Neu-Isenburg: Bewährungsstrafe nach Körperverletzung

Dass jemand sein Auto benutzt, um jemanden aus dem Weg zu fahren, geschieht relativ selten. Das Schöffengericht in Offenbach verurteilte deshalb eine Frau zu sieben Monaten Gefängnis, ausgesetzt zur Bewährung. Die 31-Jährige hatte in Neu-Isenburg einen Roller extra angefahren, dessen Fahrer sich bei der Aktion nicht unerheblich verletzte.
Neu-Isenburg - Staatsanwältin Birgit Lüter wirft der Frau vor, mit Absicht einen Unfall herbeigeführt und die Sicherheit des Straßenverkehrs gefährdet zu haben. Außerdem soll sich die Angeklagte nach dem Geschehen Ende März letzten Jahres an der Hugenottenallee vom Unfallort entfernt haben.
Rechtsanwältin Astrid Zeidler erklärt, ihre Mandantin werde sich äußern. Die Angeklagte berichtet, an dem Tag habe sie sich malade gefühlt, sei in Frankfurt gewesen, um sich krankschreiben zu lassen. Auf dem Rückweg nach Dreieich sei der Rollerfahrer bereits auf der Frankfurter Kennedyallee gestikulierend und hupend neben ihr gefahren. An einer Ampel habe er ihr komische Zeichen gegeben. Auf der Neu-Isenburger Hugenottenallee sei sie ausgestiegen, um den Mann zur Rede zu stellen. Sie sei dann wieder eingestiegen und habe in Panik den vor ihr stehenden Roller angefahren. Verteidigerin Zeidler wirft ein, der Geschädigte habe ihre Mandantin zivilrechtlich auf ein Schmerzensgeld von 20 000 Euro verklagt, was sie für übertrieben halte.
Richter Manfred Beck liest vor, anhand einer Blutprobe habe sich nachweisen lassen, dass die Angeklagte Cannabis konsumiere. Die Frau erzählt von einer medizinischen Indikation. Sie rauche Cannabis lediglich, um Periodenschmerzen zu mildern. Laut Gutachten deuten die Werte jedoch an, dass sich die Angeklagte damals regelmäßig einen Joint gönnte, unabhängig von etwaigen Schmerzzuständen.
Die Angeklagte berichtet, sie habe vor dem Mann Angst bekommen, der ihr mit seinem Roller den Weg versperrt habe. Der 71-Jährige schildert das Geschehen über weite Strecken anders. In Frankfurt habe ihn die Frau von der Spur drängen wollen, was er per Handzeichen moniert habe. Daraufhin habe sie ihn durchs offene Fenster als „Hurensohn“ beschimpft. An der Hugenottenallee haben man sich wiedergetroffen. Er habe vor ihrer Schimpfkanonade regelrecht Angst bekommen, sie wiederholt gefragt: „Was wollen Sie eigentlich von mir?“ Der Roller sei auf sein Knie gefallen, „ich habe mir einen Kreuzbandriss zugezogen“.
Eine Zeugin sagt aus, sie habe den Eindruck gewonnen, dem Mann sei es bei der lautstarken Auseinandersetzung darum gegangen, den Konflikt zu klären. Die Frau habe sich schließlich ins Auto gesetzt, sei auf den Mann zugefahren, habe kurz davor noch mal gehalten, anschließend habe sie den Roller mit dem Mann drauf angefahren und sich über den Grünstreifen entfernt. Ein anderer Zeuge hörte, wie der Geschädigte tatsächlich im Streit fragte: „Was wollen Sie eigentlich von mir?“ Er habe sich jedoch mit seinem Roller quer vor das Auto gestellt. Der Zeuge gewann den Eindruck, „dass der Mann sie nicht weiterfahren lassen wollte“.
Auch deshalb sieht Staatsanwältin Lüter nur einen minder schweren Fall von gefährlicher Körperverletzung: „Es handelte sich um ein Augenblicksversagen.“ Die Angeklagte habe sich außerdem durch ihre Periodenschmerzen in einem körperlichen Ausnahmezustand befunden. Der Tat vorangegangen seien wohl wechselseitige Beleidigungen. Die Staatsanwältin fordert neben einer Geldauflage von 2000 Euro eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten, ausgesetzt zur Bewährung, die Mindeststrafe. Rechtsanwältin Zeidler plädiert dennoch auf eine Geldstrafe, „sie fühlte sich bedrängt, hatte einen ganz schlechten Tag und raucht seit damals kein Cannabis mehr“.
Richter Manfred Beck und die beiden Schöffen verhängen wegen minder schwerer Körperverletzung und gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr neben sieben Monaten Bewährungshaftstrafe 800 Euro Geldauflage, zu zahlen an die Offenbacher Verkehrswacht. Die 31-Jährige habe sich vom Geschädigten provoziert gefühlt. Auch Beck spricht von einem Augenblicksversagen. „Sie waren der Situation nicht gewachsen.“ Sechs Monate nach der Rechtsgültigkeit des Urteils könne sich die Angeklagte darum kümmern, die Fahrerlaubnis neu zu beantragen.
Von Stefan Mangold