Alter Ort in Neu-Isenburg bleibt in der Diskussion

Nächste Schritte auf dem langen Weg zur komplizierten Entscheidung, wie der Alte Ort in Neu-Isenburg in Zukunft aussehen sollen: Das Stadtparlament hat mehrheitlich beschlossen, dass der Magistrat sich bei der vertiefenden Prüfung der künftigen Gestaltung des Marktplatzes nur noch auf einen Entwurf konzentrieren soll – und zwar den von den Bürgern in der Umfrage favorisierten des Planungsbüros Freischlad und Holz.
Neu-Isenburg - Der Vorschlag sieht bekanntlich ein Wasserspiel auf dem Platz vor, das die Historie des Alten Rathauses aufgreift, das einst dort stand (mehr zum Beschluss: siehe Infobox).
Ein Prüfauftrag für einen Vorschlag also, nicht weniger und nicht mehr. Keine Mehrheit fand sich für den FDP-Vorschlag, zwei Entwürfe vertiefend zu prüfen – und zwar den besagten sowie den von Werner A. Stahl, der ein Stumpfmodell des Alten Rathauses vorsieht.
Diese neue Beschlusslage ist auch eines von vielen Themen, als zwei Abende später die Arbeitsgruppe Alter Ort tagt. Ein Treffen, zu dem die Stadt Anwohner und alle interessierten Bürger eingeladen hat, um sie auf den neuesten Stand zu bringen.
Denn in Sachen Stadtumbau soll – genauer gesagt: muss – es nun zügig vorangehen, um nicht Gefahr zu laufen, Fördergelder zu verlieren. Neben einem vorgegebenen Zeitraum der „Aktivierung“ des Vorhabens ist aber eben auch eine Bürgerbeteiligung Teil der Auflagen.
Vorgestellt werden unter anderem der neue Gestaltungsleitfaden und das Innenstadt-Anreizprogramm (wir haben berichtet). Besonders im Fokus steht aber ein weiteres Mal die Frage nach Verkehrsplanung – auch nach einer Reduzierung des Durchgangsverkehrs – und nach Parkplätzen.
Bereits 2019 hatte die Stadt eine Verkehrsuntersuchung im Alten Ort aufs Gleis gesetzt, erste Ergebnisse dann 2020 in einem Workshop vorgestellt. Es kristallisierte sich heraus, dass es noch eine dezidierte Untersuchung zur Verkehrsführung als auch einer Parkraumbewirtschaftung geben sollte. Nun werden Ergebnisse präsentiert. „Wir haben zehn Varianten einer möglichen Verkehrsführung, doch viele widersprechen sich“, stellt Ulrich Eckerth-Beege, Projektleiter der ProjektStadt, fest. Wenn man etwa mehr Bäume wolle, dann würden diese oft als verkehrshinderlich angesehen – und zwar auch von Radfahrern oder Nutzern von Rollator oder Kinderwagen.
„In der Pfarrgasse wird zu schnell gefahren, hier könnte eine Änderung der Parkordnung von derzeit linear auf einer Straßenseite zu einer versetzten Parkordnung auf beiden Seiten den Verkehr ausbremsen – doch das kostet Stellflächen“, nennt der Fachmann Vor- und Nachteile.
Aus der Bürgerschaft kommen Beschwerden, dass die Radfahrer das größere Problem seien, weil sie oft nicht auf der Straße, sondern auf dem für Fußgänger vorgesehen Randstreifen entlang der Häuser fahren. „Das ist doch ganz logisch, denn auf dem holprigen Pflaster kann man weder mit dem Fahrrad noch mit einem Rollator fahren“, wird in der Debatte eine Grund dafür benannt.
Einig war man sich, dass eine künftigen Bepflasterung eine möglichst „ebene“ Oberfläche haben sollte.
Was die möglichen Stellflächen betrifft, sieht Stadtplaner Hendrik Ilken vom Büro Habermehl & Follmann keinen akuten Handlungsbedarf. „Wenn alle theoretisch zur Verfügung stehenden Flächen genutzt würden, hätten alle einen Abstellplatz“, verweist er auf große Innenhöfe und Garagen, die nicht zweckgemäß genutzt würden. Das jedoch wirft natürlich Fragen auf – wann nämlich ist ein Parkplatz ein Parkplatz? Kann ein Bewohner gezwungen werden, sein Grundstück zum Parken zu nutzen? Oder wäre es gar vertretbar, einem Bewohner mit einer Parkmöglichkeit im Hof den Anwohnerparkausweis zu verwehren? Cornelia Marburger, Leiterin des Ordnungsamts, erläutert, dass man sich aus Gründen der Gleichbehandlung bisher bewusst dafür entschieden habe, jedem ordnungsgemäß im Alten Ort gemeldeten Bürger einen Ausweis auszustellen, sofern er die 60 Euro pro Jahr zu bezahlen bereit sei.
