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Ei, Ei: Hier ist das ganze Jahr Ostern

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Viele verschiedene Motive lagert Christine Klostermann in Schubladen in ihrem Keller.
Viele verschiedene Motive lagert Christine Klostermann in Schubladen in ihrem Keller. © Hahn

Für Christine Klostermann ist jeder Tag Ostern – jedenfalls, was die schmückenden Eier angeht. Denn diese tummeln sich das ganze Jahr über bei ihr. Die Dieburgerin sammelt seit mehr als 50 Jahren verzierte Eier.

Dieburg - Auf dem Fenstersims im Wohnzimmer etwa schlüpft ein junges Mädchen aus einem Bronze-Ei. Nicht weit davon entfernt steht ein Ei aus Ton, dessen Schale den Anschein erweckt, auch aus ihm sei erst kürzlich jemand hervorgekrochen.

Und nebenan thront ein versteinertes Dinosaurier-Ei. Aber das ist nur die Spitze des Eisbergs oder – um im Thema zu bleiben – die obere Rundung des Eis. Lässt man nämlich den Blick schweifen, entdeckt man tatsächlich überall sich mehr oder weniger gut versteckende Ei-Preziosen: Hier lugt und leuchtet ein zur Lampe umfunktioniertes Straußenei hervor, dort behaupten sich aus Messingdraht geflochtene Rieseneier, und wieder woanders füllen naturbelassene Eier von Emu und Krokodil ein Glasgefäß.

„Wie viele Eier ich besitze, weiß ich nicht“, sagt die 80-jährige Dieburgerin. Und das glaubt man ihr sofort. Dafür sind die ovalen Dinger einfach zu zahlreich vertreten bei ihr in Haus und Garten. Immerhin hat sie ja auch schon 1970 – mit 28 – angefangen, Eiiges zu sammeln. Zunächst nur welche vom Huhn, später ging es dann immer stärker in die abstrakte Kunstei-Richtung. Holz, Stein, Metall, Glas, Porzellan – aus den unterschiedlichsten Materialien und von allen Kontinenten habe sie ein typisches Exemplar. Allein 300 ihrer Porzellaneier sind derzeit im Reinheimer Heimatmuseum ausgestellt. Warum es einst überhaupt zu dieser Leidenschaft kam? Gab es möglicherweise religiöse Gründe wegen der Ostergeschichte, oder spielte ein Ei irgendeine Schlüsselrolle in ihrem Leben? Weder noch. Die Klostermannsche Wahrheit ist wesentlich profaner.

Zu Ostern hat Christine Klostermann einen kaputtgegangenen Weihnachtsbaum mit bunten Eiern geschmückt.
Zu Ostern hat Christine Klostermann einen kaputtgegangenen Weihnachtsbaum mit bunten Eiern geschmückt. © Hahn

„Ich besuchte ein heimatkundliches Seminar über Nordhessen, weil meine Familie von dort stammt“, erzählt sie. Und dabei wurde von dem Brauch berichtet, rohe Hühnereier mit Bienenwachs zu bemalen und sie hernach in gefärbtes Wasser zu tunken. Im Anschluss rubbelten die Färberinnen – traditionell waren es junge Frauen, die das Ei zu Ostern an ihren Liebsten verschenken wollten – das Wachs wieder ab, und zurückblieb das Liebespräsent: schön bunt, wo die Farbe hingekommen war, und mit heller Schrift oder feinem Muster versehen, wo vorher das Wachs haftete. „Der Bursche, der die meisten Eier erhielt, war der beliebteste Junggeselle im Ort.“ Christine Klostermann schmunzelt. Ansporn für sie vor mehr als 50 Jahren, als Nicht-Bursche ab sofort zur Eiersammlerin zu werden, war jedoch die Aussage, dass diese Herstellungstechnik aussterbe.

„Da bin ich nach Nordhessen gefahren und habe mich nach der Frau erkundigt, die die Wachstechnik laut Seminar noch beherrschte“, erzählt sie weiter. Drei inzwischen ausgetrocknete Eier hat sie der Nordhessin abgekauft – und damit den Grundstein für ihre persönliche Eier-Pandemie gelegt, wie sie die Ei-Anhäufung bei sich daheim scherzhaft nennt. Zu den gewachsten Eiern kamen flugs mit anderen Methoden verzierte vom Huhn. Zum Beispiel osteuropäische aus Ungarn oder Rumänien. Manche wurden gekratzt, manche gebatikt, einige mit winzigen filigran gearbeiteten Strohsternen beklebt. Im Keller des Ei-Fans sind Schubladen über Schubladen metallener Werkzeugschränke damit gefüllt. Nicht ganz so ausgefallene Exemplare dürfen in der Osterzeit raus an ein eingepflanztes Nadelbaumgerippe, das Klostermann zu Weihnachten als Ständer für Lichterketten und zu Ostern als origineller Ei-Halter dient. Ein bisschen Zusatzschmuck zu den Feiertagen muss schließlich auch sein.

„Mit Hand und Fuß“ heißt dieses Ei-Kleinod.
„Mit Hand und Fuß“ heißt dieses Ei-Kleinod. © Hahn

Eier eigenhändig kunstvoll zu gestalten, war übrigens nie eine Option für Klostermann. „Die Techniken fand ich zu kompliziert“, gibt die pensionierte Lehrerin für Deutsch, Geschichte und Kunst zu – Kunstunterricht in der Schule hin oder her. Wenn, habe sie ihre Ostereier lieber „ganz normal“ bemalt. Und so blieb es beim Erwerben raffiniert gefertigter Eier, die sie unter anderem auf Ostermärkten aufstöberte. Sogar in die Schweiz reiste sie deswegen. „Auch der Markt im Kloster Eberbach ist gut“, lobt sie. Oder die Märkte in Miltenberg, Michelstadt und Lindenfels, die dieses Jahr erstmals nach Corona wieder sein durften. Apropos Markt: Ein glücklicher Zufall oder doch ein wenig ihr Verdienst ist das Wiedererwachen der Märkte in Nordhessen nicht lang nach ihrem Interesse an den gewachsten Eiern dort.

Jahre später kehrte alles, was nur irgend eiförmig war, ins Klostermannsche Heim ein. Längst hatten Freunde die praktische Geschenkidee für sich entdeckt – egal, ob am Geburtstag oder als Urlaubsmitbringsel: Christine Klostermann wurde mit Ovalem überhäuft. Aus einer vierjährigen Lehrtätigkeit in Südafrika brachte sie sich selbst Buschmänner-Eier mit: Straußeneier, nur an einer Seite geöffnet, die die Menschen als Wasserbehälter nutzten und in die Muster eingekratzt und mit Asche sichtbar gemacht wurden.

Kein Wunder also, dass sich Klostermann heute nur noch selten ein neues Ei gönnt. Und wenn doch, „muss es besonders ausgefallen oder antik sein“. So wie das Werk einer Künstlerin, die ein Straußenei hauchzart mit Wildbienenwaben überzog. Etwas, das sie mit einem von Klostermann am Haus gefundenen Hornissennest wiederholte. Einen Wunsch hat die Sammlerin aber dennoch: Ein kleines Fabergé-Ei. Das war ihr bislang zu teuer. (Isabel Hahn)

Auch ein versteinertes Dinosaurier-Ei gehört zu den Schätzen, die Christine Klostermann gesammelt hat.
Auch ein versteinertes Dinosaurier-Ei gehört zu den Schätzen, die Christine Klostermanngesammelt hat. © Hahn

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