1. Startseite
  2. Region
  3. Neu-Isenburg

„Einfach mal eine Trennwand rein“: Feuerwehrmann entwickelt System gegen Überschwemmung

Erstellt:

Kommentare

Das Hochwasserschutz-System von Aquariwa beim Test in Neu-Isenburg.
Das Hochwasserschutz-System von Aquariwa beim Test in Neu-Isenburg. (Archivfoto) © Leo Postl

Eine Firma aus dem Kreis Offenbach hat ein System zum Schutz vor Hochwasser entwickelt. Dieses ist im Waldschwimmbad Neu-Isenburg bei einer Übung getestet geworden.

Neu-Isenburg – Jochen Wagner öffnet die Tür seines Kleintransporters und zieht eine rosafarbene Kunststoffplatte heraus. „Macht die schon mal fertig“, sagt der Aquariwa-Geschäftsführer und gibt die Platte weiter an seinen Sohn Jan und Reinhard Ries. Ruckzuck formen die Männer aus der Platte einen stabilen Zylinder, eine Art Tonne, mit einem Durchmesser von 120 Zentimetern.

„Wenn man das einmal gemacht hat, dann geht es immer so schnell“, erklärt Wagner die einfache Handhabung des Verschlusssystems. Nach und nach stehen mehrere dieser Zylinder am Beckenrand im Waldschwimmbad. „So, jetzt machen wir da einfach mal eine Trennwand rein“, erklärt Reinhard Ries, der Erfinder des Aquariwa-Systems.

Hochwasserschutz: Ein Wall aus Zylindern gegen Überflutung

Dessen Aufbau ist aufwendiger erklärt als getan: Die vier Meter langen und 1,20 Meter hohen Platten werden innerhalb von Minuten zu Zylindern gerollt und mit Riegeln fixiert. Werkzeug ist dafür nicht nötig. Die so geschaffenen Tonnen werden dicht an dicht aneinandergereiht und mit Wasser befüllt, um eine Mauer etwa gegen Hochwasser zu bilden. „Um auch alles hundertprozentig wasserdicht zu haben, legen wir noch die Plane davor“, erklärt Wagner. Dann heißt es bei der Vorstellung des Systems im Freibad auch schon: „Wasser marsch!“

Der abgetrennte Bereich des Beckens läuft nun mit Wasser voll – und kaum ein Tröpfchen dringt durch die Barriere auf die andere Seite. „Die größte Herausforderung war es, den Zylinder selbst wasserdicht zu bekommen“, erklärt Ries. „Ein am unteren Zylinderrand verklebtes Netz sorgt für die Bodenstabilität und durch den Druck des Wassers auf den Zylinderboden wird der Reibungswiderstand so groß, dass ein Verrutschen nicht mehr möglich ist. Da kann sogar ein Auto dagegen fahren“, verweist Ries auf Versuche.

Vom Planschbecken zur Hochwasserschutzeinrichtung: Die Entstehung des Aquariwa-Systems

Bis zu einem Meter hohen Wasserstand halte die so geschaffene Barriere aus. Füllen kann man die Tonnen theoretisch nicht nur mit Wasser, sondern mit allem, das schwer genug ist, etwa Sand oder Kies. Nehme man Sand, dann könne man sogar noch eine weitere Reihe draufsetzen – „und alles bleibt dennoch stabil“, erklärt Ries, der vor seinem Ruhestand Leiter der Frankfurter Berufsfeuerwehr war.

„Wenn man es genau nimmt, hat mein Vater dieses Prinzip erfunden“, erzählt er. „Ich hatte während meiner Berufsfeuerwehrzeit schon länger nach einer mobilen und wiederverwendbaren Hochwasserschutzeinrichtung gesucht, aber ideal war alles nicht“, verweist er auf andere Systeme – von Wasserschläuchen bis Barrieren aus Sandsäcken. „Dann stand mein Vater vor unseren Kinderschwimmbecken im Garten und sagt: Das ist es“, schildert Ries die spontane Eingebung im osthessischen Schenklengsfeld.

Aquariwa: „Schneller und einfacher“ Schutz vor Hochwasser

„Ein kreisförmiger Behälter stabilisiert sich selbst“, erklärt Ries. Die ersten Konstruktionen bestanden aus schräggestellten GFK-Platten mit Streben und Stützen aus demselben Material. Um ein möglichst platzsparendes – und einfach zu transportierendes – System zu haben, wurde Verschiedenes ausprobiert. „Am Ende sind wir bei solchen Platten gelandet, die schnell und einfach, und vor allem ohne zusätzliches Werkzeug, zusammenzubauen sind.“ Denn aus seiner langjährigen Einsatzerfahrung bei verschiedenen Gefahrenlagen weiß der ehemalige Berufsfeuerwehrmann, dass die Suche nach passendem Handwerkszeug fatal sein kann.

Mittlerweile sind aufgrund der Erfahrungen in den praktischen Einsätzen weitere Verbesserungen ins System eingeflossen. „Es sind Kleinigkeiten, aber diese sind ungemein hilfreich“, verweist Ries zum Beispiel auf eine abgerundete Ecke der Platten. „So weiß man auch in der Dunkelheit, was oben ist, da muss man nicht lange suchen“, erklärt der Praktiker.

Flexibles Baukastensystem: Hochwasserschutz wird immer weiter optimiert

Da der Erfinder als verbeamteter Feuerwehrmann jegliche Vorteilsnahme beim Verkauf ausschließen wollte, fand er in Jochen Wagner einen Vertriebspartner. „Das hat von Anfang an gleich perfekt gepasst – und ich war dabei“, schildert Wagner die Partnerschaft. 2011 wurde so die Aquariwa GmbH mit Sitz in Zeppelinheim gegründet und mit Eintritt von Rainer Leicht und Jochen Wagner wurden die Erfahrungen aus diversen Tests und den realen Einsätzen in Frankfurt am Main und in Frankfurt/Oder umgesetzt, um das System weiter zu optimieren.

Von Zeppelinheim aus wird jetzt der Vertrieb gemanagt, das Lager befindet sich in Erlensee. „Das System ist so flexibel, dass auch unebene Untergründe, ja sogar Geländeübergänge und Treppenstufen kein Problem für unser System darstellen“, erklärt Ries. Ein großer Vorteil ist auch der einfache Transport: „In diesen Transporter passen fast 200 Meter unseres Systems – und zehn Leute können das in zwei Stunde aufbauen“, betont Wagner.

Mittlerweile hat das Aquariwa-System auch andere Nutzer gefunden: Veranstalter von Festen beispielsweise nutzen es als Schutz gegen einfahrende Fahrzeuge – anstelle von Betonblöcken. (Leo Postl)

Auch interessant

Kommentare

Liebe Leserinnen und Leser,
wir bitten um Verständnis, dass es im Unterschied zu vielen anderen Artikeln auf unserem Portal unter diesem Artikel keine Kommentarfunktion gibt. Bei einzelnen Themen behält sich die Redaktion vor, die Kommentarmöglichkeiten einzuschränken.
Die Redaktion