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Zehnjährige rockt den Saal bei der DJK-Fastnacht

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Von: Jens Dörr

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Das Publikum zeigte, wie die Aktiven nach zwei Jahren Corona-Pause in der DJK-Halle Comeback-Qualitäten.
Das Publikum zeigte, wie die Aktiven nach zwei Jahren Corona-Pause in der DJK-Halle Comeback-Qualitäten. © Dörr, Jens

Zwei Jahre ohne Fastnacht, erst recht ohne Sitzungen in der Sporthalle der DJK Blau-Weiß: In Zeiten, da Corona selbst in der Narrenhochburg Dieburg Spuren hinterlassen hat („nur“ noch 99 statt 111 Nummern beim großen Umzug) und die FSV Münster mit ihrer jecken Show zumindest 2023 noch pausiert, durfte man in der Gersprenz-Gemeinde gespannt sein, wie das Helau im größten und närrischsten Verein zurückkehren würde. Die Antwort gab und gibt die DJK diesmal zwar ihrerseits „nur“ in drei statt sonst vier Sitzungen; dies tat sie an den beiden vergangenen Samstagen aber fulminant und wird es gewiss auch in der letzten, ebenfalls schon ausverkauften, Sitzung am 11. Februar tun.

Münster – Unter anderem einer Zehnjährigen gehören in dieser Kampagne die Ovationen. Emmy Bermond schlüpft auf der DJK-Bühne auf eine Weise in ihre Rolle des aufmüpfigen Töchterchens, wie es selbst talentierter Rednernachwuchs in diesem Alter selten vermag. Mit markanter Gestik und Mimik, dazu sprachlichem Ausdruck und Pointen auf den Punkt, stiehlt sie selbst ihrem Bühnen-Papa um ein Haar die Show. Was umso bemerkenswerter ist, wenn man weiß, dass es sich um Matthias Matheis handelt. Der musiziert nicht nur bei den Hinnergassebuwe (und mäht übers Jahr regelmäßig den Rasen auf dem Vereinsgelände), sondern ist mit seinem derben „Minsderer“ Platt auch als Redner Kult. Als sich die Lilien-Anhängerin und der Eintracht-Fan ihre Wortgefechte geliefert und am Ende gar ein cooles Tänzchen hingelegt haben, sind die Zuschauer längst aus dem Häuschen.

Überhaupt, das Publikum: Das zeigt in Münster Comeback-Qualitäten und ist, wie man es von ihm aus der Zeit bis 2020 kennt, von Minute eins präsent. Mitunter müssen die Elferrats-Präsidenten Rainer Roßkopf und Jörn Müller gar nicht groß animieren, damit die nächste Gesangs- oder Schunkelrunde ihren Lauf nimmt. Müller ist in dieser Funktion recht kurzfristig für Michael Bonifer eingesprungen, der wegen eines Unfalls passen muss. Nicht nur das verulkt Müller kurz, sondern in seiner bewährten Rolle als Protokoller auch den Münsterer Bürgermeister (und früheren DJK-Sitzungspräsidenten) Joachim Schledt. „Große Politik, Leitlinien, die große Geige? Fehlanzeige!“, konstatiert er seinen Eindruck, dass der noch recht neue Rathaus-Chef in „Minsder“ bislang eher für Trippelschritte statt große Würfe stehe. Oder als Paarreim formuliert: „Die Gersprenz ist das Einzige, was in Münster noch ansteigend ist – aber nur, weil der Biber alles zusammenfrisst!“

Unter den Rednern, die die klassische Bütt dann nicht mehr nutzen, geht Johannes Huther seine Beobachtungen zu Freiheit und merkwürdigem Gedankengut mancher Zeitgenossen zunächst fast philosophisch an. Das sind erste Minuten ohne Schenkelklopfer, aber mit feinen Beobachtungen und spitzen Zwischentönen – gewagt in einem Saal mit mehr als 400 Fastnachtsverrückten. Aber ein Wagnis, das aufgeht, nicht nur weil Huther seine Erzählung später dann doch in Richtung der bewährten Mann-Frau-Thematik dreht.