Im öffentlichen Straßenraum des Alten Ortes gibt es derzeit rund 120 Stellplätze, weitere 285 wären auf privaten Grundstücken möglich – macht in Summe 405. Der Parkraumbedarf läge gemäß einer statistischen Grundlage von 600 Kfz für 1000 Einwohnern bei 395 Plätzen. Hier verwiesen die Anwohner auf viele „Fremdparker“ und forderten eine bessere Kontrolle durch das Ordnungsamt.
Diskussionen gibt es auch um die Gestaltung des zentralen Platzes, insbesondere die Barrierefreiheit wird eingefordert. Diese ist aber Grundlage der Förderung – und somit ohne festgelegt.
Weitere Kritik gibt es über die „ausbordende“ Gastronomie auf dem Platz. „Bei schönem Wetter ist der halbe Platz belegt, die eine Bank ist vollkommen in die Bewirtschaftung integriert und mit dem Rad oder Kinderwagen kommt man nicht mal mehr über den Platz“, so eine Anwohnerin. Cornelia Marburger bestätigt eine Sondernutzungsgenehmigung, allerdings will sie künftig die „Grenzen“ besser überprüfen lassen. Bürgermeister Gene Hagelstein freut sich über die Belebung des Alten Ortes und plädierte für ein vernünftiges „Sowohl-als-auch“.
Bei der Umgestaltung der Straßen spricht Eckerth-Beege auf einen bisher nicht sonderlich beachteten Aspekt an: „Wie tief gehen wir?“, fragt er und verweist darauf, dass bei einem nur oberflächlich erneuerten Untergrund sich bald Verwerfungen einstellen könnten. „Fachleute empfehlen einen neuen Straßenunterbau von 80 Zentimetern. Und wenn wir schon so tief gehen, was machen wir dann mit den Hausanschlüssen?“, bringt er einen weiteren Aspekt ins Spiel. „Wenn wir etwas machen, dann lassen Sie es uns richtig machen – nicht, dass wir nach vier oder fünf Jahren wieder anfangen, hier und dort aufbuddeln zu müssen“, so der Bürgermeister in seinem Schlusswort. Dies zieht jedoch besorgte Minen – wohl ob der möglichen Kosten für die Hauseigentümer – nach sich.
Abschließend bittet Werner A. Stahl noch um das Wort – „nicht nur als Anwohner, sondern auch als Vorsitzender des Vereins Pour l’Yseboursch“, betont er mit Blick auf die Entscheidung des Parlaments, sich auf nur einen Entwurf zur Marktgestaltung zu konzentrieren. „Ich habe mich jetzt 27 Jahre dafür eingesetzt, dass die Anfänge unserer Stadt auch künftig erhalten bleiben. Viele Schulklassen habe ich auf dem Marktplatz die Geschichte erklärt und nichts ist nachhaltiger, als wenn man etwas augenscheinlich präsentieren kann.“ Die Sitzung des Stadtparlaments habe er als Besucher miterlebt. „Für mich war es beschämend mitzuverfolgen, wie wenig Interesse man an unserer Stadtgründung und Geschichte hat“, findet Stahl.
Der Beschluss der Stadtverordneten
Mit deutlicher Mehrheit hat das Parlament nun beschlossen, was die Koalition aus CDU, Grünen und FWG per Änderungsantrag angeregt hatte: Der Magistrat wird beauftragt, den Vorschlag des Büros Freischlad und Holz mit den Wasserspielen „vertieft zu prüfen, insbesondere hinsichtlich der Verträglichkeit mit den Anwohnern sowie der anliegenden Außengastronomie, der technischen Realisierbarkeit und einer möglichen Reduktion der Kosten“. Parallel dazu soll auch „die weitere Planung der Gesamtmaßnahme Alter Ort vorangetrieben werden“, heißt es weiter. In diesem Zusammenhang soll der historische Stadtrundgang technisch modernisiert über Augmented Reality digital verfügbar gemacht werden. hov
Eine Äußerung, die Stadtverordnetenvorsteherin Christine Wagner so nicht stehen lassen will. „Auch andere Vorschläge wurden nicht berücksichtigt und die Wortwahl ‘Beschämend’ weise ich im Namen der Stadtverordnetenversammlung als höchst unangemessen zurück“, so Wagner. lfp
