Neu-Isenburg: Stadtwerke wollen auf den Ernstfall vorbereitet sein

Energiesicherheit und Energiesparen ist aktuell in aller Munde, in privaten Haushalten genauso wie in Bundes- und Landesbehörden und natürlich in Stadtverwaltungen. Steigende Energiepreise sind schon sichtbar oder als Rechnungen spürbar. Energieknappheit oder gar Stromausfälle sind noch sehr abstrakte Szenarien. Was man noch nicht sehen und spüren kann, schiebt man gerne eine Stück weg, das ist menschlich. Für Neu-Isenburgs Stadtwerke ist das aber natürlich keine Option.
Neu-Isenburg - Als „Grundversorger“ stehen sie in der Pflicht, die Menschen im Stadtgebiet jederzeit mit Energie und Trinkwasser zu versorgen. Damit das gelingt, inverstiere man jedes Jahr erhebliche Mittel in die Erneuerung, den Ausbau und die Instandhaltung der Strom-, Gas- und Wasser-Versorgungsnetze und -Anlagen, betont Geschäftsführer Kirk Reineke. Und das zahlt sich offenbar aus: Bisher stehen die Stadtwerke mit einer überdurchschnittlichen Versorgungsleistung von Strom und Gas da. Das wird anhand von Fakten mithilfe des sogenannten SAIDI-Wertes für die durchschnittliche Unterbrechungsdauer pro Verbraucher gemessen, erläutert Reineke. SAIDI steht für „System Average Interruption Duration Index“ und ist ein von der Bundesnetzagentur festgelegtes Qualitätsmerkmal für Strom- und Gasnetze.
Die Stadtwerke heben hervor, in Neu-Isenburg sei der SAIDI-Wert im Stromnetz 2021 mit 4,5 Minuten je Letztverbraucher deutlich besser gewesen als der Bundesdurchschnitt (10,73 Minuten). „Der gute SAIDI-Wert bestätigt unsere stetigen Anstrengungen zur Aufrechterhaltung einer sehr hohen Versorgungsqualität“, sagt Reineke. „Die Verbraucher in Deutschland waren durchschnittlich rund dreimal so lange ohne Strom wie die Neu-Isenburger. Und im Gasnetz gab es sogar überhaupt keine Unterbrechung. Unser SAIDI-Wert lag deshalb bei Null im Vergleich zu den bundesweit durchschnittlich 1,5 Minuten Unterbrechung.“
Doch die beste Infrastruktur nützt wenig, wenn die Zulieferung ausbleibt. „Wir haben zwar noch Verträge mit vielen unserer Kunden, die über das Jahr 2022 hinausgehen, aber was danach kommt, das wird auf jeden Fall teuer – das können wir nicht mehr abfangen“, betont Reineke und rät allen, denen es noch möglich ist, schon jetzt Geld „auf die Seite zu legen“. Damit es keine allzu großen Überraschungen bei den sicher anstehenden Nachforderungen gibt. „Es wird uns alle treffen und ich kann nur schon heute darauf hinweisen, sich entsprechende Reserven anzulegen“, so Reineke deutlich.
Was insbesondere in Sachen Strom auf alle Endverbrauchen zukommen könnte, das zeichnet sich für Hans-Ulrich Kimpel, Bereichsleiter Energie und Energiehandel, bereits ab. „Was sich derzeit auf der Strom-Börse in Leipzig abspielt, ist einfach brutal, da wird die Kilowattstunde Strom mit über einem Euro gehandelt, sowas habe ich noch nie erlebt“, schildert Kimpel. „Der Preis von einem Euro wird nicht direkt beim Endverbraucher ankommen, da er als Spitzenpreis in eine Mischkalkulation einläuft, aber diese Anzeichen sind erschreckend“, so der Spezialist für Energiehandel.
In der Leitstelle zur Überwachung des Strom- und Gasnetzes wird man unruhiger, wenn es mal „zuckt“. So ist die Gelassenheit bei Uwe Hildebrandt einer besonderen Aufmerksamkeit gewichen. „Sobald jetzt etwas am Leitstand flackert, ist man alarmiert“, weiß der Bereichsleiter Technik bei den Stadtwerken. „Es war bisher kaum vorstellbar, dass eine Energieknappheit mal auftreten könnte, das hat sich mit Putins Angriffskrieg auf die Ukraine urplötzlich geändert“, so Hildebrandt. Was in Sachen Gaslieferungen abgeht, dass schlägt sich in den Vorsorgemaßnahmen der Bundesregierung nieder. „Ob das sich so alles bis auf den kleinen Endverbraucher durchschlägt, bleibt abzuwarten, aber es ist durchaus möglich“, betont er.
Die Stadtwerke tun jedenfalls alles, was in ihren Möglichkeiten steht. „Wir haben keine eigenen Gasspeicher, sondern hängen – wie alle anderen auch – von der verlässlichen Zulieferung ab“, erklärt Reineke. Es gibt vertragliche Absicherungen, doch auch die „Lieferanten“ können nicht zaubern. „Es ist gut, dass wir jetzt alle uns zur Verfügung stehen Maßnahmen ausschöpfen und vor allem die Bürgerinnen und Bürger auf ein mögliches Szenario vorbereiten“, betont Reineke. Erster Stadtrat Stefan Schmitt weist darauf hin, dass die Stadtwerke keine Gewinnmargen aus dieser Situation produzieren, sondern eher die tatsächlichen Preise „abfedern“, soweit dies möglich ist. „Eine Verlustbilanz der Stadtwerke bringt uns ja auch nicht weiter, diese müssten wir über den städtischen Haushalt ausgleichen“, erklärt Schmitt.
Von Leo F. Postl
Hervorragende Werte auch beim Trinkwasser
Die Wasserversorgung unterliegt nicht der Bundesnetzagentur. Eine Erfassung von Versorgungsunterbrechungen, wie für die Strom- und Gasnetze, gibt es deshalb für die Wassernetze nicht. Für das Wassernetz hat der Deutsche Verband des Gas-und Wasserfachs (DVGW) zwei Maßzahlen entwickelt: Die Schadensrate bei Hauptleitungen liegt in Neu-Isenburg bei knapp über 0,02 Schäden je km Leitung beziehungsweise bei rund einem Schaden je 1000 Hausanschlüsse. Auch dies sind laut der Stadtwerke im deutschlandweiten Vergleich Top-Werte. Nicht nur die Versorgung mit Trinkwasser sei in Neu-Isenburg sehr gut, sondern auch die Qualität selbst. Das Trinkwasser stammt zu 80 Prozent aus den elf eigenen Brunnen der Stadtwerke und wird durch ein dreistufiges mechanisches Aufbereitungsverfahren gereinigt.