Den Geschlechtern widmet sich im zweiten Abschnitt auch Paul Jelinek und verdeutlicht, dass die Unterschiede theoretisch zwar bekannt sein müssten, aber noch immer reichlich Raum für Unklarheiten lassen. Matthias Wolf, seit Kurzem einer der neuen Vereinsvorsitzenden, gibt zum Abschluss des Rednerreigens im Zwiegespräch mit Thomas Mack den Animateur. Es ist im Grunde jene Berufsgruppe, die die – mit auffällig vielen jungen Gästen besetzte – Halle ob ihres sichtlichen Spaßes an der Fastnachtsfreude am wenigsten nötig hat.

Dass die Blau-Weißen die zweijährige Zwangspause fast unbeschadet gemeistert haben, demonstrieren die gleich sieben Tanzgruppen: Die Juniorgarde (Trainerinnen: Jenny Tetzlaff und Sabrina Kreher) wirbelt die Beine in klassischen Gardetanz-Elementen, auch die Präsidentengarde (Anja Wolf und Kristin Seib) wählt diesen Stil. Das Kinderballett entführt nach Hawaii und baut in seine Aufführung manche Requisite ein. Ohne Zugabe kommen die Jüngsten wie alle anderen Gruppen des Abends nicht von der Bühne.

Die strammen Herren des von Meike Oestreicher angeleiteten Männerballetts provozieren unter „Top Gun“-Thematik tatsächlich manchen Zuschauerinnen-Schrei und enden in der Abschlusspose im Konfettiregen. Pan i Pani (Susanne Heckwolf) performen als „Die Schöne und das Biest“, wobei die Biester in ihrer warmen Vollkörper-Verkleidung hernach sicher eine Extra-Erfrischung nötig haben. Techtelmechtel (Nadine Ries) sind als „Space Girls“ direkt aus dem All auf die DJK-Bühne geschwebt.

Auch der akrobatische Auftritt von „Enorm in Form“ (Lukas Grießmann und Sabrina Kreher) zeigt am späten Abend, dass die Münsterer Fastnacht in der Corona-Zeit zumindest bei der DJK Blau-Weiß nicht eingerostet ist. Was ebenso für den Musikverein (Stimmung zum Einmarsch), die Hinnergassebuwe, die Percussion-Gruppe Beklobbde und die Siebenschläfer gilt. Die Hinnergassebuwe senden gar einen stimmungsvollen Äla-Gruß in die südliche Nachbarstadt und das Publikum schließlich in die Pause. Direkt danach trommeln die Beklobbde, nun ja, eben wie bekloppt, freilich immer kreativ und rhythmisch.

Die Siebenschläfer, nach drei Jahrzehnten eine echte Institution, leiten wiederum das große Finale ein. Ihre als Partyschlager getarnte Frage „Wo war ich in der Nacht von Freitag auf Montag?“ konnten Anfang der Woche hoffentlich auch alle beantworten, die nach der fünfstündigen Sause in der DJK-Heimstatt noch weiterfeierten. Schließlich will der ein oder andere spätestens an Altweiberfastnacht zurückkehren:

Infos

Altweiberfastnacht, Donnerstag, 16. Februar, Beginn 19.33 Uhr, Eintritt 6 Euro, Einlass ab 18 Jahren, Halle an der Heinrich-Heine-Straße. Party mit dem DJ-Team Wicked Wilz, Tanzgruppen aus der Region und fast permanenter Happy Hour. Das schöne Motto, für das der Münsterer Verein mit seinen närrischen Veranstaltungen auch im Jahr nach seinem 100. Geburtstag die Plattform bietet: #fastnachtverbindet

Das Kinderballett entführte die Besucher in der DJK-Halle nach Hawaii.
Das Kinderballett entführte die Besucher in der DJK-Halle nach Hawaii. © Dörr, Jens
Cool und komisch: die zehnjährige Emmy Bermond und ihr Bühnen-Papa Matthias Matheis.
Cool und komisch: die zehnjährige Emmy Bermond und ihr Bühnen-Papa Matthias Matheis. © Dörr
Unverändert Stimmungsgaranten: Die Hinnergassebuwe schickten einen Äla-Gruß in die Nachbarstadt Dieburg.
Unverändert Stimmungsgaranten: Die Hinnergassebuwe schickten einen Äla-Gruß in die Nachbarstadt Dieburg. © Dörr, Jens
Protokoller Jörn Müller schonte auch Bürgermeister und Ex-Sitzungspräsident Joachim Schledt nicht.
Protokoller Jörn Müller schonte auch Bürgermeister und Ex-Sitzungspräsident Joachim Schledt nicht. © Dörr, Jens

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