Dracula beißt an Halloween in Münster

Endlich dürfen die Vampire ohne Corona-Abstand beißen: Ein Jahr später als geplant führt das regionale Musical-Ensemble „On Stage“ seine Produktion „Dracula“ auf. Am Halloween-Wochenende war das Stück in der Kulturhalle Münster zu sehen.
Münster – Es ist dunkel. Die Menschen warten gespannt. Plötzlich taucht ein Mann mit Laterne in der Hand auf, guckt sich suchend um und klettert vom Zuschauerraum auf die in rötliches Licht getauchte Bühne. Rötlich leuchtend wie frisch gezapftes Blut. Die Bühne stellt das Schloss von Dracula in Transsylvanien dar, in das der aus London angereiste Anwalt Jonathan Harker, gespielt von Andreas Beck aus Erlensee, mit Immobilienkaufvertrag unterwegs ist. Der unheilvolle, greise Graf (Thorsten Kusch aus Lengfeld) sucht nämlich nach einem neuen Domizil in London.
Mit einem Jahr Corona-Verspätung ist das Musical-Ensemble „On Stage“ am Halloween-Wochenende in Münsters Kulturhalle zu Gast. Zu vier Spielzeiten. Die Premiere am Freitagabend ist der erste Auftritt des musikalischen Vereins seit der Disney-Gala im März 2020, der gerade noch so ebenfalls in Münster stattfand.
Im Herbst 2019 starteten die Proben zu dem Stück frei nach dem gruseligen Roman des irischen Schriftstellers Bram Stoker. Durch Corona wurde normales Proben unmöglich. Man traf sich zunächst zu zehnt, dann zu fünft, und nur draußen statt drinnen. Der Chor sang über Videokonferenz zusammen, die Orchestermitglieder übten daheim für sich allein. Man bangte, ob man den geplanten Termin zu Halloween halten könne. Irgendwann war klar: Nein.
Erst diesen Sommer konnte das rund 40-köpfige Ensemble wieder normal zusammen proben. Endlich war abstandsloses Beißen möglich. Zu dem Zeitpunkt hatten sich allerdings bereits einige berufs- oder ausbildungsbedingt aus dem Kreativteam verabschiedet. Bei einigen Liedern und Choreografien musste erneut bei null angefangen werden. Und nur die beiden Hauptrollen Mina und Dracula ließen sich noch doppelt besetzen.
Der Bühnenbildner, der die Vereinsmitglieder im Aufbau anleitete, fiel ebenfalls aus – etwas, das man dem gut in Szene gesetzten Stück nicht ansieht. Gemeinsam wurden stimmige Kostüme und Kulissenteile gebastelt und Grabsteine geschaffen. Dracula zimmerte gar seinen Sarg selbst. Handwerkliche Erfahrung, die die Truppe um den Odenwälder Marcel Lutz 2018 mit ihrem ersten Musical „Frankenstein“ und später mit ihrem Ausflug in die Disney-Welt gesammelt hat.
Inzwischen ist Dracula samt bissiger Gespielinnen in Englands Hauptstadt gereist. Er nähert sich Mina (Bianca Maschemer aus Dieburg) durch deren Freundin Lucy Westenra (Ann-Kathrin Stahlmann aus Fränkisch-Crumbach). Kurz nach ihrer Hochzeit mit dem verklemmten Arthur Holmwood (Lukas Fengler aus Darmstadt) gibt sich Lucy dem durch Harkers Blut verjüngten Verführer der Nacht hin und überlässt ihm ihren Lebenssaft. Sie stirbt und gehört ab da zum gräflichen Untoten-Harem. Nun ist Mina an der Reihe. „Beide Frauen sind empfänglich für die Aufmerksamkeit Draculas, da sie mit ihrem eigenen Leben nicht zufrieden sind“, erklärt Lutz, der zugleich Regisseur und Vorsitzender ist. Lucy hat Langweiler Arthur eher aus Bequemlichkeit und finanzieller Sicherheit geheiratet. Und auch Mina ist hin- und hergerissen zwischen Dracula und dem durch den Blutverlust geschwächten Jonathan.
Die ehrenamtlichen Akteure spielen ihre Rollen gut und glänzen mit astreinem Gesang. Alle haben lange Chor-Erfahrung und etwa die Hälfte eine Gesangsausbildung. Dass einmal Draculas Mikrofon aussetzt, tut der Leistung keinen Abbruch. Die Choreografien von Manuela Kusch und Katrin Peters funktionieren, die Orchesterleiterin Carola Martin und Andreas Beck mit seiner Chor-Betreuung können stolz sein. Kostüme und Maske, die neben der Requisite große Arbeit im Hintergrund, passen hervorragend ins Bild. Beispielsweise spielt Iris Wilk aus Groß-Zimmern die Rolle eines glatzköpfigen Verrückten mit schön faltiger Kunstkopfhaut. Dem Publikum, das mit etwa 250 Leuten die Premiere in der nach Corona-Regeln voll besetzten Kulturhalle erlebt, gefällt es. Rund 30 haben ihre Karten bereits für die Vorstellung im vergangenen Jahr erworben.
Während Mina vor dem Vampir-Dasein gerettet wird, verliert Dracula dank Vampirjäger Abraham van Helsing (Torsten Scholze aus Frankfurt) seine Schreckensherrschaft und stirbt endgültig. Erlöst durch Minas Hand, die schließlich doch ihre Liebe zu ihm entdeckt hat. Ein fulminantes Ende. Die Proben jeden Sonntag – im Oktober sogar Samstag und Sonntag –, sechs bis acht Stunden lang, haben sich gelohnt.
Drei weitere Auftritte sind am zweiten Adventswochenende in Nidderau geplant. Und dann mal schauen. Ab Januar sollen die Proben für ein neues Musical beginnen. Was es sein wird? Da schweigt Kassenwart Wolfgang Mutz, der zu Anfang bei „Dracula“ das Publikum begrüßte: „Das ist noch ein Geheimnis.“ (zkn)
