Kita-Verstärkung aus Lateinamerika

Die Stadt Neu-Isenburg setzt bei der Kinderbetreuung auch auf Fachkräfte aus dem Ausland. Nun haben acht junge Frauen aus Südamerika in den Kitas begonnen.
Neu-Isenburg - Ob beim Spielen, Basteln oder Toben – in der Kita Birkengewann bekommt Danna Morales beim Betreuen der Kinder immer wieder leuchtende Augen. Die 25-jährige Kolumbianerin ist seit rund sechs Wochen Erzieherin in der Neu-Isenburger Kita und sprach vor einem Jahr noch kein Wort Deutsch. „Ich lerne jeden Tag zusammen mit den Kindern neue Wörter und das ist wirklich großartig“, beschreibt die Pädagogin.
Durch eine Initiative der Stadt hat sie ihr bisheriges Leben über den Haufen geworfen, ihre Familie und Freunde verlassen und sich dazu entschlossen, nach Deutschland zu kommen.
Vermittlung durch TalentOrange
So wie Danna Morales haben sieben weitere Erzieherinnen den Weg nach Hessen eingeschlagen, die die Stadt Neu-Isenburg zusammen mit dem Personaldienstleister TalentOrange GmbH für die Tätigkeit in den Kitas rekrutieren konnte. „Der aktuelle Bedarf an Fachkräften kann nicht mehr durch die bisherige Personalgewinnung allein gedeckt werden“, erläutert Erster Stadtrat Stefan Schmitt die aktuelle Situation. Trotz der Bemühungen um gute Konditionen für Erzieherinnen, wie etwa außertarifliche Bezahlung, Jobticket oder kleinere Gruppengrößen, fehle es immer wieder an geeigneten Bewerbern. „Wir haben viele Hürden, die wir bewältigen müssen und sind noch nicht da, wo wir sein wollen. Das muss man klar sagen.“
Bereits unter Bürgermeister Herbert Hunkel sei daher der Kontakt zur TalentOrange GmbH – einem international tätigen Personaldienstleister – aufgebaut worden, um Fachkräfte aus Südamerika zu gewinnen. „Das ist natürlich ein langer Weg, den die Frauen zurücklegen müssen. Über 10 000 Kilometer von der Familie entfernt, in einem unbekannten Land und ohne die Möglichkeit, am Wochenende nach Hause fahren zu können, ein neues Leben aufzubauen, ist für niemanden einfach“, weiß Dr. Tilman Frank, Geschäftsführer der TalentOrange GmbH. Um die richtigen Fachkräfte für die Kitas in Neu-Isenburg zu finden, ist er in viele Länder Lateinamerikas gereist und hat an Universitäten für diese Chance geworben. Zur Grundvoraussetzung zählen neben einem abgeschlossenen Bachelorstudium in frühkindlicher Erziehung auch praktische Erfahrungen, sodass die Anerkennung zur Erzieherin in Deutschland auf etwa ein Jahr reduziert werden kann. „Das Vertrauen ist hierbei besonders wichtig. Teilweise kam die ganze Familie von Bewerberinnen zum ersten Gespräch mit, um sicherzugehen, dass das wirklich eine gute Idee ist“, berichtet er.
Intensive Vorbereitung
Aus einer Vielzahl von Treffen haben sich schließlich acht Frauen durchgesetzt, die Ende vergangenen Jahres noch in ihren Heimatländern mit dem Deutschunterricht begonnen haben. Seit rund fünf Monaten leben sie nun in der Hugenottenstadt, verfestigten zunächst in einem Sprachkurs am TalentOrange-Campus ihre Kenntnisse und sind seit Anfang April fester Bestandteil der sechs städtischen Kitas.
Camila León Peragallo hat in Chile bereits acht Jahre als Erzieherin gearbeitet und meint: „Manchmal fühle ich mich hier trotzdem etwas verloren. Ich kann meine Arbeit wirklich gut – aber eben in Chile. Hier sind die Abläufe und der Umgang oft ganz anders.“ Und auch Maria Melo kennt aus Brasilien eine völlig andere Kultur: „Natürlich ist das eine große Herausforderung für uns. Aber die Arbeit hier macht mich sehr glücklich und ist für meine Selbstentwicklung besonders wichtig.“ In der Kita helfen ihre Kollegen oft weiter und unterstützen gelegentlich bei sprachlichen Schwierigkeiten, indem sie langsamer sprechen oder Sätze wiederholen. Die Wohnungssuche sei in Neu-Isenburg die viel größere Herausforderung, ergänzt Catalina Riano aus Kolumbien. „Da sind wir wirklich hinterher, brauchen aber auch viel Unterstützung und sind für jede Hilfe dankbar“, erklärt Frank.
Rund 20 000 Euro pro Person lässt sich die Stadt die Vermittlung kosten – samt Sprachkurs und sämtlichen Formalitäten. Demgegenüber stehen Kosten von über 100 000 Euro für die berufliche Qualifikation eines hiesigen Auszubildenden.
„Das heißt natürlich nicht, dass wir die eigene Ausbildung aus dem Fokus nehmen. Wir schauen nun, welche Erfahrungen wir mit den vermittelten Kräften machen. Wenn die Rahmenbedingungen passen und es die personellen Ressourcen hergeben, kann ich mir aber durchaus vorstellen, auch weitere externe Fachkräfte zu unserer Ausbildung zu ergänzen“, so der Blick des Ersten Stadtrates in die Zukunft.
Von Moritz Kegler