„Man kann auch mit Spezi feiern“

Es ist das größte Fest des Jahres in Münster (Hessen): 150 Jahre Freiwillige Feuerwehr. Die Gastgeber feiern mit Spezi statt mit Bier – schließlich müssen sie im Notfall jederzeit ausrücken können.
Münster – Es ist trotz einer Reihe weiterer Vereinsjubiläen das größte Fest, das Münster 2022 feiert: das 150-jährige Bestehen der Freiwilligen Feuerwehr, das seit Freitag und noch bis heute mit 2000-Mann-Zelt, Rummelplatz und großem Programm auf dem Abtenauer Platz stattfindet. Inmitten von FFH-Party (800 zahlende Gäste) am Freitag, Dorfrocker-Auftritt am Samstag, Kreisfeuerwehrtag mit Festumzug am Sonntag und vielen weiteren Höhepunkten muss besonders die 70-köpfige Einsatzabteilung einen Spagat meistern. Es ist zwar auch „ihr“ Fest – doch Party feiern wie die anderen dürfen die freiwilligen Brandschützer wegen ihrer wichtigen Aufgabe nicht.
„Man kann auch mit Spezi feiern“, lächelt Florian Kisling am Samstagnachmittag. Gerade ist der Kreis-Kinderfeuerwehrtag im Gange, doch Münsters Gemeindebrandinspektor ist noch nicht lange aus der benachbarten Kulturhalle zurück. Dort haben die Leiter der Einsatzabteilungen aus den Kommunen der Region am Vormittag getagt und unter anderem einen Fachvortrag gehört. Thema: „Vegetationsbrände“. Womit man eingedenk des verheerenden Waldbrands auf und neben dem Muna-Gelände im Sommer 2019 schnell bei der Frage ist, was eigentlich wäre, wenn just zur 150-Jahr-Sause wieder ein großes Feuer ausbräche.
Die Wahrscheinlichkeit ist nicht klein, wie Kisling nach einem Blick auf sein Smartphone erläutert: „Aktuell haben wir Waldbrandstufe vier von fünf“, sagt er und erläutert, wie man sich auf derartige Einsätze vorbereitet hat. „Wir haben in Münster Gerät angeschafft, das speziell für die Bekämpfung von Waldbränden ausgelegt ist.“ Dazu gehören beispielsweise „Kreisregner“: Sie ähneln Bewässerungsanlagen, wie sie mancher Landwirt auf dem Feld einsetzt. Einmal aufgestellt, können sie mit wenig Personal in einem größeren Radius das Ausbreiten der Flammen verhindern und den Einsatzkräften somit eine Schneise freischlagen.
Auch bei der Tagung am Morgen kam das bestmögliche Equipment für solche Einsätze zur Sprache: „Wir haben zum Beispiel festgestellt, dass wir bei Waldbränden, die ja oft in großer Sommerhitze stattfinden, Kleidung brauchen, die leichter und luftdurchlässiger ist“, sagt Kisling. Zugleich müsse sie den bestmöglichen Schutz der Feuerwehrleute gewährleisten. Hier könne man sich in Deutschland noch besser ausrüsten, „in Südeuropa sind sie da schon weiter“.
Die Gemarkung Münster sei in diesem Jahr bislang ohne Vegetationsbrand davongekommen, berichtet Feuerwehr-Pressesprecher Michael Sühl: „Wir hatten zwar mehrere gemeldete Waldbrände, die dann aber alle keine waren.“ Dennoch ist die Gefahr auch am Fest-Wochenende existent. Kisling beschreibt, dass man nichts dem Zufall überlasse, qua gesetzgeberischer Vorgaben auch gar nicht überlassen dürfe: „Wir haben zehn Mann für den Einsatzdienst eingeteilt und für den Grundschutz stehen drei Fahrzeuge bereit.“ Von Freitag- bis Montagnachmittag werde im Fall der Fälle zudem die Feuerwehr aus Eppertshausen mitalarmiert.
Zudem haben sie sich in Münster so präpariert, dass die vielen Hundert Dienste am Fest-Wochenende vor allem durch den Feuerwehr-Verein (850 Mitglieder) und Helfer befreundeter Vereine gestemmt werden. Die Einsatzkräfte können bei Bedarf sofort ausrücken und die Hilfsfrist auch dann einhalten, wenn halb Münster die Krüge schwenkt. „Ein Teil ist auch am Fest immer in Abrufbereitschaft“, so Kisling. Das Team sei sich seiner verantwortungsvollen Aufgabe jederzeit bewusst: „Das Selbstverständnis der Einsatzkräfte, dass sie nicht wie alle anderen feiern können, ist da.“
Guten Gewissens können immerhin auch jene Feuerwehrleute, die in Bereitschaft sind, den Festumzug am Sonntag verfolgen. Der letzte Umzug dieser Art, von den Kerbumzügen mal abgesehen, fand in Münster vor zehn Jahren statt – zum 140-jährigen Bestehen der Feuerwehr. Der Musikverein marschiert vornweg, gefolgt von den Ehrengästen. Dann folgen die Gastgeber, die als Nachwuchs derzeit eine 15-köpfige Bambini-Gruppe und eine 25-köpfige Jugendfeuerwehr auf die Beine bringen. „Unsere Zukunft, denn der klassische Feuerwehrmann kommt nicht von der Seite, sondern durchläuft meist die Kinder- und Jugendfeuerwehr“, betont Florian Kisling.
Rund 15 Gäste sind von der befreundeten Feuerwehr aus Abtenau (Österreich) angereist. Sportverein (50 Teilnehmer), Wandergesellschaft (35) und Turnverein sind die Ortsvereine mit den größten Gruppen im Umzug. Insgesamt am stärksten vertreten sind Wehren aus Groß-Umstadt, die mit 80 Leuten nach Münster gekommen sind. Sie alle feiern nach dem Umzug auf dem Festgelände weiter, was sich beim Frühschoppen am Montag fortsetzen wird. (Jens Dörr)

