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Schaukel statt Baustelle

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Von: Lars Herd

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Hat die Baustelle gegen die Kinderschaukel getauscht: Metallbauer Pierre Möller aus Schaafheim schult in der Münsterer Kita Im Rüssel um zum Erzieher. Darüber freuen sich auch Martha, Marie und Caro (von links).
Hat die Baustelle gegen die Kinderschaukel getauscht: Metallbauer Pierre Möller aus Schaafheim schult in der Münsterer Kita Im Rüssel um zum Erzieher. Darüber freuen sich auch Martha, Marie und Caro (von links). © GM/Meike Mittmeyer-Riehl

Kontrastreicher könnte der berufliche Neustart kaum sein als der, den der gelernte Metallbauer Pierre Möller nun mit seinen 36 Jahren wagt: Am Montag hat der Schaafheimer in der gemeindlichen Kita „Im Rüssel“ seine praxisintegrierte vergütete Ausbildung („PivA“) zum Erzieher begonnen, zuvor hat er dort ein Praktikum absolviert. Diese neue Ausbildungsform hat verglichen mit der „klassischen“ einige Vorteile und richtet sich ausdrücklich auch an Quereinsteiger wie ihn.

Münster – Statt Baustellen-Lärm umgibt ihn nun Kinderlachen und -geschrei, statt schwere Metallteile zu wuchten, schubst er jetzt Martha, Marie und Caro in der Schaukel an, die ihn anspornen: „Höher! Höher!“ Der Schaafheimer Möller ist glücklich über seine Entscheidung, seinen langjährigen Job als Metallbauer an den Nagel gehängt zu haben, um sich beruflich neu zu erfinden: als Erzieher.

Der Wunsch schlummerte schon eine ganze Weile in ihm, erzählt er, „ich habe früher jahrelang ehrenamtlich Kinder-Fußballtraining angeboten und immer gerne mit Kindern gearbeitet. Trotzdem hätte ich nie gedacht, dass ich diesen Schritt mal gehe.“ Mehrere Erzieherinnen in seinem Bekanntenkreis hätten ihn letztlich dazu ermutigt, sich zu trauen und es einfach mal zu probieren. Sein erlernter Beruf füllte ihn schon lange nicht mehr aus: „Immer Zeitarbeit, immer Schichtarbeit, dazu die schwere körperliche Arbeit und ein rauer Umgangston“, fasst er zusammen. Also kündigte er und begann zunächst, in einer Schaafheimer Kita zu hospitieren.

Auf die Stellenausschreibung zur „PivA“ in Münster wurde er ganz zufällig aufmerksam – und bekam die Zusage. Seit Anfang Juli absolvierte er in der Gemeinde-Kita „Im Rüssel“ ein Praktikum, Ausbildungsstart war nun der 1. August. „PivA“ ist für Möller ein Segen, denn die klassische, nicht bezahlte Ausbildung zum Erzieher hätte er sich schlichtweg nicht leisten können. Er steht mitten im Leben, hat laufende Kosten und eine fünfjährige Tochter. Bei der praxisintegrierten vergüteten Ausbildung, die nur drei statt vier Jahre dauert, wird von Anfang an ein Gehalt gezahlt. Drei Tage die Woche wird Pierre Möller fortan die Schulbank in der Berufsschule drücken, zwei Tage die Woche ist er vor Ort in der Kita. Ergänzt wird die Ausbildung durch weitere Praxistage, an denen er das Gelernte im Alltag umsetzen kann. Da die praktische Arbeit bereits in die Ausbildung integriert ist, müssen Absolventen kein Anerkennungsjahr mehr dranhängen. Am Ende der Ausbildung steht wie bei der klassischen Variante auch die Berufsbezeichnung „staatlich anerkannter Erzieher“ beziehungsweise „staatlich anerkannte Erzieherin“.

In Möllers Freundeskreis hat seine berufliche Kehrtwende natürlich für Überraschung gesorgt. Doch nach einem ersten, ungläubigen „Wow“ hätten viele ihn ermutigt: „Das ist doch genau das Richtige für dich.“ Dieses Gefühl hat er nach seinen ersten vier Wochen in der Münsterer Kita ebenfalls. „Ich fühle mich hier pudelwohl, die Wertschätzung untereinander ist sehr groß.“

Auch für die Kinder ist der stattliche, tätowierte Mann inmitten der meist weiblichen Erzieherinnen ein ungewohnter Anblick – wobei es „Im Rüssel“ bereits einen weiteren männlichen Kollegen gibt. Doch die Mädchen und Jungen wirken ihm gegenüber kein bisschen scheu. Ihr Pierre gehört für sie schon fest dazu. (lahe)

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