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Infocafé setzt seit 20 Jahren Maßstäbe bei Vermittlung von Medienkompetenz

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Von: Stefan Mangold

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„Ob Datenschutz, Medienbildung, Grooming, digitale Gewalt, Spielsucht und so viel anderes, wenn ein Thema relevant wird, dann muss und wird sich das Infocafé damit beschäftigen“, sagt Stephan Schölzel. Er und Susanne Krakat sensibilisieren den Nachwuchs für den kontrollierten Umgang mit Onlinespielen und sozialen Medien.
„Ob Datenschutz, Medienbildung, Grooming, digitale Gewalt, Spielsucht und so viel anderes, wenn ein Thema relevant wird, dann muss und wird sich das Infocafé damit beschäftigen“, sagt Stephan Schölzel. © Stefan Mangold

Stephan Schölzel und Susanne Krakat sensibilisieren den Nachwuchs für den kontrollierten Umgang mit Onlinespielen und sozialen Medien.

Neu-Isenburg -  Egal, wie Eltern dazu stehen: Onlinespiele, Instagram und Co. mit all ihren Fallstricken sind eine Realität, der sich das von der Stadt betriebene Infocafé seit nun mehr 20 Jahren stellt. Dort können Kinder und Jugendliche unter pädagogischer Aufsicht zusammen moderat zocken, wobei sie mit pädagogischen Fachkräften lernen, wie sie ihre Spielzeit unter Kontrolle halten und sich vor Gefahren wie Onlinemobbing schützen.

Auf dem Tisch greift Stephan Schölzel einen Zettel, den ein Schüler liegen ließ, ein Vokabeltest in Englisch. Der Fünftklässler von der Goetheschule in Neu-Isenburg (Kreis Offenbach) kommt regelmäßig ins Infocafé, erledigt hier manchmal auch seine Hausaufgaben. Im Test schrieb er eine zwei. Der Sozialarbeiter Schölzel und seine Kollegin, die Medienpädagogin Susanne Krakat, können bei Hausaufgaben an der einen und anderen Stelle helfen, „wenn es um zu komplizierte mathematische Fragen geht, ist allerdings Schluss“. Die beiden betreuen an drei Tagen in der Woche zwischen zehn und 20 Schüler. Dieser Tage feiert das Infocafé, das Jugendzentrum für Medien der Stadt, 20-jähriges Bestehen. Untergebracht ist das Vorzeigeprojekt in einem der ältesten Gebäude der Hugenottenstadt, der „Alten Schule“ von 1703. Das Gebäude wurde im Jahr 2008 im städtischen Auftrag für rund 1,2 Millionen Euro saniert.

Wo früher die jungen Isenburger den Katechismus bimsten, können Kinder und Jugendliche so heute nicht nur im Internet surfen. Sondern Schölzel und Krakat geben ihnen das Rüstzeug mit, sich gegen Gefahren in der virtuellen Welt zu wappnen, etwa gegen Onlinemobbing. Der 37-Jährige beobachtet, der Begriff werde häufig unscharf verwendet. „Ein im virtuellen Raum ausgefochtener Streit hat mit Mobbing erst mal nichts zu tun“, betont Schölzel, der seit zehn Jahren für das Infocafé arbeitet. „Mobbing beginnt, wenn es ein Ungleichgewicht gibt.“ Wenn Jugendliche in der analogen Welt etwa den vermeintlichen Sonderling auf dem Pausenhof hänseln, weil der keine coolen Klamotten trägt und irgendwie seltsam spricht, tauscht man sich heute zusätzlich in sozialen Netzwerken über den Mitschüler aus und postet ohne dessen Einverständnis Bilder.

Am 4. April 2003 fand in der Goetheschule die erste öffentliche Veranstaltung des Infocafés statt und später, am selben Tag, die erste Öffnung der Einrichtung. Über die Jahre hat das Infoc@fé nicht nur ein paar Sonderzeichen – wie das rote @ im Namen – verloren, es hat sich auch inhaltlich und räumlich viel verändert. Das Konzept war damals zunächst an kommerzielle Jugendcafés angelehnt – mit langen Öffnungszeiten und ohne explizit pädagogischen Zuschnitt; was hieß, man lässt es laufen und passt nurauf, dass nichts aus dem Ruder läuft. Nach drei Jahren schärfte die Stadt das Profil, das von nun an über die individuelle Nutzung der Computer hinausging. 2010 zog die Einrichtung von der Carl-Ulrich-Straße in den Alten Ort.

„Der Kontrast zwischen dem ältesten Gebäude und der hochmodernen medienpädagogischen Einrichtung ist bemerkenswert, noch bemerkenswerter ist die überaus anerkannte Arbeit der Einrichtung“, kommentiert die Stadtspitze. Gute Netzwerkarbeit, sagt Schölzel, sei das A und O. Wichtig sei dabei, dass der Kontakt mit der Zielgruppe nicht verloren geht. So seien auch Konzepte wie das Eltern-Update, in dem das Infocafé als Vermittler auftritt, oder die Eltern-Kind-Workshops entstanden. Krakat erklärt bestehende Regeln, „nach einer Stunde Onlinespiel muss eine halbe Stunde Pause folgen“. Damit streift die 35-Jährige ein Thema, das bei Anrufen von Eltern eine Rolle spielt, die daran verzweifeln, dass ihr Nachwuchs über Stunden nicht von der Konsole kommt. Im Infocafé lernen die Kinder, sich in puncto Onlinespiel an Verabredungen zu halten.

Die Stunde Spiel mit der folgenden halben Stunde Pause sei nicht in Stein gemeißelt. Es gebe Varianten, besonders wenn mehrere teilnehmen, die ein paar Minuten länger dauerten. „Wichtig ist, dass die Kinder vorher ankündigen, ‘es können zehn Minuten mehr werden, weil...“. In Chats für Kinder und Jugendliche treiben sich auch Sexualstraftäter herum, die sich als Jugendliche ausgeben, falsche Bilder versenden und ihr Gegenüber am anderen Ende der Leitung dahin manipulieren, ihnen eigene Nacktfotos zu schicken. Die Täter nutzen das Material zu späteren Erpressung, bestimmte Handlungen vor dem Bildschirm an sich zu vollziehen, ansonsten würde man ihre Nacktbilder veröffentlichen.

Schölzel erzählt von Anti-Drogenkampagnen aus den 70er Jahren, ‘wenn Du einen Joint rauchst, endest Du an der Nadel’. Später hieß lapidar, ‘Sag nein zu Drogen’. „Mit der Realität hatte das nichts zu tun“, betont der Sozialarbeiter. Der Ansatz im Infocafé sei nicht, Pubertierenden einzutrichtern, niemals irgendwelche Bilder von sich zu versenden, sondern vielmehr dafür zu sensibilisieren, wenn sie schon das Bedürfnis hätten, auf welche Warnsignale sie unbedingt achten sollten, um üble Konsequenzen zu vermeiden.

Öffnungszeiten und Infos: Der Juniorclub für Neunbis Zwölfjährige findet jeden Dienstag, Donnerstag und Freitag von 14.30 bis 17 Uhr statt. Der Internet-Club, der sich an Zwölf- bis 21- Jährige richtet, dienstags, donnerstags und freitags von 17 bis 20.30 Uhr. Infos gibt’s auf infocafe.org im Netz. Dort stellt das Team auch Dossiers zu Themen wie „Das erste Smartphone“ oder „Killerspiele, was ist das eigentlich?” bereit. (Stefan Mangold)

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