Neu-Isenburg: Einbrecher fragt nach Kippe und Klo

Auf ein Leben in festen Bahnen kann sich der 36-Jährige nicht stützen, den das Schöffengericht in Offenbach jetzt wegen eines versuchten Wohnungseinbruchs in Neu-Isenburg samt Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte zu 22 Monaten Gefängnis verurteilte. Bewährung gibt es keine.
Neu-Isenburg - Staatsanwältin Lydia Wurzel wirft dem Mann vor, am 15. Mai über die Terrassentür in eine Wohnung an der Waldstraße eingedrungen zu sein. Nach seiner Verhaftung soll der Mann im Revier versucht haben, Polizisten zu treten. Hinterher stellte sich heraus, der Angeklagte hatte bis zu 1,4 Promille Alkohol im Blut.
Anfangs schlägt Rechtsanwältin Ariane Iversen dem Vorsitzenden Richter Manfred Beck ein Rechtsgespräch vor, um auszutarieren, wie das Strafmaß aussehen könnte, wenn ihr Mandant gesteht. Offensichtlich sieht Beck den Ball sowieso aufs leere Tor zurollen und lehnt ab, „was soll dabei rauskommen?“
Schließlich erzählt der Angeklagte auch so. Er habe damals für einen Verwandten gearbeitet. Schon in der Nacht auf den Sonntag habe er mit einem Kumpel gesoffen. Am Tag sei es weitergegangen, begleitet von Amphetamin. Die Idee, in die Wohnung einzusteigen, sei ihm spontan gekommen.
Weil der Pole in Deutschland keinen festen Wohnsitz vorweisen kann, sitzt er seit dem 15. Mai in U-Haft. Beck konstatiert, er habe in der JVA Weiterstadt kein einziges Mal Besuch bekommen. Über seinen aktuellen Beziehungsstatus kann der Mann selbst nichts sagen. Zuletzt habe er in Polen mit der Freundin und seiner zweieinhalbjährigen Tochter gelebt, „ich weiß nicht, ob ich wieder einziehen kann“.
Was die Geschädigte über den Tag erzählt, als der Angeklagte in ihrer Wohnung stand, klingt wie aus einem Buñuel-Film, wenn sich Bilder außerhalb der Alltagslogik mischen, etwa Briefträger oder Pfauen durchs Schlafzimmer laufen.
Die Frau erzählt, wie sie vom Balkon der Nachbarin aus bemerkt habe, dass in ihrer Wohnung etwas nicht stimmt. Als sie reingekommen sei, habe sie der fremde Mann nach einer Zigarette gefragt und außerdem darum gebeten, die Toilette nutzen zu dürfen. Das eine habe sie ihm gegeben, das andere erlaubt, „aber dann gehen Sie bitte schnell!“.
Zu dem Zeitpunkt war schon die Polizei informiert. Ein aufmerksamer Nachbar hatte beobachtet, wie der Angeklagte in der Wohnung verschwand, „klar war, der wohnt da nicht“.
Eine Polizistin hatte versucht, den Eindringling zu verfolgen, „der war jedoch zu schnell“. Kollegen stoppten ihn schließlich an der Offenbacher Straße. „Auf der Wache markierte er dann den sterbenden Schwan“, erzählt die Beamtin. Der Angeklagte habe sich auf den Boden gelegt und schlafend gestellt. Im Anschluss brauchte es vier Männer, um den um sich tretenden Mann zur Raison zu bringen.
Gutachter Dr. Axel Schnabel will eine verminderte Schuldfähigkeit nicht ausschließen. Das Verhalten sei nicht untypisch für das Zusammenspiel von Alkohol und Amphetamin, „enthemmt mit kurzen Leistungshochs“.
Der 36-Jährige kassierte schon zwei ähnliche Vorstrafen, die letzte 2013. Damals verhielt er sich ebenfalls rabiat gegenüber der Polizei. Auch deshalb zeigt sich Staatsanwältin Wurzel nicht gewillt, die von ihr geforderten 22 Monate Gefängnis zur Bewährung vorzuschlagen.
Rechtsanwältin Iversen wertet die Qualität der Taten „am unteren Rahmen der kriminellen Energie“. Ihr Mandant habe sich nicht wie ein normaler Einbrecher verhalten, „er fragte sogar höflich“. Die Verteidigerin fordert eine zur Bewährung ausgesetzte Strafe im Ermessen des Gerichts. Die letzte Tat liege neun Jahre zurück, außerdem werde der Mann nach Polen zurückkehren.
Das lasse sich nicht wirklich kontrollieren, erklärt Richter Beck, der mit den beiden Schöffen die 22 Monate Gefängnis nicht zur Bewährung aussetzt. Die Geschichte von der Toilettennachfrage höre er nicht zum ersten Mal. Es ginge nicht an, das Leute durch Wohngebiete liefen, um auszubaldowern, wo sie einbrechen könnten, „nach der U-Haft in die Heimat zurückzukehren, versprechen sowieso alle“. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Von Stefan Mangold