„Ich glaube, das Klima ist schon besser geworden“

Münster – Als Marcus Milligan, damals noch unter dem Familiennamen Agnes, 2009 in die CDU eintrat, habe er sich „nicht träumen lassen, dass ich zwölf Jahre später mal die Sitzungen der Münsterer Gemeindevertretung leite“. Genau das aber tut er seit der konstituierenden Sitzung nach der Kommunalwahl im Frühjahr 2021.
Mit nur 32 Jahren ist der Christdemokrat bereits Vorsitzender des wichtigsten gestalterischen Gremiums im Ort und fühlt sich dabei trotz Stimmrecht und Fraktionszugehörigkeit stark der Überparteilichkeit und Neutralität verpflichtet. „Mir wurde schon gesagt, dass ich das ganz gut hinkriege“, resümiert er seine ersten Monate im anspruchsvollen (Ehren-)Amt.
Das macht Milligan unter anderem an einem Gefühl fest. „Ich glaube, das Klima in der Gemeindevertretung ist seit der Wahl schon besser geworden“, empfindet er. „Vielleicht habe ich meinen kleinen Teil dazu beigetragen.“ In bislang stets ruhiger und sachlicher, im besten Sinne emotionsloser Manier führt der Kommunalpolitiker durch die Abende. Dreimal, davon zweimal kürzlich im Jahresschlussspurt, vertrat ihn in der Sitzungsleitung Elke Müller von der SPD. Auch sein Amtsvorgänger Klaus-Rainer Bulang war Sozialdemokrat, die Wahl im Frühjahr mischte die Mehrheitsverhältnisse in Münster aber neu. Und Marcus Milligan übernahm Verantwortung, wie er es im mitunter undankbaren politischen Geschäft seines Heimatorts bereits seit einem Jahrzehnt tut.
Denn rasch nach seinem CDU-Eintritt – der damalige Ortsverbandsvorsitzende Marcel Wessendorf hatte ihn angesprochen – kandidierte Milligan bereits auf der Unions-Liste für die Kommunalwahl 2011. Mit Erfolg: Die Münsterer statteten ihn mit einem Mandat aus, was sich 2016 und 2021 wiederholen sollte. Parallel zum Dualen Studium bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), wo Milligan heute als Bankkaufmann und Business Administrator in der Wertpapier-Abwicklung arbeitet, brachte er sich zunehmend in der Gremienarbeit und im Ortsverband ein.
Zunächst war der zweifache Familienvater, der bei der Hochzeit den Namen seiner Frau annahm, Stellvertretender Vorsitzender der CDU Münster und löste 2017 Thomas Heinz als Ortsverbandschef ab. „Das war meine eigentliche Ambition gewesen“, blickt Milligan zurück. Doch die Aufgaben sollten im Wahljahr 2021 noch einmal wachsen. Als sich abzeichnete, dass nach fünf Jahren der SPD-ALMA-Mehrheit wieder die CDU und ihr auf die lokalpolitische Bühne zurückgekehrter Kooperationspartner FDP das Geschehen diktieren (und damit auch das wichtige Amt des Gemeindevertretungsvorsitzenden stellen) würden, schlug man in der CDU Milligan vor. Tatsächlich konnte man die Personalie bei der konstituierenden Sitzung Ende April realisieren. „Als ich vereidigt wurde und den Vorsitz übernommen habe, war ich ganz schön nervös“, gibt Milligan zu.
Angemerkt haben ihm Außenstehende das kaum. Vielleicht auch, weil gute Vorbereitung die halbe Miete ist: „Ich habe Seminare zu den Rechten und Pflichten von Gemeindevertretungsvorsitzenden absolviert“, erzählt der Münsterer. Unter anderem die Kommunalpolitische Vereinigung der CDU bietet derlei an. Auch die enge Zusammenarbeit mit dem Parlamentarischen Büro der Gemeinde um Jens Kasper habe ihm den Einstieg erleichtert: „Das läuft ganz toll, auf Herrn Kasper kann man sich super verlassen!“
Seine Sitzung um Sitzung gestärkte Souveränität hat Marcus Milligan dabei auch schon genutzt, um dem eigenen Anspruch an ausgewogene Diskussionen im Münsterer „Parlament“ (wie die Gemeindevertretung streng genommen falsch, aber landläufig doch hartnäckig genannt wird), gerecht zu werden. So ließ er infolge eines CDU-Antrags mit Rede und Verweisvorschlag in den Ausschuss auch noch die anderen Fraktionen zu Wort kommen, obwohl er dies streng genommen nicht hätte tun müssen. „Das habe ich im Sinne der demokratischen Debatte aber für richtig gehalten“, skizziert er, wie solches Handeln statt sturer Paragrafenreiterei den Diskurs unter den Fraktionen verbessern kann.
Beobachtungen, wie man Sitzungen gut und schlecht leitet, machte er im vergangenen Jahrzehnt in der Gemeindevertretung ebenso wie in deren Sozialausschuss und Haupt- und Finanzausschuss. Thematisch seien „Zahlen mein Ding“, sagt Marcus Milligan. Über die Jahre werde man zugleich ein bisschen zum Allrounder, „man lernt immer noch dazu“. Mit bestimmten Inhalten werde man trotzdem nicht warm: „Bausachen sind nicht so meins“, gesteht der Münsterer. Sein zeitintensiver und teils auch organisatorisch schwieriger Dreiklang aus Beruf, Familie und Kommunalpolitik funktioniere derweil „dank des Rückhalts in meiner Familie – auch wenn es manchmal etwas anstrengend ist“. (Jens Dörr)