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Anwohner wollen Wäldchen am Werlacher Weg in Münster retten

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Von: Jens Dörr

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Die Anwohner der Heinrich-von-Kleist-Straße wollen das Wäldchen am Werlacher Weg erhalten und demonstrierten das beim Treffen mit unserer Zeitung.
Die Anwohner der Heinrich-von-Kleist-Straße wollen das Wäldchen am Werlacher Weg erhalten und demonstrierten das. © Dörr

Anwohner wollen das Wäldchen am Werlacher Weg in Münster retten. Im Kreis Darmstadt-Dieburg formt sich Wiederstand gegen die neuen Wohnbauten.

Darmstadt-Dieburg/Münster – Als Maßnahme der „Innenverdichtung“ fassten die Gemeindevertreter Anfang Februar den Beschluss, den bislang als Grünfläche deklarierten Bebauungsplan „M11 Nord-Ost“ auf zwei gemeindeeigenen Grundstücken auf der Westseite des Werlacher Wegs zu ändern. Somit dürfen und sollen auf dem 4 100 Quadratmeter großen Grundstück künftig Wohnhäuser entstehen. Dafür müsste ein jahrzehntealtes Wäldchen weichen, wogegen sich Widerstand regt: Am Samstag (26.02.2022) protestierten Anwohner der Heinrich-von-Kleist-Straße (Hausnummern 50 bis 56) gegen die drohende Abholzung.

Selbst an einem Wintertag gibt ein Besuch des kleinen Walds, der rückseitig an die Gärten der Von-Kleist-Straße anschließt, nur von den Anwohnern begangen werden kann und auch von ihnen gepflegt wird, einen Eindruck von seinem biologischen Wert. Mehr als 60 Laubbäume haben die Anwohner auf dem Areal gezählt – Roteiche, Wildkirsche, Ahorn, Erle, Buche, Esskastanie. „Das Wäldchen ist ein Paradies für die Menschen und die Natur“, sagt Erich Huther, einer der 19 Anwohner, die zum Vor-Ort-Treffen gekommen sind.

Im Kreis Darmstadt-Dieburg leben Fledermäuse im Wäldchen am Werlacher Weg in Münster

Mit Blick auf die Tierwelt dokumentiert Huther die Beobachtungen von Fledermäusen, Vögeln, Ringelnattern, Eidechsen, Erdkröten, Laubfröschen, Igeln, Spitzmäusen, Eichhörnchen, Maulwürfen, Bienen und Insekten auch mit Fotos. Die natürliche „Infrastruktur“ des Biotops haben die Anwohner mit Igelburg, Insektenhotel, Totholz- und Steinhaufen sowie Nistkästen noch optimiert.

All das sehen sie vor ihrem geistigen Auge bereits dem Harvester zum Opfer fallen. „Hier wird Natur zerstört!“, sagt Huther unter Zustimmung der Umstehenden. Die Anwohner der Von-Kleist-Straße betonen, dass sie das drohende Verschwinden des Wäldchen für eine schwere Sünde halten: „Die Ziele des Umweltschutzes sind beim Beschluss dieser sogenannten ,Innenverdichtung’ überhaupt nicht berücksichtigt worden“, nennt Huther den zentralen Vorwurf.

Unmut in Darmstadt-Dieburg: Gemeindevorstand aus Münster bringt Wohngebietserweiterung ein

Der richtet sich sowohl an den Münsterer Gemeindevorstand (in dem Beigeordnete aller Fraktionen sowie der parteilose Bürgermeister Joachim Schledt sitzen), der den Vorschlag Wohngebietserweiterung in die Gemeindevertretung eingebracht hatte, als auch an die Gemeindevertreter von CDU, FDP, SPD und ALMA-Die Grünen, die dem folgten. Vor allem von der ALMA, der sie am meisten Authentizität beim lokalen Umwelt-, Klima- und Naturschutz zugeschrieben hatten, sind die Anwohner enttäuscht.

