Zwischen Euphorie und Ratlosigkeit: Mühlheimer Bürgermeisterwahl wirft Fragen auf

Die Bürgermeisterwahl in Mühlheim ist vorbei, Alexander Krey neuer Rathauschef. Zwischen all der Euphorie lässt die geringe Wahlbeteiligung die Akteure allerdings ratlos zurück.
Mühlheim – Einen Tag danach kann er es noch immer nicht ganz glauben: „Das muss sich erst mal setzen“, sagt der frisch gewählte Mühlheimer Bürgermeister Dr. Alexander Krey nach dem Herzschlagfinale am Sonntagabend. Bis zum Schluss deutete alles auf eine Stichwahl zwischen dem SPD-Kandidaten Harald Winter und dem amtierenden Ersten Stadtrat hin, der für die Allianz für Mühlheim (CDU, Grüne, Bürger für Mühlheim, FDP) ins Rennen gegangen war. Mit dem letzten Briefwahlbezirk schlug das Pendel zugunsten Kreys aus. Mit sechs Stimmen erreichte dieser die absolute Mehrheit (50,07 Prozent). Allerdings bremst Krey, der noch am Wahlabend eine große Party in der Alten Wagnerei gefeiert hatte, die Euphorie und verweist darauf, dass das Ergebnis bislang nur vorläufig sei.
Der Wahlausschuss stellt erst am heutigen Dienstag, 16 Uhr, in einer öffentlichen Sitzung das gültige Wahlergebnis fest. „Ich habe aber großes Grundvertrauen in die ehrenamtlichen Helfer“, gibt sich Alexander Krey optimistisch, dass alles schon so stimmen wird. Sein ärgster Kontrahent im zurückliegenden Rennen um den Bürgermeisterposten, Harald Winter, glaubt ebenfalls „nicht wirklich“ daran, dass ihn der Wahlausschuss noch mal zurück ins Rennen holt. „Ich weiß, dass die Wahlvorstände einen guten Job machen, und kann mir daher nicht vorstellen, dass es doch noch zu einer Stichwahl kommen wird.“
Bürgermeisterwahl in Mühlheim: Wahlbeteiligung von 40,35 Prozent
Größter Wermutstropfen des zurückliegenden Sonntags ist die niedrige Wahlbeteiligung von 40,35 Prozent. Demnach haben von 21 988 Wahlberechtigten 8872 ihre Stimme abgegeben, 148 davon aber so, dass sie ungültig sind. „Ein bemerkenswertes Zeichen von Protest“, befand der Vorsitzende des SPD-Unterbezirks Kreis Offenbach, Halil Öztas, noch am Wahlabend. Er appellierte an alle politischen Vertreter in der Mühlenstadt, sich zusammenzusetzen und zu überlegen, wie man die „verdrossenen Menschen“ zurückgewinnen könne. Auch der CDU-Bundestagsabgeordnete Björn Simon empfand die insgesamt geringe Wahlbeteiligung als „bedrückend“. Sehr wohl registrierte der Obertshausener einen „deutlich zunehmenden“ Nutzen der Briefwahl.
