Gut fürs Studio-, schlecht fürs Bandprojekt

Der Münsterer Sänger Jens Wanner hat in der Corona-Zeit die Arbeit an einem Studio- und einem Bandprojekt kennengelernt – und im Duo Chronique in drei Kategorien den „Deutschen Rock- und Poppreis“ gewonnen.
Münster – Zumindest finanziell ging die Welt für Musiker Jens Wanner in der Corona-Zeit nicht unter. Der 48-Jährige, der in Dieburg geboren und aufgewachsen ist und seit einigen Jahren in Münster wohnt, verdient seine Brötchen bei der Telekom. Seiner Kunst geht er dennoch ambitioniert nach, wie auch eine vor wenigen Monaten gewonnene Auszeichnung zeigt: Als Sänger und Songwriter bildet Wanner seit 2020 mit Dirk Brinker (Songwriting, Produktion und Instrumente) das Studio-Projekt Chronique – und gewann in dieser Konstellation beim „39. Deutschen Rock- und Poppreis“ gleich drei Auszeichnungen. Während die zwei Pandemie-Jahre für ein anderes Bandprojekt einen „Riesenrückschlag“ bedeuteten, gaben sie der „Heimarbeit“ sogar Rückenwind: „Corona hat Chronique eher befruchtet.“
2020 lernten sich Wanner und Brinker, der das Studioprojekt schon seit 22 Jahren betreibt, sein Geld als Kaufmann aber ebenfalls abseits der Musik verdient, über Facebook kennen. „Du wohnst im falschen Münster“, pflegt der in Bielefeld lebende Brinker zu Wanner zwar mit einem Augenzwinkern zu sagen. Dennoch fanden die zwei Männer künstlerisch auch auf die Ferne zusammen: „Uns eint, dass wir unsere musikalischen Wurzeln beide in den 80ern haben, Musik noch auf melodischer und harmonischer Basis machen und uns gerne ausprobieren“, spricht Wanner über die Gemeinsamkeiten.
Einflüsse nahmen etwa die Post-Rock- und Post-Punk-Genres, mitunter auch Classic und Alternative Rock. Als prägende Bands früherer Tage nennt Wanner etwa Radiohead, Interpol und die Editors. Brinker skizziert den „Anspruch von Chronique, unsere eigene Richtung zu finden“, outet sich als „riesiger Pink-Floyd-Fan“ und sagt über seinen kreativen Partner: „Jens bringt stimmlich ein gutes Grundniveau mit. Mit Blick auf unsere Wurzeln passt seine Stimme zum musikalischen Zeitgeist.“ Der so Gelobte ergänzt noch etwas anderes, was beide eint: „Wir sind in unserem Leben gefestigt und brauchen nicht mehr den großen Erfolg. Wir haben einfach Spaß, wenn unser Ergebnis gut ist.“
Dies attestierten die Macher des – mit einem kostenpflichtigen Einreichen der Beiträge verbundenen, dennoch renommierten – Deutschen Rock und Pop-Preises dem Duo Jens Wanner und Dirk Brinker gleich in dreifacher Hinsicht: Erstens erhielten Chronique den Preis in der Hauptkategorie „Beste Alternative Band 2021“. Zweitens wurde ihr Album „Black Letters, White Ink“ als „Bestes Alternative Album“ ausgezeichnet. Drittens bekam ihr Song „Failure“ den Preis in der Kategorie „Bester Alternative Song“.
Die Urkunden fanden ihren Weg nach Südhessen und Ostwestfalen per Post. Als Wanner die Auszeichnung für ein Soloprojekt und eine Komposition in früheren Jahren schon mal gewann, gratulierte noch Rockstar Doro Pesch persönlich. Auch die erfolgreiche Produktion des Albums gelang diesmal komplett auf Distanz: „Dirk hatte bereits viele Demos aufgenommen, zu denen ich dann nur noch den Text geschrieben habe“, blickt Wanner zurück. „Er mit seinen Instrumental- und Produktionskenntnissen und ich mit meinem Gesang ergänzen uns gut.“ Weil der Münsterer den Chronique-Gründer mit eingesungenen Stücken in der Kennenlernphase wenige Wochen vor dem Corona-Ausbruch im März 2020 überzeugt hatte, begleitet er ihn seither als zweiter Teil des Studioprojekts. Zuvor hatte Brinker mit einem anderen Sänger zusammengearbeitet. In der neuen Konstellation stürzten sich beide regelrecht ins Schaffen: „In knapp einem Jahr war das Album fertig!“
Seither vermarkten Chronique ihr musikalisches Resultat, so gut dies auf eigene Faust und mit knappem zeitlichen und finanziellen Budget möglich ist. „Wenn Chronique durch die Decke geht, würde ich auch Live-Auftritte nicht ausschließen“, sagt Wanner zwar. Geplant ist derlei erst mal aber nicht, zumal die beiden Männer trotz leidenschaftlichen musikalischen Tuns Realisten genug sind, um zu „wissen, dass es schwierig ist, über ein Album Aufmerksamkeit zu generieren“. Mit einigem Abstand zur Veröffentlichung ihrer Erfolge beim Rock- und Poppreis müsse man konstatieren: „Im Endeffekt hat es wenig gebracht – und weil es kräftig Gebühren kostet, würden wir es nicht noch mal machen.“
Während Dirk Brinker „die Studiogeschichte für mich optimal“ nennt, will Jens Wanner nach zwei Jahren ohne Rampenlicht unbedingt auch wieder für Live-Gigs raus vors Publikum. Dafür hat er mit fünf anderen Musikern aus der Umgebung die Cover-Band RE80s ins Leben gerufen, die sich dem New Wave – zum Beispiel à la Tears for Fears und Ultravox – verschrieben hat. In jüngerer Vergangenheit war damit aus nahe liegenden Gründen kein Staat zu machen. Jetzt macht sich hingegen wieder Aufbruchsstimmung breit. In der Region wird die neue Gruppe des Münsterer Sängers demnächst unter anderem in Erlenbach (10. Juni) und in Griesheim (23. September) zu erleben sein. Weitere Infos gibt‘s im Internet. (Jens Dörr)