„Auf unseren Protest hin hat die ALMA nur schriftlich geantwortet, statt mal vorbeizukommen“, sagt Huther. Die SPD machte sich vor Ort ein Bild, die CDU meldete sich telefonisch und bot ein Gespräch an. Mit der FDP gab es bei der Gemeindevertretersitzung einen kurzen Austausch. Mit Bürgermeister Schledt sitzen die Anwohner in ein paar Tagen zusammen.

Die Zukunft des Werlacher Weg in Münster im Kreis Darmstadt Dieburg ist unklar

All das geschehe aber erst auf ihre Initiative und ihren Protest hin, bemängeln die Anwohner. Von der wesentlichen Änderung in ihrer direkten Nachbarschaft hätten sie erst aus der Zeitung erfahren. Weil zwischen der Ausschusssitzung, die das Thema an die Öffentlichkeit brachte, und der beschließenden Gemeindevertretersitzung nur sechs Tage lagen, blieb kaum Zeit, sich in die Debatte einzuklinken.

Doch wie geht es am Werlacher Weg nun weiter? Die Anwohner betonen, dass sie nicht grundsätzlich gegen eine Wohnbebauung in ihrer Nachbarschaft seien. Sie halten aber die ökologisch weniger wertvolle Fläche auf der Ostseite des Werlacher Wegs für besser geeignet. Dort steht kein Wäldchen, sondern liegt ein Acker. Die Anwohner erinnern dran, dass sich zumindest ein Teil der Gemeindevertreter gut vorstellen konnte, das Katholische Familienzentrum St. Michael (das stattdessen am bisherigen Standort neu errichtet wird) dorthin zu verlagern. „Es geht uns also nicht darum, den freien Blick aufs Feld zu bewahren“, wirft eine Anwohnerin ein.

Wäldchen als Partikelfilter: Anwohner in Münster in Darmstadt-Dieburg fürchten Geruchsbelästigung

Die Sorge vor der zunehmenden Geruchsbelästigung durch die Landwirtschaft weiter östlich bei Abholzung des Wäldchens und den Verlust seiner Funktion als Partikelfilter, wenn die Maschinen auf dem Feld wieder Staub aufwirbeln, werden derweil geäußert. Auch die Verkehrs- und Parkplatzsituation sowie der Hinweis auf zunehmenden Starkregen und damit das Risiko, die nördlich gelegene Gersprenz könne auch gen Wäldchen (oder spätere dortige Häuser) überschwemmen, kommen zur Sprache. Im Mittelpunkt des Kampfs um den Erhalt des Biotops steht aber der Wert der teils mehr als 40 Jahre alten Bäume.

In ihren Augen folgten Rathaus und Gemeindevertretung einer Doppelmoral, wenn sich Münster einerseits „Klimaschutz-Kommune“ nenne, Paten für Grünflächen suche und mit einer Aktion werbewirksam „555 neue Bäume für Münster“ pflanzen wolle – und dann mit Eurozeichen in den Augen durch die Zerstörung eines gewachsenen und schon lange von Bürgern gepflegten Ökosystems das Gegenteil tue. Die Notwendigkeit, weiteren Wohnraum in der Gemeinde zu schaffen, streiten auch die Anwohner der Von-Kleist-Straße nicht ab, lassen aber den Begriff „Innenverdichtung“ nicht gelten: „Hier geht es um ein Wäldchen am Ortsrand und nicht um eine Brache wie das Frankenbachgelände, wo leider nur noch Gewerbe vorgesehen ist“, sagt ein Anwohner.

Eine andere Lösung als die von den Gemeindevertretern beschlossene wollen die Anwohner in Kürze beim Treffen mit Joachim Schledt vorschlagen: Sie seien bereit, der Gemeinde das Wäldchen zum Grünflächen-Preis abzukaufen. Damit würde Geld in die kommunale Kasse fließen und das Stück Natur mit Dutzenden Bäumen gerettet. (Jens Dörr)

In der Vergangenheit war Münster immer wieder Zentrum für neue Bauprojekte gewesen. So wurde 2014 eine Brücke im Wert von 380.000 Euro am Werlacher Weg neu errichtet.

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