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Vom Abriss und Neubeginn: Gemeinde baut sich eine Zukunft

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Von: Barbara Hoven

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Dieser Ort wird sich verändern: Die neue Kirche soll den 32 Meter hohen Turm „umarmen“. Anstelle der Gemeinderäume (links) werden Wohngebäude mit einer Kita im Erdgeschoss entstehen. -  Foto: Postl
Dieser Ort wird sich verändern: Die neue Kirche soll den 32 Meter hohen Turm „umarmen“. Anstelle der Gemeinderäume (links) werden Wohngebäude mit einer Kita im Erdgeschoss entstehen. © Postl

Gravenbruch - Der Ortskern von Gravenbruch hat sich mit dem Tengelmann-Abriss und vor der katholischen Kirche St. Christoph bereits beträchtlich verändert: Der Kirchturm ist weg, an seiner Stelle wächst derzeit ein Wohngebäude.

Eine ähnliche Zäsur steht bekanntlich auch der evangelischen Kirchengemeinde bevor, genau auf der anderen Seite des Dreiherrnsteinplatzes. Nun hat die evangelische Gemeinde dem Ortsbeirat die Pläne für die angedachten Veränderungen und ein Modell des Neubau-Projekts vorgestellt. Grundsätzlich, so betont Pfarrerin Barbara Friedrich gleich zu Beginn, stehe alles, was im Folgenden präsentiert werde, unter der Überschrift: „Es ist noch nichts fest, noch nichts unterschrieben.“ Trotzdem habe der Kirchenvorstand den Eindruck gehabt, es sei an der Zeit, die derzeitigen Planungen einmal vorzustellen. „Denn das macht ja etwas mit einem Ort, wenn so ein großes Grundstück sich so sehr verändert“, hat die Pfarrerin beobachtet – die Gerüchteküche brodele. Deshalb betont sie vorneweg: „Weder reißen wir den Glockenturm ab, noch bauen wir eine Moschee oder Synagoge, wir bauen tatsächlich eine neue, kleinere Kirche.“

Worum es im Kern geht, darüber hatte Friedrich schon in einer Gemeindeversammlung im September informiert: Um ihre finanzielle Situation zu verbessern und so die Zukunft der mittlerweile nur noch um die 1000 Mitglieder zählenden Gemeinde sichern und gestalten zu können, plant die Gemeinde den Verkauf eines großen Teils ihres Grundstücks. Der komplette Gebäudebestand aus maroder Kirche (deren Dach kaputt und in deren Baukörper viel Feuchtigkeit Spuren hinterlassen hat), Gemeinderäumen, leer stehendem Pfarrhaus und Kita soll zurückgebaut, also abgerissen werden.

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Die evangelische Kirche soll abgerissen und durch ein kleineres Gotteshaus ersetzt werden. Einige Dinge wie die Orgel, das Holzkreuz und diese schönen Fenster werden erhalten und sollen in der neuen Kirche ihren Platz finden.

Diese im ersten Moment ziemlich düstere Nachricht birgt aber auch die Botschaft von einem durchaus bemerkenswerten Schritt zu einem Neubeginn: Vorne, neben dem Glockenturm, wird eine neue, kleinere Kirche gebaut. Erst wenn diese fertig ist, kommt der Abriss der alten. Eine Entscheidung, die man sich nicht leicht gemacht hat; viele Jahre lang wurde ein guter Weg gesucht und sich an Möglichkeiten herangetastet, die Gemeinde zukunftssicher zu machen. Für dieses Anliegen und auch den Wunsch, der Gesellschaft etwas zurückzugeben, habe man mit dem Projektentwickler Bonava „einen idealen Partner gefunden“, sagt die Pfarrerin. Denn das Ganze habe ja auch einen sozialen Aspekt: „Überall fehlt Wohnraum, aber wir sitzen hier auf einem Riesengrundstück.“

Deshalb zieht sich die Gemeinde mit Kirche und Gemeinderäumen auf einen deutlich kleinen Grundstückteil zurück. Der Rest des Areals wird an Bonava verkauft beziehungsweise teils im Erbbaurecht vergeben und soll eben Platz bieten für neuen Wohnraum.

