Radikaler Ausverkauf: Schreibwaren-Haus schließt nach 70 Jahren

Nach 70 Jahren schließt das Schreibwaren-Haus in Münster (Kreis Darmstadt-Dieburg). Es ist eines der letzten privaten Geschäfte – ein Nachfolger fehlt.
Münster – Das Schreibwaren-Haus in Münster schließt am Mitte März nach insgesamt knapp 70 Jahren. Lange hat Boris Niggeling, der das Geschäft selbst vor 23 Jahren von Hansel Haus übernommen hatte, einen Nachfolger gesucht, gefunden hat er ihn aber nicht. Damit schließt ein weiteres privat betriebenes Geschäft – eins der letzten in Münster. „Das ist extrem schade“, bedauert Niggeling. „Ich habe lange nach jemandem gesucht, weil so ein Geschäft eine wichtige Sache ist. Das hat aber leider nicht geklappt.“
Bitter ist das gerade für ältere Menschen, die nicht einfach so mal schnell zum Einkaufen in einen anderen Ort fahren können. Aber auch für Eltern von Schulkindern. „Ich habe immer wieder von den Leuten gehört, dass sie selbst ihre Sachen schon hier gekauft haben“, erzählt Niggeling. Denn über Generationen hinweg haben Familien im Geschäft an der Darmstädter Straße mit Hintereingang über die Friedhofstraße ihre Zeitschriften, Bücher, vor allem Schulsachen, aber auch Lotto-Scheine gekauft. Doch auch als Paketshop für GLS und DPD fällt das Geschäft weg, für die in Münster nur noch das Kiosk Berliner Eck bleibt.

Schreibwarenladen im Kreis Darmstadt-Dieburg schließt: Viele Menschen waren jahrelange Stammkunden
„Wir hatten hier einen sehr großen Kundenstamm“, sagt Niggeling und stellt klar: „Wir kapitulieren hier nicht vor dem Internet.“ Der Grund für die Schließung ist viel einfacher: „Ich gehe in den gewollten Ruhestand.“ Die Entscheidung hat er für sich schon länger gefasst. „Ich freue mich darauf, bedauere es aber auch etwas.“
Schließlich hat er seine Arbeit 23 Jahre lang gern gemacht und blickt sprichwörtlich mit einem lachenden und einem weinenden Auge zurück. „Zwar ist Schwermut dabei, aber eben auch die Freude auf den nächsten Lebensabschnitt.“ Und was wird Niggeling am meisten vermissen? „Ganz klar die Kommunikation. Der Austausch und die persönlichen Gespräche mit den Kunden werden mir fehlen.“ Schließlich kennt er die meisten Kunden schon seit vielen Jahren: „Sie sind mit mir älter geworden.“

Auch auf die Frage, auf was er sich in seinem Ruhestand freut, hat Niggeling gleich eine Antwort: „Dass ich ausschlafen kann“, sagt er lachend. Anschließend will er die neu gewonnene Zeit nutzen, um zu reisen. Gerade zu Beginn seiner Zeit hatte er lange Arbeitstage: 5.45 Uhr aufstehen, dann im Laden alles vorbereiten, um 7.30 Uhr öffnen, dann ein Arbeitstag bis 18 Uhr und um 18.15 Uhr ging’s heim – ein ganz normaler Zwölf-Stunden-Tag. Über die Jahre hat sich das dann aber gut reguliert. Durch die Anstellung seiner verlässlichen Mitarbeiterinnen hat sich schließlich ein Acht-Stunden-Tag eingependelt. „Ihnen bin ich auch wirklich dankbar.“ Auf der Straße landet aber niemand. „Sie haben schon was Neues gefunden“, sagt Niggeling.
Kleinstmengen waren kein Problem: Schreibwarenladen in Münster erfüllt auch Sonderwünsche
Ein großer Vorteil seines Geschäfts war, dass er die Ware auch in Kleinstmengen verkauft hat. „Wenn jemand nur zwei Umschläge wollte, hat er sie auch bekommen“, erzählt Niggeling. „Da musste man dann nicht gleich einen Pack mit 200 kaufen.“ Gleiches galt beispielsweise für Quittungsblöcke für Firmen und Vereine. „Sonderwünsche waren nie ein Problem.“ So hat er beispielsweise auch einzelne Bücher oder spezielles Briefpapier problemlos besorgt.
Wichtig waren für Münster auch Niggelings Kooperation vor allem mit den Schulen. So haben die Eltern zum Schulstart ihrer Kinder einfach eine Liste mit benötigten Sachen bekommen, mit denen sind sie ins Schreibwaren-Haus gegangen und Niggeling hatte alles da. Aber auch den Kirchengemeinden, Kindergärten und Altersheimen wird die Kooperation fehlen. „Sie haben alle ihre Bastelsachen hier gekauft.“

Schlussverkauf in Münster: Schreibwaren-Haus will „möglichst alle Sachen raushauen“
Nach der offiziellen Schließung am Samstag (19.03.2022) öffnet Niggeling das Schreibwaren-Haus noch einmal von Montag bis Mittwoch, (21. bis 23. März), jeweils von 14 bis 18 Uhr zum radikalen Ausverkauf, „um möglichst alle Sachen rauszuhauen“. Verkauft werden dann alle Waren, Saisonartikel und zum Teil auch die Möbel wie die Theke, die Lottowand oder der Etikettendrucker. „Wer da was haben will – gerne, das kann alles weg.“ Je nach Artikel gibt es dann Rabatte von 50 Prozent bis hin zu „Sie geben, was Sie wollen“.
Über seine finanzielle Absicherung muss sich Niggeling keine Gedanken machen. Das gesamte Grundstück, das ihm gehörte, hat er bereits verkauft. „Das ist quasi meine Rente.“ (Lars Herd)
Immer wieder müssen Geschäfte in Münster schließen, weil Nachfolger fehlen oder die Konkurrenz aus dem Onlinehandel zu groß wird. So auch der „Spielbetrieb“ in Münster im Kreis Darmstadt-Dieburg, der nach 20 Jahren aufgibt.