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Verliert Altheim ein Stück Ortsgeschichte?

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Hoffen, dass der „Löwe“ Gasthaus bleiben kann: Gerda Hamm (von links), Friedel und Erika Sauerwein. Das Schild „Tre Sorelle“ (Deutsch: „Drei Schwestern“) stammt vom letzten, italienischen Pächter, der im März aufgehört hat.
Hoffen, dass der „Löwe“ Gasthaus bleiben kann: Gerda Hamm (von links), Friedel und Erika Sauerwein. Das Schild „Tre Sorelle“ (Deutsch: „Drei Schwestern“) stammt vom letzten, italienischen Pächter, der im März aufgehört hat. © Hahn, Isabel

Die Besitzer des Landgasthofs „Zum Löwen“ im Münsterer Ortsteil Altheim suchen schon seit März dieses Jahres einen neuen Pächter. Ende September wollen die Besitzer bei einer „Familienkonferenz“ klären, wie es dann weitergeht und sich Gedanken über andere Nutzungsmöglichkeiten des Gebäudes machen.

Altheim – „Man will doch auch mal ein Bier trinken gehen und ein bisschen schwätzen“, sagt Friedel Sauerwein. Wird das in Zukunft noch möglich sein in Altheim? Der 85-Jährige, dessen Frau Erika lange Zeit Verpächterin des Landgasthofs „Zum Löwen“ an der Hauptstraße war, hat da seine Zweifel. Denn schon seit April dieses Jahres steht das bewirtschaftete Fachwerkhaus – nach Schließung der anderen beiden Gasthäuser vor mehr als zehn Jahren einzige Ausgehmöglichkeit im Ort – leer. Die bis dahin beliebte Küche ist kalt. Tochter Gerda Hamm, seit Januar 2020 die Eigentümerin, sucht seit Monaten händeringend nach einem Nachfolger. Ein gutes Restaurant käme schließlich nicht nur auswärtigen Gästen zugute, sondern vor allem den Leuten im Dorf.

„Gerade heutzutage ist es wichtig, einen Treffpunkt für Jung und Alt zu haben“, meint sie. Ihre Eltern beispielsweise sind jeden Sonntag bei sich um die Ecke eingekehrt zum Essen – und wenn sie heute durchs Dorf laufen, werden sie immer wieder angesprochen, wann denn das Gasthaus bitte schön wieder aufmache. Und der „Löwe“ hat auch einiges zu bieten für einen Restaurantbetreiber. Unten im Raum mit großer Theke finden 25 Personen Platz, nebenan können gut 30 Leute sitzen, und in einen separaten Raum, früher gern genutzt für Versammlungen, passen noch mal 20 rein. Aber das ist noch längst nicht alles. Draußen im Hof kann ein Biergarten 40 durstige Kehlen bewirten, und im ersten Stock ist ein großer Saal für 80 Mann, in dem bestimmt nicht nur Altheimer Hochzeit, runde Geburtstage oder andere Festlichkeiten gefeiert haben.

Ein paar Jahre jünger, und Erika Sauerwein (links) würde sich mit Tochter Gerda Hamm hinter die Theke stellen. Das wäre nichts Neues für die Frau, die mit der Gastwirtschaft aufgewachsen ist.
Ein paar Jahre jünger, und Erika Sauerwein (links) würde sich mit Tochter Gerda Hamm hinter die Theke stellen. Das wäre nichts Neues für die Frau, die mit der Gastwirtschaft aufgewachsen ist. © Hahn

„Ganz früher, bevor 1972 die Kulturhalle gebaut wurde, war dort oben jedes Jahr der Kerbtanz“, erzählt Erika Sauerwein. Bis ins Jahr 1963 hatten sie und ihre Patentante selbst noch das Küchen-Zepter in der Hand und bewirteten ihre Gäste mit guter deutscher Hausmannskost. „Samstag, Sonntag und Montag war bei uns zu Kerb Musik“, erinnert sich Ehemann Friedel. „An der Theke standen sie in Dreierreihen.“ Der Altheimer hat in den Jahren viel Geld und viel Eigenleistung investiert in das Haus, das 1901 vom Großvater seiner Frau gekauft wurde. Die einstige Hühnerleiter, auf der bei Kerb etliche nicht mehr ganz nüchterne Zeitgenossen hinunterpurzelten, wurde durch eine breite Holztreppe ersetzt, einen Notausgang in den Hof legte er an, und mindestens sieben Feuerschutztüren, allesamt maßangefertigt, ersetzten die nicht mehr erlaubten Holztüren. Von einer Totalrenovierung in den 90er Jahren für 150 000 D-Mark ganz abgesehen.

„Es entspricht alles den aktuellen Vorschriften. Ein Gastwirt könnte direkt loslegen“, bestätigt Gerda Hamm. Die Tochter hat in der Zwischenzeit auch schon Geld ausgegeben. Etwa 7 000 Euro für eine neue denkmalgerechte Eingangstür oder 30 000 Euro für die Möglichkeit einer Spül-Straße außerhalb der Küche, damit dort das schmutzige Geschirr nicht im Weg rumsteht. Vor Kurzem hat ein Inder Interesse gezeigt, daraus wurde aber nichts. Am längsten in der jüngsten Vergangenheit, nämlich mehr als 20 Jahre lang, war eine Italienerin im Löwen, bis sie nach Groß-Umstadt abwanderte. „Anna hat auch über der Gastwirtschaft gewohnt“, berichtet Erika Sauerwein. Denn im ersten Stock ist nicht nur der große Saal für Feierlichkeiten, sondern ebenfalls eine geräumige Zweizimmerwohnung mit Küche und Bad, die bei Bedarf renoviert werden kann.

Kontakt

E-Mail an Gerda Hamm: Gerda.Hamm@gmx.de

Zusätzlich gibt es einen beachtlichen Lagerraum neben dem Saal – ja, und dann geht es noch mal einen Stock nach oben. Dort sind wiederum zwei Räume und ein Bad. „Alles inbegriffen bei einer Verpachtung“, sagt Gerda Hamm. Ihr Wunsch und natürlich auch der ihrer Eltern ist, dass das 1792 schon als Gastwirtschaft erbaute Haus wieder „seiner ursprünglichen Bestimmung“ nachkommt. Wenn sich allerdings nichts in dieser Richtung rühren würde und sich keiner meldet, ist die 57-Jährige, die anders als ihre Eltern in Reinheim lebt, auch bereit, neue Wege zu gehen. „Ich könnte mir das alte Gebäude zum Beispiel als medizinisches Gesundheitshaus mit Physiotherapie und Massage vorstellen“, sagt sie. Im Hof mit dem angrenzenden Garten würde man dann Parkplätze einrichten.

Und falls alle Stricke reißen, hat sie noch eine ganz andere Idee: In diesem Fall will sie selbst einziehen. „Vielleicht nur in den unteren Teil, und oben vermiete ich als Wohnraum“, überlegt sie laut. Aber das ist Zukunftsmusik. Jetzt fährt sie erst einmal in den Urlaub und schaut im Anschluss, ob es neue Anfragen gibt. „Und Ende September halten meine Eltern und ich Familienkonferenz.“ Zu dem Zeitpunkt wird sie also fallen, die schwierige Entscheidung. Dann ist raus, ob Altheim ein Stück Ortsgeschichte verliert oder sie zumindest umschreibt. Auf welche Weise auch immer. Klar ist nur: „Weitersuchen mag ich nächstes Jahr nicht mehr.“ (Isabel Hahn)

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