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Mutter von sechs Sternenkindern: Sie schreibt bewegendes Buch über Umgang mit der Trauer

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Von: Nicole Jost

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Stefanie Goldbrich, Mutter von 2 Kindern und 6 Sternenkindern. Mit dem Buch „Eine Handvoll Sonnenschein“ will sie das Thema Kindstod aus der Tabuzone holen.

Neu-Isenburg – „Mitten in der Nacht fahren wir ins Krankenhaus. Ich blute. Die nächsten zehn Stunden sind nervenaufreibend. Dann geht alles schneller als gedacht. Wir fahren in den OP. Ein Kaiserschnitt wird vorbereitet. Das Öffnen meines Bauches spüre ich aufgrund der noch nicht vollständig wirkenden Narkose schmerzvoll, das Rausnehmen meines Sohnes jedoch nicht. Ich höre ihn auch nicht. Selbst die Ärzte und Schwestern schweigen. Alles ist still.“

Fünf Tage kämpfen die Ärzte um das Leben des Babys von Stefanie Goldbrich – vergeblich. In Deutschland sterben durchschnittlich vier von 1000 Neugeborenen. Doch wie wird man mit solch einem Schicksalsschlag fertig? Gibt es ein Leben danach?

Neu-Isenburg: Bewegendes Buch über Verlust, Trauer und Trauerbewältigung

Die Erinnerungen von Stefanie Goldbrich aus der Nacht zum 22. September 2016 sind traumatisch. Nach 40 Wochen glücklicher Schwangerschaft, voller froher Erwartung auf das so gewünschte zweite Baby, erlebt die damals 34-Jährige gemeinsam mit ihrem Mann Tobias einen Albtraum – aus dem die Beiden so schnell nicht wieder aufwachen.

Die Isenburgerin hat über den Verlust ihres Kindes, die Trauer um Dominik und die Trauerbewältigung ein bewegendes Buch geschrieben. „Eine Handvoll Sonnenschein“ erzählt nicht nur die Geschichte ihres Babys, es hält auch die Erinnerung an den kleinen Kerl lebendig. Und es soll Familien, die ähnliches erlebt haben, und Menschen, die nicht so recht wissen, wie sie mit der Trauer Anderer umgehen sollen, helfen.

„Eigentlich war das Buch niemals für die Öffentlichkeit bestimmt“, sagt sie mit einem Lächeln, das bis in ihre Augen leuchtet. „Ich möchte betroffenen Eltern sagen: Auch nach so einem schlimmen Erlebnis kann man wieder glücklich werden“, erklärt sie sehr überzeugend.

Kinderwunsch war immer da: „Natürlich waren wir überzeugt, dass sofort alles klappt“

Kinder hat sich Stefanie Goldbrich immer gewünscht. Den passenden Mann trifft sie schon in Schulzeiten, in ihrer Heimatstadt in Brandenburg. Die gelernte Reiseverkehrskauffrau heiratet und das junge Paar ist mit 25 Jahren bereit für eine Familie. „Natürlich waren wir überzeugt, dass sofort alles klappt. Als ich mit 27 immer noch nicht schwanger war, haben wir uns in die Hände eine Kinderwunschklinik begeben“, erzählt Goldbrich.

Eine Handvoll Sonnenschein: Das Schreiben des Buchs über das kurze Leben und den Tod ihres Sohnes hat Stefanie Goldbrich (40) geholfen, mit ihrer Trauer umzugehen. Jetzt soll es auch anderen Betroffenen helfen.
Neu-Isenburg: Eine Handvoll Sonnenschein – Das Schreiben des Buchs über das kurze Leben und den Tod ihres Sohnes hat Stefanie Goldbrich (40) geholfen, mit ihrer Trauer umzugehen. © jost

Alleine diese Geschichte ist buchfüllend. Nach einer Fehlgeburt in der achten Woche, einer Zwillingsfehlgeburt in der siebten und neunten Woche und einer erneuten Zwillingsschwangerschaft, bei der ihre Tochter überlebt und gesund zur Welt kommt, wünschen sich die Goldbrichs ein Geschwisterchen für ihr kleines Mädchen.

Schwangerschaft mit Dominik: Neu-Isenburgerin war „voller Optimismus und Glück“

Nach einer weiteren Fehlgeburt ist Stefanie Golbrich überglücklich, als ihr Baby die zwölfte Schwangerschaftswoche schafft. „Ich hatte ein gutes Gefühl, alle Fehlgeburten waren vor der zwölften Woche. Ich war voller Optimismus und Glück und habe die Schwangerschaft mit Dominik sehr genossen.“

Nichts deutet auf Komplikationen hin, bis zu dem oben beschrieben Moment im Kreißsaal. Die Goldbrichs erfahren, dass eine Nabelschnurkomplikation der Grund für die Probleme war. Die Folge: Stefanie Goldbrich verliert viel Blut unter der Geburt und auch das Baby hat einen schweren Start. „Die Ärzte haben wirklich alles getan, um Dominik zu retten“, macht sie den Medizinern keine Vorwürfe.

Tragödie in Neu-Isenburg: „Wir hatten schon vorher besprochen, dass wir ihn gehen lassen werden“

Das Baby wird herunter gekühlt. „Es wird damit eine Art Reset-Knopf gedrückt“, weiß die Mutter. Noch im Krankenhaus sitzt Stefanie Goldbrich Tag und Nacht am Bett ihres Sohnes. Sie darf ihn streicheln, gibt ihm Muttermilch über eine Sonde. Auf den Arm nehmen darf sie das Baby nicht. Nach vier Tagen verbessern sich die Werte, es besteht Hoffnung. An Tag fünf bekommt Dominik plötzlich schwere Hirnblutungen.

