzte sowohl die Arbeit in der Natur als auch das gesellschaftliche Engagement wie die Aktion Stolpersteine zur Erinnerung an jüdisches Leben in der Stadt. Ludwig Neunobel vom Verkehrs- und Verschönerungsverein dankte, die Jubilare seien „immer ansprechbar“, und überbrachte sieben Umschläge von sieben Vereinen. Ein historisches Foto brachte Norbert Nakon von der Ortsgruppe Bad Vilbel mit, die ebenfalls 100. Geburtstag feierte und sehr enge Kontakte zwischen Jugendgruppen pflegte. (Michael Prochnow)

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