Nachfrage bei Geflüchteten hoch: Speisekammer für Bedürftige in Neu-Isenburg muss immer mehr zukaufen

Die Speisekammer für bedürftige Menschen in Neu-Isenburg ist gefragter denn je. Besonders Geflüchtete aus der Ukraine stehen Schlange.
Neu-Isenburg - Es ist ein ungemütlicher Oktobermorgen. Die rund 40 Leute, die vor dem katholischen Gemeindehaus von St. Josef in der Kirchstraße in Neu-Isenburg (Landkreis Offenbach) stehen, haben sich in eine ordentliche Schlange sortiert und warten geduldig. Nach und nach werden sie in das Untergeschoss des Gebäudes gelassen, in dem an diesem Vormittag rund 15 Ehrenamtliche für die Lebensmittelausgabe der Speisekammer zuständig sind.
Alles hat eine klare Struktur: Die Menschen melden sich, weisen ihre Bedürftigkeit aus, bezahlen einen Euro für sich alleine oder zwei Euro für die ganze Familie und bekommen eine Nummer. Am frühen Morgen, ab 8.30 Uhr, dürfen zuerst Menschen mit einem Behindertenausweis rein, ab 9.30 Uhr starten alle anderen. Die Speisekammer ist für viele Menschen in Neu-Isenburg ein Rettungsanker – in Krisenzeiten mehr denn je. „Es ist nie leicht, herzukommen. Es kostet mich immer ein bisschen Überwindung“, sagt eine gepflegte Frau mittleren Alters. „Die jüngsten Preisspiralen bei den Lebensmitteln erhöhen den Druck enorm. Das Geld ist so knapp wie selten zuvor. Wenn es geht, komme ich jede Woche“, sagt sie, während sie ihren Rollwagen für die Lebensmittel zieht.
Speisekammer Neu-Isenburg: Viele Menschen aus der Ukraine kommen
Unter den Wartenden sind sehr viele ukrainische Frauen: „Gut die Hälfte all unserer Gäste sind geflüchtete Menschen aus den Kriegsgebieten in der Ukraine. Damit hat die Gesamtzahl enorm zugenommen, um gut ein Drittel“, erklärt Maria Sator-Marx, Organisatorin der Speisekammer. Die Frauen sind dankbar für diese Unterstützung: „Es ist gut, dass ich uns hier einmal in der Woche den Kühlschrank vollmachen kann“, erklärt eine junge Frau auf Englisch, „wir kämen sonst nicht über die Runden. Außerdem ist es inzwischen auch schon ein Treffpunkt, bei dem ich meine Landsleute treffe“, sagt sie und lächelt.
Jede Woche kommen jetzt gut 150 Menschen in die Kirchstraße, um sich und ihre Familien bei dem Hilfsprojekt mit Lebensmitteln einzudecken. Das stellt auch das Team der gut 50 Ehrenamtlichen vor neue Herausforderungen. „Da kommen auch bei uns derzeit mehrere Dinge zusammen. Zum einen sind es mehr Leute, zum anderen haben wir mehr und mehr Schwierigkeiten, an Lebensmittel bei den Märkten zu kommen“, erzählt Maria Sator-Marx.
Einige große Discounter verkaufen inzwischen in Gemüsetüten Ware zu reduzierten Preisen – Gemüse, das die Speisekammer nicht mehr bekommt. Auch mit den im Franchise-System geführten Märkten seien klare Absprachen schwierig. „Da kommen unsere ehrenamtlichen Fahrer hin und es gibt dann doch keine Ware für uns“, berichtet Sator-Marx.
Neu-Isenburg: Speisekammer muss inzwischen auch frisches Obst und Gemüse zukaufen
Das führt dazu, dass die Speisekammer immer mehr Lebensmittel selbst besorgen muss. Schon immer wurden Nudeln und Reis zugekauft, rund 100 Dosen Tomaten und Thunfisch in der Woche, Ware, die nicht schnell verdirbt. Auch Tee, Zucker, Milch und Mehl, Lebensmittel, die in Supermärkten einfach nicht übrig bleiben. Mittlerweile seien aber auch frisches Obst und Gemüse aus den genannten Gründen schwerer zu bekommen: „Für diese Woche haben wir Äpfel und Zitronen, Zwiebeln und Karotten zugekauft, damit wir die Leute versorgen können. Auch 1 440 Eier werden jede Woche von einem Eierhof angeliefert, die wir bestellen“, so Sator-Marx.

Zum Glück gibt es Ausnahmen. Das Café Ernst liefert Brote, Brötchen und Stückchen selbst jeden Donnerstagabend an – inklusive Papiertüten zum Verteilen der Backwaren. Auch sei die Spendenbereitschaft in Isenburg noch hoch. Sator-Marx ist froh, dass es Privatmenschen und Unternehmen gibt, die Geld an die Speisekammer spenden. „Ansonsten müssen wir eben noch besser verteilen.“ Über die 150 Leute hinaus, die persönlich vorbeikommen, versorgen die Ehrenamtlichen auch 25 Senioren, die den Weg in die Speisekammer nicht mehr schaffen, mit gepackten Körben.
Wer in den Krisenzeiten der Speisekammer die Arbeit unterstützen möchte, kann das über die Kontonummer DE18 5065 2124 0036 1223 07 tun. Auf Wunsch wird eine Spendenquittung ausgestellt. (Nicole Jost)