Das Ärzteteam überbringt die schlimmste Nachricht: Das Baby ist Hirntod. „Wir hatten schon vorher besprochen, dass wir ihn gehen lassen werden, wenn ihm ein lebenswertes Leben nicht vergönnt ist. Und trotzdem war es die schrecklichste Entscheidung unseres Lebens, die Maschinen abstellen zu lassen“, erzählt Goldbrich.

Abschied im Krankenhaus: Das Paar aus Neu-Isenburg trauer auf unterschiedliche Art

Im Krankenhaus lässt das Team ihnen Zeit, sich von Dominik zu verabschieden. Acht Stunden dauert es, bis sein Herzchen aufhört zu schlagen. Solange dürfen sie ihn halten, er wird noch getauft und Fußabdrücke genommen. „Ich wünschte, wir hätten damals schon von den Sternenkinderfotografen gewusst. Wir haben jetzt nur zittrige Handyfotos“, bedauert Goldbrich.

Mit Buchkauf die Spendenaktion „Sterne fürs Sternenband“ unterstützen

Den Titel des Buchs „Eine Handvoll Sonnenschein“ kann Stefanie Goldbrich gut erklären: „Der Tag, als Dominik auf die Welt kam, war sonnig und warm. Das Wetter blieb so – bis zum Tag der Beerdigung. Danach war es grau und verregnet.“ Zum sechsten Geburtstag des Sternenkindes ist seine Geschichte in Buchform beim Kleinverlag Independent Bookworm erschienen. Man bekommt es überall da, wo man Bücher bekommt. Der Download für die digitale Version kostet 3,99, das Taschenbuch 15 und als Hardcover 25 Euro. Mit den Einnahmen aus dem Dezember will Goldbrich eine Künstlerin unterstützen, die Eltern mit Sternenkindern hilft: Nadija Frank hat das Sternenband entworfen. Es ist ein Armbändchen, auf das ein Sternchen und eine Perle aufgefädelt werden, die den Verlust eines Babys erkennen lassen. Wer es kennt und bei anderen Betroffenen am Handgelenk erkennt, fühlt sich nicht mehr allein. Denn das Alleinsein ist das Schlimmste, womit Betroffene zu kämpfen haben, weiß Goldbrich. Die Künstlerin erstellt die Bänder nach individueller Erfahrung der Sterneneltern. Infos gibt’s auf Goldbrichs Internetseite

           »sternenkind-mama.de

Als das Ehepaar ohne das Baby nach Hause fährt, sagt ihr Mann zu ihr: „Jetzt haben wir das Schlimmste geschafft.“ Stefanie Goldbrich spricht aus, was sie denkt: „Jetzt fängt der Horror erst an.“ Als Paar schaffen sie es gut, zu akzeptieren, dass sie eine unterschiedliche Art und Weise der Trauer haben.

Neue Schwangerschaft: „Es war ein Schock, ich war voller Angst“

Die Außenstehenden sind unsicher: „Was mich sehr verletzt hat, dass Menschen heruntergeschaut haben, wenn sie mich auf der Straße gesehen haben, oder sogar die Straßenseite gewechselt haben.“ Tod ist ein Tabu – der Tod eines Babys noch mehr. „Dabei ist es eigentlich ganz leicht, mit Trauernden umzugehen: Anteilnahme zeigen und zuhören reichen oft schon aus“, hofft Goldbrich, dass unsere Gesellschaft Tod und Trauer als das nimmt, was es ist: Es gehört zum Leben dazu. Ihr hilft es in diesen schweren Monaten nach dem Verlust, ihre Gedanken und Gefühle aufzuschreiben.

Auch die Gruppe der Rückbildungsgymnastik, in der nur Mütter mit Sternenkindern sind, hilft ihr immens bei der Verarbeitung. In der Familiengeschichte der Goldbrichs gibt es nach dem Tod von Domink noch eine große Wende. Nach fast zehn Jahren Kinderwunschbehandlung ist Goldbrich ganz ohne chemische Eingriffe ein Jahr nach dem Tod des Babys ungeplant schwanger. „Ich hatte eigentlich mit unserer Familienplanung abgeschlossen. Es war ein Schock, ich war voller Angst“, erinnert sie sich.

Familie aus Neu-Isenburg feiert auch heute noch Dominiks Geburtstag

Im April 2018 kommt der zweite Sohn gesund auf die Welt. „Heute bin ich wirklich davon überzeugt, dass uns Dominik seinen Bruder geschickt hat. Er wusste, dass all unsere Liebe für dieses dritte Kind ausreicht.“ Bis heute ist das gestorbene Baby Teil der Familie, der Geburtstag wird gefeiert.

„Wir sprechen offen über die Trauer, und sind davon überzeugt, dass das der richtige Weg für uns war, um wieder positiv nach vorne blicken zu können“, erklärt Stefanie Goldbrich, dass sie heute sehr froh und dankbar ist, dass Dominik auf der Welt war. (Nicole Jost)

Buchautorin Renan Demirkan warb in Neu-Isenburg zuletzt für mehr Akzeptanz.

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