Naturschutz oder Innenverdichtung am Werlacher Weg?

„Bebauungsplan M11 ,Nord-Ost’“ – hinter diesem sperrigen Titel verbirgt sich politischer Sprengstoff in Münster. Denn besser bekannt ist die Sache als „Wäldchen am Werlacher Weg“, und dessen Abholzung zum Zwecke der Wohnbebauung ist umstritten. In ihrer jüngsten Sitzung am Montagabend im Rathaus haben sich die Gemeindevertreter nun erneut mit dem Thema beschäftigt und beschlossen, das sogenannte Bauleitverfahren fortzusetzen. Zuvor müssen jedoch noch weitere artenschutzrechtliche Untersuchungen durchgeführt werden, um festzustellen, ob die Grundstücke bebaut werden können – und welche.
Münster – CDU und FDP votierten mehrheitlich dafür, um neuen Wohnraum zu schaffen, SPD und ALMA-Die Grünen wollten das Verfahren aus Naturschutzgründen stoppen – vergeblich. Etwa 20 Zuschauer, auch aus den Reihen der ablehnenden Anwohner, verfolgten die Debatte.
Fast auf den Tag genau ein Jahr vorher, am 7. Februar 2022, hatte die Gemeindevertretung das Bauleitverfahren einstimmig beschlossen. Danach hat der Darmstädter Diplom-Biologe Dr. Hans-Georg Fritz mit seinem „Ökologischen Planungsbüro“ einen mittlerweile vorliegenden Artenschutzbericht erstellt. Ausgangsfrage: Ist das etwa 4 400 Quadratmeter große Wäldchen ein Biotop für streng geschützte Arten, insbesondere Vögel, Fledermäuse, Reptilien und Amphibien? Antwort: Es gibt dort vor allem Vögel und Fledermäuse. Zudem hätten Anwohner Laub- und Moorfrösche sowie Zauneidechsen gesichtet. Fazit: Wenn die Bebauung weiter verfolgt werde, müsse ein Ausgleich für die Tiere geschaffen werden. Heißt: Man muss sie umsiedeln. Fritz betont in seinem Bericht auch die „klimaökologische Bedeutung“ des Areals, die einen „immens hohen Stellenwert“ besitze.
Ausgerüstet mit diesem Bericht hatten die Gemeindevertreter nun erneut zu entscheiden. Die Verwaltung favorisierte die Fortsetzung des Verfahrens, „da die städtebauliche Zielvorgabe die Innenverdichtung ist und die Städte und Gemeinden die Aufgabe und Verpflichtung haben, Wohnraum zu schaffen (...)“.
Anders SPD und ALMA-Die Grünen, die ihre Meinung nach dem Bericht geändert haben. Das längste und leidenschaftlichste Plädoyer gegen die Bebauung hielt die SPD-Abgeordnete Renate Waldschmitt. Sie schickte voraus, dass sie Diplom-Ingenieurin für Landespflege sei und drei Jahrzehnte lang bei der Unteren Naturschutzbehörde des Kreises Offenbach gearbeitet habe, mithin vom Fach sei. Für Waldschmitt wäre eine Bebauung schlicht illegal, weil sie gegen das Bundesnaturschutzgesetz verstoße. 11 der 25 in Deutschland vorkommenden Fledermausarten seien am Werlacher Weg heimisch. Das Wäldchen – Stichwort Klimawandel – produziere zudem kühle, saubere Luft und speichere Regenwasser. Während andernorts „Tiny Forests“ (kleine Wäldchen) eingerichtet würden, „haben wir bereits einen“. Also: „Verfahren anhalten und zeitgemäß handeln!“
Jörg Schroeter (FDP) hielt dagegen, dass dort Fledermäuse und Vögel lebten, sei erwartbar gewesen. Weitere Tiere seien nicht bestätigt. Die von Fritz angeregte Prüfung über eine ganze Vegetationsperiode sei sinnvoll. Deshalb gelte es, das Ergebnis dieser weiteren Prüfung abzuwarten. Es gehe nicht darum, etwas im Parlament „durchzuprügeln“, sondern „einen verlässlichen, rechtssicheren Entscheidungsprozess“ zu gestalten.
Nun wird es also weitere Untersuchungen und einen parlamentarischen Prozess geben, an dessen Ende feststehen soll, „welche Bereiche bebaut werden dürfen, bzw. welche Bereiche (Bäume) ausgespart werden“.