Schon der amtierende Mühlheimer Rathauschef Daniel Tybussek (SPD) hatte am Wahlabend sein Bedauern geäußert, dass so wenige abgestimmt hatten (wir berichteten). Bei Parteikollege Harald Winter sorgt die Beteiligung ebenfalls für Ratlosigkeit. Er könne sich nicht erklären, weshalb letztendlich so wenige Mühlenstädter von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht haben: „Die Wahlbeteiligung war erschreckend niedrig, insbesondere für eine Direktwahl, bei der die Bürger mit ihrer Stimme wirklich etwas bewirken können – damit hätte ich nicht gerechnet.“
Es sei „enttäuschend“ zu sehen, dass sich die harte Arbeit im Vorfeld der Wahl nur bedingt ausgezahlt hat. „Alle Beteiligten haben einen engagierten Wahlkampf betrieben, waren in den Stadtteilen unterwegs, um mit den Bürgern ins Gespräch zu kommen“, so der Sozialdemokrat. Seine Lösung: Bürger noch mehr ins Geschehen einbinden. „Letztlich müssen wir die Menschen einfach mitnehmen, in wichtige Entscheidungsprozesse einbinden und dann darauf hinweisen, dass sie auch wirklich zur Wahl gehen sollten, wenn sie etwas bewirken wollen.“
Mühlheim: „Bin überzeugt, dass es eine gute Übergabe geben wird“
Je lokaler, desto weniger stimmen ab
Ein Blick auf die Beteiligung an den jüngsten Wahlen in der Mühlenstadt zeigt: Je lokaler die Abstimmung, desto weniger setzen ihre Kreuzchen. Geht es um Entscheidungen auf Bundesebene schreiten die Mühlheimer eher an die Wahlurnen als bei den Wahlen, die unmittelbar vor ihrer Haustür stattfinden. Zur Bürgermeisterwahl 2017 nutzen 42,92 Prozent ihr Wahlrecht. Zur Bundestagswahl 2017 setzten fast doppelt so viele, 77,14 Prozent der Mühlenstädter ihr Kreuzchen. Bei der Landtagswahl 2017 stimmten 67,75 Prozent in Mühlheim ab, bei der Europawahl waren es immerhin 58,53 Prozent. Als 2021 Bundes- und Landratswahl auf einen Tag fielen, stimmten 74,88 Prozent auf Bundesebene, aber nur 27,32 Prozent auf Landkreisebene ab. Zur Kommunalwahl 2021 schritten 49,31 Prozent zur Wahlurne.
Auch der ab Juli neue Bürgermeister Mühlheims findet es „schade, dass wir es nicht geschafft haben, mehr Menschen an die Wahlurne zu bekommen“. Das sei die große Aufgabe aller, wieder mehr Menschen für die Demokratie zu begeistern. Er werde in den kommenden Tagen und Wochen Gespräche mit Bürgerinnen und Bürgern suchen, um ein Gefühl dafür zu bekommen, woran es gelegen hat, dass Menschen auf ihr Stimmrecht verzichtet haben, kündigt Krey an.
Das von Amtsinhaber Tybussek noch am Wahlabend ausgesprochene Angebot, Krey könne sich für eine reibungslose Übergabe jederzeit an ihn wenden, werde er annehmen, versichert der 40-Jährige. „Tybussek und ich haben nun drei Jahre gut zusammengearbeitet, ich bin überzeugt, dass es auch eine gute Übergabe geben wird.“
Mühlheims Stadtverordnetenvorsteherin froh über den „fairen, guten Wahlkampf“
Froh über den „fairen, guten Wahlkampf“ äußerte sich Mühlheims Stadtverordnetenvorsteherin Gudrun Monat (Grüne). Der unterlegene Harald Winter habe ein „beachtliches Resultat“ errungen, musste er doch „gegen vier Parteien“ antreten, so die aufbauenden Worte in Richtung des 51-jährigen SPD-Fraktionschefs, der seine Kandidatur trotz bitterer Niederlage in letzter Sekunde nicht bereut.
So sagt Winter bereits einen Tag nach der Wahl: „Ich durfte während dieser Zeit wirklich tolle Erfahrungen sammeln und würde es auf jeden Fall wieder machen.“ Für ihn gehe es, von einer Analyse des zurückliegenden Wahlkampfes abgesehen, weiter wie gehabt, personelle Veränderungen innerhalb der Partei seien nicht geplant. (Ronny Paul, Jan Lucas Frenger & Michael Prochnow)
An der dürftigen Wahlbeteiligung hat auch die große Podiumsdiskussion in der Willy-Brandt-Halle, bei der sich die drei Kandidaten mit wichtigen Fragen konfrontiert sahen, nichts geändert. Für einen detaillierten Ablauf des zurückliegenden Wahlabends geht es hier zum Liveticker.