Staunen über die Artenvielfalt

Der Ortsverein Münster des Naturschutzbundes (Nabu) hat eine Exkursion durchs Naturschutzgebiet Hergershäuser Wiesen durchgeführt.
Münster – Kaum ist die kleine Gruppe vom Parkplatz des Altheimer Bahnhofs losgelaufen, sind die Rufe eines Greifvogels zu hören. „Das ist ein Bussard, der unweit sein Horst hat. Leider ist das Nest sehr zugewachsen, weshalb man kaum etwas sieht“, sagt Thomas Lay. Auch wenn der Blick auf das Brutgeschehen schwierig sei, könne man die Vögel aber zumindest in der Luft beobachten und immer wieder hören. Bei einer Exkursion hatte der Vorsitzende des Ortsvereins Münster des Naturschutzbundes (Nabu) nun durch das Naturschutzgebiet Hergershäuser Wiesen geführt.
Die Führung war als aufschlussreiche Ergänzung zur momentanen Ausstellung in der Langsmühle über die Arbeit des lokalen Nabu gedacht. „Was man in der Schau auf Bildern und Exponaten sieht, lässt sich heute in natura erleben“, sagt Lay. Das Zeitfenster wurde mit zwei bis drei Stunden bewusst größer angesetzt. Wohl den heißen Temperaturen war es geschuldet, dass die Resonanz nicht über eine Handvoll Personen hinausging. Jene, die kamen, nahm der Experte mit auf eine aufschlussreiche Tour, die die Flora und Fauna des Schutzgebietes „Auf dem Sand“ in seinen vielfältigen Facetten beleuchtete. Dazu gehörte ein Blick auf die Storchennester ebenso wie auf die Brut- und Nisthilfewand für Insekten, an der gerade mächtiger Flugbetrieb herrscht. Weitere Anlaufpunkte waren die Uferschwalben-Kolonie, der durch Steinaufschüttungen geförderte Lebensraum für Eidechsen und der Magerrasen.

Am Insektenhotel rückten vor allem die Wildbienen in den Fokus. In die Röhren legen sie hintereinander sechs bis acht Eier ab. Die ersten Nachkömmlinge, die rausfliegen, sind stets Männchen. Sie warten auf die Weibchen und befruchten diese umgehend, was mit dem nahen Ende der warmen Jahreszeit zu tun hat. „Wenn die Weibchen zuerst rauskämen, würden sie sich sofort auf Nektarsuche begeben. Damit wäre der Fortpflanzung nicht geholfen“, erklärt Lay.
Das Naturschutzgebiet „Auf dem Sand“ heißt so, weil der Untergrund sehr sandig ist. Einst wurden zum Bau der Bundesstraßen in der Umgebung von hier viel Material abtransportiert. Lay schätzt, dass das Gebiet früher bis zu drei Meter höher war. Mit einer Schwalbenwand durch künstlich aufgetürmten Sand gelang es vor geraumer Zeit, die seltenen Uferschwalben anzusiedeln. Derzeit zeigt sich das Gebilde als zunehmend instabil – auch durch die Humusschicht, die sich im Laufe der Jahre auf der Oberfläche gebildet hat. Die Naturschützer suchen deshalb nach einer Lösung, die vielleicht darin liegt, die Sandwand mittels Spritzbeton zu stärken. Ebenfalls ein Problem ist der Fuchs, der sich von oben in die Röhren zu den Jungvögeln und Eiern gräbt. Mit einer Drahtabdeckung wirkt man dem Eindringling entgegen. Das Beispiel legt dar, dass der Naturschutz immer wieder vor neuen Herausforderungen steht. Auch die derzeitige Überpopulation der Nutrias (sie werden oft mit dem Biber verwechselt) beschäftigt den Nabu Münster. Dennoch liegen die positiven Meldungen eindeutig über den sorgenvollen. Dazu gehört etwa der phänomenale Bruterfolg beim Kiebitz. 26 Brutpaare mit 36 Jungen wurden dieses Jahr beim Blick auf den stark gefährdeten Bodenbrüter gezählt.
Als die Exkursion beim Magerrasen angelangte, war ebenfalls Staunen angesagt. Obwohl der Boden nur über wenig Nährstoffe verfügt, blühen die Pflanzen ausgesprochen prächtig. Das zieht Insekten und insbesondere Schmetterlinge an. Mit etwas Glück flattert „Auf dem Sand“ der seltene Schwalbenschwanz vorbei. Ebenfalls mit Fortune lassen sich im Bereich der Tümpel Blaufrösche und Eisvögel entdecken. Auch das Schwarzkehlchen ist hier heimisch. Lay und Gefolge stießen am Magerrasen auf mehrere Naturfotografen, die bis von Aschaffenburg anreisten. Mit riesigen Objektiven versuchten sie, die wunderbare Tierwelt einzufangen, was die Besonderheit des Ortes untermalte.
Die zweieinhalbstündige Führung hätte aufgrund der Artenvielfalt und mannigfaltigen Informationen gut doppelt so lang ausfallen können. Denn mit den Wundern der Natur lässt sich, wie das Beispiel der Mistbiene zeigt, auf einfache Art und Weise begeistern. Um in sauerstoffarmen Gewässern Luft zu bekommen, hat sie ein teleskopartiges Atemrohr entwickelt. Bei Bedarf fährt sie dieses bis zu vier Zentimeter aus.
Der Nabu Münster hat derzeit rund 500 Mitglieder, zwölf sind aktiv. Deren Aufgabe ist vor allem die Gebietspflege mit Mähen und Schneiden. Das wird nicht immer verstanden, denn oft wird die Ansicht vertreten, dass es doch das Beste für die Natur ist, wenn man nicht eingreift und diese sich selbst überlässt. Das stimmt laut Lay nur zum Teil: Fänden keine Pflegemaßnahmen statt, würden viele Landstriche, wie etwa der Magerrasen, recht schnell zuwachsen und verwalden. So hat laut dem Experten die vom Menschen gestaltete Natur eine Reihe von Vorteilen – allerdings nur, wenn in diesen Kulturlandschaften nach bestimmten Prinzipien agiert wird. „Dann können daraus Gebiete entstehen, die beim Artenreichtum mit an der Spitze stehen“, erzählt der Vorsitzende. (Michael Just)