Das neue Kirchengebäude, das hell, aber auch mit vertrauten Elementen gestaltet werden soll, rückt direkt an den bestehenden, 32 Meter hohen Glockenturm an der Straße heran und wird diesen von drei Seiten umschließen. Die Orgel wird mitgenommen und findet ihren Platz auf einer Empore, auch sieben der zehn kunstvollen Fenster der alten Kirche sind im Neubau bereits fest eingeplant; für die übrigen drei soll auch noch ein Ort gefunden werden. Und auch die beiden Türen sollen einen neuen Platz finden. Ein ganz wichtiger Aspekt ist auch das Thema Kindergarten: Dieser laufe zwar bestens und sei „von einem guten Geist beseelt“, entspreche jedoch baulich nicht mehr ganz den heutigen Anforderungen, erklärt Friedrich. Zudem sei er mit seinen zwei Gruppen auch einfach zu klein geworden für den Bedarf im Stadtteil. Es sollen in einem geplanten Neubau deshalb drei werden – mit Platz für je 25, also insgesamt 75 Kinder.

Wie all diese Anforderungen erreicht werden könnten, darüber haben sich die Fachleute viele Gedanken gemacht und sich einiges einfallen lassen.

Bonava-Projektbetreuerin Antje Turban skizziert den derzeitigen Planungsstand, bis zu diesem habe es viele, durchaus auch kontroverse Diskussionen gegeben. Aber mittlerweile sehen sich alle Beteiligten auf einem guten Weg, die Bauvoranfrage läuft. Neben der neuen Kirche – und ebenfalls auf dem Kirchenteil des Grundstücks – soll in einem nächsten neuen Gebäude die dreigruppige Kita im Erdgeschoss ihren Platz finden. Das eher Ungewöhnliche daran: Darüber, in den oberen Stockwerken desselben Hauses also, sollen 24 „bezahlbare“ und dem heutigen Bedarf entsprechend durchaus auch kleinere Wohnungen entstehen. Und, wichtig: Erst wenn der erste Bereich mit Kita und neuer Kirche gebaut und bezogen ist, würde der Abriss der alten Gebäude folgen.

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Dieses Foto von den Fenstern, bei denen jedes Motiv die Schöpfungsgeschichte transzendiert, stammt aus einer Mappe mit Aufnahmen des verstorbenen Neu-Isenburger Fotografen Karl Boese.

Auf 4086 Quadratmetern dann frei werdendem Grundstück plant dann Bonava in einem nächsten Schritt den Bau von 58 weiteren Wohneinheiten. Und wo sollen all die Bewohner parken? Auch dieses im Stadtteil ohnehin heikle Thema kommt natürlich im Ortsbeirat zur Sprache: Unter dem Areal entsteht eine Tiefgarage mit 124 Stellplätzen. Die evangelische Kirchengemeinde würde die Kita gerne weiterhin betreiben. Wer jedoch die baulichen Kosten für den Kita-Neubau tragen soll – also ob und in welchen Anteilen die Stadt und/oder die Gemeinde dafür zahlen – ist freilich noch offen. Die Verhandlungen laufen.

„Wir begrüßen das Gesamtkonzept sehr“, kommentiert Bürgermeister Herbert Hunkel die Gesamtplanung. Was die Kita betreffe, gehe es noch um Finanzierungs- und Rechtsfragen. Außerdem müsse diesbezüglich ein Grundsatzkonzept erarbeitet und dem Stadtparlament vorgelegt werden. Die Stadt sei aber interessiert an einer einvernehmlichen Lösung. Einigung mit allen beteiligten Parteien vorausgesetzt, wäre der Start des ersten Bauabschnitts für Sommer 2019 angedacht. Damit die Gravenbrucher sich von ihrer Kirche verabschieden und sich von deren Zustand überzeugen können, der eine Sanierung unbezahlbar machte, ist diese nun die Woche über offen. (hov / lfp)

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