Im Isenburg-Zentrum teure Parfüms geklaut: Haftstrafen

Einmal fast drei Jahre Knast, einmal zehn Monate ohne Bewährung kassierten zwei Männer vor dem Schöffengericht in Offenbach. Sie gingen der Polizei nach Diebstählen im Isenburg-Zentrum in Neu-Isenburg ins Netz. Anschaulich beschrieben beide die Tristesse ihrer Crack-Sucht.
Neu-Isenburg/Offenbach – Staatsanwältin Anke Grumann wirft dem Angeklagten H. zehn Fälle von gewerbsmäßigem Diebstahl vor. Der 42-Jährige hatte sich auf teure Parfümflaschen spezialisiert, die er in Offenbacher und Neu-Isenburger Geschäften klaute. Bei seiner letzten Tat griff er im Isenburg-Zentrum in der Filiale einer Drogeriemarktkette zu – und erbeutete Parfüm im Wert von 1013 Euro.
In dem Fall kommt der Angeklagte S. ins Spiel. Der 32-Jährige soll bei gemeinschaftlichem Diebstahl mit H. in derselben Filiale Schmuck für rund 200 Euro entwendet haben.
Rechtsanwältin Michaela Roth räumt für ihren Mandanten H. sämtliche angeklagten Fälle ein. Alles andere verlängerte den Prozess ohnehin nur sinnlos. Wie der Vorsitzende Richter Manfred Beck an anderer Stelle erwähnt, filmten die Überwachungskameras an allen Tatorten gestochen scharf.
Ihr Mandant sei drogenabhängig und am 12. Dezember aus einer vorangegangenen Haft entlassen worden. Den ersten Diebstahl beging er am 23. Dezember. Roth bekommt letztlich den leicht strafverschärfenden Vorwurf eines gemeinschaftlichen Diebstahls vom Tisch: „Die beiden gingen gemeinsam ins Geschäft, aber jeder machte sein Ding.“
H. erzählt, seit zwanzig Jahre konsumiere er Kokain, seit einer Dekade rauche er Crack, die Verbindung von Kokainsalz und Natron. H. erklärt, „das ist dann eine andere Hausnummer als Koks zu schnupfen“. Anders als beim Heroin, gebe es keinen körperlichen Entzug. Der Suchtdruck im Hirn sei gewaltig.
Währenddessen nickt der Mitangeklagte S. zustimmend wie in einer Selbsthilfegruppe. Der Mann attestiert den Crack-Steinen in Frankfurt eine miserable Qualität. „So verschnitten, dass sich sofort Nachlegebrand einstellt.“
Anders als H., schloss der 32-Jährige schon einmal eine Drogentherapie ab. Zweieinhalb Jahre sei er clean gewesen. Er leide an Psychosen und Epilepsie. Die notwendigen Medikamente habe er zwar in Freiheit verschrieben bekommen, nicht aber im Gefängnis, in dem er zur Zeit Geldstrafen absitzt.
Es dauert, bis Richter Beck die Bundeszentralauszüge der beiden vorgelesen hat. H. kommt bisher auf 19, der S. auf 18. Einträge. H. erklärt: „Ich kann ihnen jetzt alles erzählen, was sie wollen, ich bin maßlos erschöpft.“ Die Zeiträume in Freiheit verkürzten sich, mit den Kollegen im Knast verstünde er sich immer weniger, „ich bin 42, es kann so nicht weitergehen“.
Aufgrund des Blutwerte nach der Festnahme hält der Rechtsmediziner Dr. Marcel Verhoff eine verminderte Schuldfähigkeit während der Taten für beide nicht für ausgeschlossen. Dem folgt die Staatsanwältin Grumann, die vor allem aufgrund der vielen Vorstrafen für den H. eine Freiheitsstrafe von 44 Monaten fordert, für den S. ein Jahr.
Anwältin Roth erklärt für H.: „Der Rhythmus von Konsum, Tat, Entzug bestimmt sein Leben.“ Der letzte Therapieversuch liege sieben Jahren zurück. Roth hält zweieinhalb Jahre Gefängnis für genug. Der Angeklagte H. formuliert ob der Forderung der Staatsanwältin sein Schlusswort: „Ich bin geschockt, habe nichts zu sagen, ich bereue es.“
Rechtsanwalt Friedrich Demandt, der S. vertritt, plädiert für seinen Mandanten, der noch zwei weitere Verfahren vor der Brust habe, auf ein halbes Jahr.
Richter Beck und die Schöffen verhängen schließlich 35 Monate für H., zehn für S. für gewerbsmäßigen Diebstahl. Beide hätten unter Kokaineinfluss im Zustand verminderter Schuldfähigkeit gestohlen. Die Parfümflaschen habe H. stets an einen Kiosk im Frankfurter Bahnhofsviertel verkauft, „dort versorgen sich dann Prostituierte und Zuhälter“. S. nimmt das Urteil an, H. will sich noch beraten.
Von Stefan Mangold