Haftstrafe für Drogenabhängigen aus Neu-Isenburg

Ein Leben unter ständigem Drogeneinfluss führt der Mann, den das Schöffengericht wegen Betäubungsmittelbesitzes zu 15 Monaten Haft ohne Bewährung verurteilte. Damit kassierte der Mann seinen 27. Eintrag im Bundeszentralregister, der aber noch nie wegen eines Gewaltdelikts vor Gericht saß.
Neu-Isenburg – Staatsanwältin Sylvia Erdelt trägt vor, dass der 37-Jährige innerhalb von fünf Wochen zwei Mal in eine Polizeikontrolle geriet. Am 7. Februar des Jahres stellte die Polizei ihren bekannten Kunden in Neu-Isenburg auf der Frankfurter Straße. Erdelt spricht von knapp 30 Gramm Amphetamin und einer geringen Mengen Cannabis. Außerdem soll der Angeklagte zwei Wurfsterne bei sich geführt haben. Deshalb klagt die Staatsanwältin den strafverschärfenden bewaffneten Drogenhandel an. Das kann für einen Angeklagten übel ausgehen. Denn wenn es sich außerdem um eine nicht geringe Drogenmenge handelt, führt das zu einer Mindeststrafe von fünf Jahren Knast. Bei der anschließenden Durchsuchung der Wohnung fand die Polizei noch ein Messer, einen Schlagstock und einen Baseballschläger.
Auf die Frage von Richter Manfred Beck an Rechtsanwalt Fatih Kantekin, wie er gedenke, sich heute einzulassen, antwortet der Verteidiger, „heute ist es wie immer, ich werde zuerst was sagen“.
Der Verteidiger erklärt, um den Rabatt zu nutzen, kaufe sich sein von Hartz IV lebender Mandant einmal im Monat einen Vorrat an Amphetamin. Der Angeklagte führt aus, ein Gramm koste zehn Euro, für 30 Gramm am Stück müsse er nur 150 Euro bezahlen. Der Anwalt betont zudem, der Angeklagte habe keine portionierten Päckchen bei sich geführt, nur eine Tüte, in der alles drin gelegen habe. Die Drogen waren außerdem von miserabler Qualität, der Wirkstoff klar innerhalb der Gewichtsspanne, die als gering gilt.
Kantekin kommt auch auf die vermeintlichen Wurfsterne zu sprechen, die um den Hals des Angeklagten gehangen haben sollen, „das sind keine Wurfsterne, sondern Messer“. Der 37-Jährige habe keine Zähne mehr, sondern trage eine Prothese, „wenn er was essen will, muss er kleine Stücke schneiden“.
Die bis dahin 26 Eintragungen im Bundeszentralregister firmieren im Jargon von Verteidigern unter „Kleinigkeiten“: Diebstahl, Betäubungsmittelbesitz und immer wieder Schwarzfahren. Der „Computerbetrug“ sticht heraus. „Da hatten Sie sich mit einer fremden EC-Karte am Geldautomaten bedient“, kommentiert Beck, was der Angeklagte bestätigt. Die Karte habe er damals gefunden, „die Pin hatte drauf gestanden“.
Dr. Thomas Holzmann, der psychiatrische Gutachter, hält die Unterbringung in einer geschlossenen Entziehungsanstalt nicht für nötig, „er hat zwar einen starken Hang zum Drogenkonsum, ist aber niemand, der andere durch Gewalt gefährdet“. Holzmann erzählt von seiner Untersuchung. Mit zehn Jahren habe der Angeklagte das erste Mal einen Joint geraucht und sei daraufhin lustig geworden, worauf die Mutter zuschlug. Der Angeklagte wirft ein, „das vergesse ich nie“. Der Bub lebte schon vor seiner Einschulung in einem Kinderheim.
Staatsanwältin Erdelt folgt Holzmann, hält aber generell eine Therapie für notwendig, „sonst geht es nach der Haft mit den Straftaten weiter“. Die Anklägerin fordert 18 Monate Gefängnis. Der Vorwurf des bewaffneten Drogenhandels habe sich in der Hauptverhandlung nicht bestätigt.
Wegen der vielen Vorstrafen kommt eine Bewährung nicht in Frage. Verteidiger Kantekin hält ein Jahr Haft für ausreichend. Sein Mandant wünsche sich eine Therapie, „er weiß, so kann es nicht weitergehen“.
Richter Beck und die beiden Schöffinnen fällen ein Urteil von 15 Monaten Gefängnis. Der Vorsitzende betont, „wenn Sie in der JVA eine Therapie beantragen, kann die Reststrafe nach einem erfolgreichen Abschluss aufgehoben werden“. Das Urteil ist rechtsgültig.
Von Stefan Mangold