Neues Leben ins alte Quartier bringen

Münster - Der alte Ortskern steht im Fokus eines vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projekts, das historischen Quartieren neues Leben einhauchen will. Von Thomas Meier
Jetzt gehen die Verantwortlichen aus Politik und begleitender Forschung verstärkt an die Öffentlichkeit. Die Anwohner betroffener Viertel sollen für das Thema sensibilisiert werden. Ein Ortsrundgang mit Bürgermeister Frank, dem Gemeindevorstand, Vertretern aus der Gemeindeverwaltung, der Technischen Universität Darmstadt und dem Heimat- und Geschichtsverein ein diente den Veranstaltern und rund 40 Bürgern, Ideen für die städtebauliche Entwicklung zu sammeln. Vor der katholischen Kirche St. Michael kamen die Interessierten zusammen, um sich ein Bild von den Potenzialen der Gemeinde zu machen.
Bürgermeister Gerald Frank freute sich über das rege Interesse. Der demografische Wandel stelle Städte und Gemeinden vor große Herausforderungen – auch in puncto Wohnen, sagte der Verwaltungschef. Während alte Ortskerne mehr und mehr verödeten, sprössen in Außenbereichen Neubaugebiete aus dem Boden, der Wohndruck steige, Mieten schössen in die Höhe. Allein die Vorstellung, dass die von einigen Instituten prognostizierten rund 40 000 Banker nach einem Brexit ins Rhein-Main-Gebiet zögen, verdeutliche die prekäre Lage um den Wohnungsmangel: „Es braucht neue Ideen in der städtebaulichen Entwicklung, um diesen Herausforderungen zu begegnen.“
Genau das wolle „AktVis“, die „Aktion gemeinsame Vision – Ortsentwicklung Münster“, ein zu 100 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung finanziertes Projekt. In Münster steht die Altstadt im Bereich von der Hintergasse über die Dammstraße und die Frankfurter Straße bis hin zu Au-straße im Fokus, und die sollte in Augenschein genommen werden.
Bei dem Rundgang informierten Stadtplaner Professor Hans Joachim Linke von der TU Darmstadt sowie Kai Herd, Vorsitzender des Heimat- und Geschichtsvereins. Und etliche der mitmarschierenden Bürger wurden von drei wissenschaftlichen Assistentinnen Linkes interviewt. Sie wollten Stimmungen auffangen, auf die auch Linke einging.
Der Professor verdeutlichte gleich mehrfach beim Rundgang, dass es keinesfalls darum gehen, alte Substanz gegen neue auszutauschen: „In erster Linie gilt es, den Quartierscharakter zu erhalten“, wurde er nimmermüde zu betonen.
Bei rund 180 Baulücken in Münster, rund 50 davon im Ortskernbereich, sowie den zahlreichen Leerständen alter Gehöfte und Anwesen wollen die AktVis-Betreiber schauen, was dort an Wohnraum zu gewinnen ist. Alte Substanz soll an moderne Bedürfnisse angepasst werden, und dies mit großer Bürgerbeteiligung.
Allerdings musste Linke auch eingestehen, dass er und seine Mitarbeiter keine Investitionsmittel mitbringen und dass Münster bei der vergangenen Runde leider nicht ins passende Städteförderungsprogramm des Landes aufgenommen wurde. Doch werde Münster sich weiter bewerben und sicherlich bald Erfolg haben, gab sich Linke optimistisch.
Er sprach zunächst einmal der „Hilfe zur Selbsthilfe“ das Wort: „Wir wollen nicht alles ummodeln, aber Tipps geben, wie die vorhandenen Möglichkeiten zur Schaffung von Wohnraum umgesetzt werden können.“ Dazu müsse die wirtschaftliche und ökonomische Situation ergründet werden, wozu auch die Interviews dienten.
Kai Herd vom Heimat- und Geschichtsvereins verdeutlichte im alten Münsterer Ortskern sodann an vielen Ecken und vor vielen Anwesen, was bereits in der Vergangenheit geschaffen wurde und wo noch Kleinode versteckt sind. „Ich bin in erster Linie Münsterer“, outete sich der studierte Theologe, der ebenfalls keinesfalls soziale Strukturen zerstört, sondern lohnende Bausubstanz erhalten wissen will. Lange seien die alten Straßenzüge im Ort vernachlässigt und alle Energie in Neubaugebiete gesteckt worden. Doch strafte er diejenigen Lügen, die behaupteten, Münster hätte ja nichts aufzuweisen an erhaltenswerter Bausubstanz. „Viele sagen, man müsse, um feines Fachwerk zu sehen, nach Dieburg oder Babenhausen fahren. Das ist Quatsch. Auch wir haben was vorzuweisen“, erklärte er beispielsweise in der Straße An der Kirche vor Anwesen 31 bei Prasch. Dort liegt das schöne Fachwerk frei, allerdings versteckt sich ebensolches in unmittelbarer Nachbarschaft eben noch hinter grauen Schindeln.
Viele interessante, historisch bedeutsame Stationen wurden beim Rundgang angelaufen. Begleitet von einem Rathausbediensteten, der einen Bollerwagen mit sich zog. In ihm wurde heißer Glühwein „mit und ohne Umdrehungen“ transportiert. Ein Service, der gern angenommen wurde. Im Februar soll sich ein Workshop zu AktVis im Rathaus der Aktion anschließen.